Am 30. November 2014 werden wir über die Ecopop-Initiative, eigentlich »Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen«, abstimmen. In lockerer Abfolge werden wir uns in nächster Zeit mit diesem Thema befassen.
Der erste Artikel der Initiative befasst sich mit der Bevölkerungszahl.
Verhindert werden sollen durch diesen Artikel der Initiative die Probleme, die heute viele Schweizer und Schweizerinnen beschäftigen:
Zersiedelung der Landschaft, Verbetonierung des Landes durch Strassen und andere Verkehrsinfrastruktur, Dichtestress, Wohnungsnot, volle S‑Bahnen, etc.
Art. 73a (neu) Bevölkerungszahl |
Hier stellen sich Fragen der Durchführbarkeit:
• Wer legt fest, für wieviele Bewohner die natürlichen Lebensgrundlagen reichen? Der Bundesrat, das Parlament, das Volk? Ecopop?
• Was gehört zu den natürlichen Lebensgrundlagen? Wer bestimmt diese? Und wer legt fest, ob die Dauerhaftigkeit sichergestellt ist? Der Bundesrat, das Parlament, das Volk? Ecopop?
• Wer regelt das? Und wo?
Regula Ritz, Co-Präsidentin der Grünen Partei, sagte in einem Interview mit der NZZ (12. März 2014):
»… die Ecopop-Initiative ist eine Mogelpackung. Bereits heute verbrauchen die Schweizer im Durchschnitt dreimal so viele Ressourcen, wie die Natur zur Verfügung stellt. Wenn man den Initiativtext ernst nehmen würde, müsste man 5 der 8 Millionen Einwohner der Schweiz des Landes verweisen. Nur so würden die natürlichen Ressourcen dauerhaft ausreichen, wie das im Initiativtext ja eingefordert wird.«
Da wir aber keine Mitbürger und Mitbürgerinnen des Landes verweisen können, müsste man vielleicht weniger an der Bevölkerungszahl schräubeln als viel mehr am Landverbrauch, an der Wohnfläche, am Mobilitätverhalten (Stichwort PendlerInnen) und am Energieverbrauch.
Also müssten wir zuerst einmal an den Dingen arbeiten die halt vielleicht auch weh tun:
Strenge Raumplanung,
starke Begrenzung der Mobilität (z.B. Arbeitswege, PendlerInnen),
schnelle Energiewende,
Drosselung des Wachstums.
Wenn aber nur an der Bevölkerungszahl geschraubt wird, können die Massnahmen nur fremdenfeindlich sein, denn wie schon gesagt, Schweizerinnen und Schweizer können wir ja nicht ausweisen. Wir können höchstens, wie in den Krisenjahren z.B. in Pagig GR geschehen, auslosen, wer auswandern muss. Eventuell mit einem kleinen Handgeld.
Die Stimmungsmache mit Überbevölkerung hat auch eine lange Tradition. Schon zur Zeit der Schwarzenbach-Initiativen kursierten immer wieder Schriften, die diese Überbevölkerung ansprachen.
Aus einem Flugblatt mit dem Titel ‘Wohin Helvetien?’: »Schon mit 5 Millionen Einwohnern waren wir ein übervölkertes Land, 6 Millionen sind zuviel.«
Oder in ‘Volk und Heimat’: »Im Jahr 2000 wird die Schweiz 10 Millionen Einwohner umfassen, das ist zuviel und daran sind die Ausländer schuld.«
Und da damals noch voll der ‘kalte Krieg’ herrschte, bedenkt man in ‘Volk und Heimat’, Nr. 11: »Wie stellen Sie sich eine kommende Grenzbesetzung vor? Eine solche mit einer Million Ausländern im Rücken ist niemals denkbar.«
Die Bevölkerungszahlen in der jeweiligen Abstimmungspropaganda, besonders die Prognosen, sind jeweils mit Vorsicht zu geniessen. Übrigens: Die Schweiz hatte im Jahre 2013 etwa 8,2 Millionen Einwohner.
(Fortsetzung folgt)
Die Weisheit zum Artikel:
»Wir können doch Fehlentwicklungen
nicht durch weniger Menschen kompensieren.«
Bastien Girod