»hafenaffin« — was ist das?
Das Wort »hafenaffin« verschwindet zwar immer mehr aus den Dokumenten. Es bedeutet eigentlich, dass eine Firma für die Anfahrt oder Abfahrt ihrer Waren auf den Fluss angewiesen ist, eine Wesensverwandtschaft mit dem Hafen hat.
Diese nachfolgenden Firmen wurden uns von den SRH (Schweizerischen Rheinhäfen) als »hafenaffin« gemeldet. Wie genau Delica ihre Lebesmittel vom Schiff bekommt oder die Carl Spaeter AG ihren Stahl, bliebe noch zu untersuchen. Auch die Fische der Zucht im ehemaligen Jowa-Gebäude kommen kaum den Rhein hinaufgeschwommen. Bei dem Mineralölfirmen ist das schon besser auszumachen und bei Ultra-Brag mit ihrem Schüttgut auch. Die Zahlen vor den Firmennamen sind die Parzellennummern, die Sie auf dem Plan sehen:
1555 /1528 Delica, Hafenstrasse 120, 4127 Birsfelden, https://www.delica.ch/
1552 Ultra-Brag, Postfach 245, 4019 Basel, https://www.ultra-brag.ch/
2868 Birsterminal AG, Hafenstrasse 54, Postfach, 4127 Birsfelden, http://www.birsterminal.ch/
2513 Swissterminal, Flachsackerstrasse 7, 4402 Frenkendorf, https://www.swissterminal.com/
1511 1476 Varo Energy, Riedstrasse 8, 6330 Cham, https://varoenergy.com
1579 Air Total (Suisse) SA, Route de l’Aéroport 10, 1215 Genève 15
1702 Suter Jörin, Talstrasse 45, 4144 Arlesheim, https://www.suter-joerin.ch/
1685 Coop Mineralöl, Hegenheimermattweg 65, 4123 Allschwil, https://www.coop-mineraloel.ch
1580 Tamoil Valora, Tamoil SA, Route de Pré-Bois 29, 1215 Genève 15 Aéroport, https://www.tamoil.ch/
1535 Carl Spaeter AG, St. Alban-Anlage 62, 4052 Basel, https://www.spaeter.ch
1612 Rhytank (gelöscht, nun von +Varo Energy übernommen, siehe oben)
Das sieht dann auf der Karte so aus:
Der Hafenperimeter ist eigentlich bei der Dinkelbergstrasse zu Ende. Aber mit der Parzelle 1339 frisst sich der Hafen mit seinen Lagerräumen heftig ins Gewerbegebiet Birsfeldens. Und auch die weissen Flecken im Hafenperimeter sind von Firmen besetzt, die keine Hafenaffinität vorweisen können. Dazu hehört auch eine 562 m2 grosse Parzelle, die der Gemeinde Birsfelden bis 2030 (kostenlos ?) überlassen wurde. Sie lagert dort einigen Unrat und grosse Kunst, nämlich die zwei Jünglinge mit Pfeilbogen von Carl Gutknecht, die Jahrzehnte beim Schulhaus Birsmatt standen.
Wie sie der Liste der »hafenaffinen« Firmen entnehmen können, haben gerade einmal zwei davon ihren Hauptsitz in Birsfelden und bezahlen hier ihre Gewinnsteuer. Die andern sind zwar nicht steuerbefreit, sie bezahlen aber einen eher bescheidenen Beitrag, der durch eine Steuerausscheidung ermittelt wird. Sie lesen im vorhergehend verlinkten Dokument dann Sätze wie …
• Eine interkantonale Doppelbesteuerung liegt vor, wenn mehrere Kantone beim gleichen Steuersubjekt das gleiche Steuerobjekt in der gleichen Bemessungsperiode mit einer gleichen oder ähnlichen Steuer erfassen.
• Bei den juristischen Personen ist vielfach zwischen dem Sitz und den Betriebsstätten zu unterscheiden. In solchen Fällen ist eine Aufteilung zwischen dem Sitz und den diversen Betriebsstättekantonen vorzunehmen.
• Im interkantonalen Steuerrecht wird grundsätzlich zwischen Haupt- und Nebensteuerdomizil unterschieden. Das Nebensteuerdomizil wird unterteilt in sekundäres Steuerdomizil und in Spezialsteuerdomizil.
• Das Hauptsteuerdomizil der juristischen Personen befindet sich grundsätzlich am statutarischen Sitz der Gesellschaft. Nur in denjenigen Fällen, in denen sich am statutarischen Sitz der Gesellschaft weder die Leitung noch Geschäftseinrichtungen befinden, wo also dem Sitz nur formelle Bedeutung zukommt, ist der Ort der wirklichen Leitung massgebend.
• Gemäss konstanter Praxis ist eine Betriebsstätte eine ständige körperliche Anlage oder Einrichtung, welche einen wesentlichen Betriebsteil umfasst.
Wichtig scheint zu sein, ob eine Firma im Hafenperimeter nun eine Betriebsstätte ist oder nicht. Also sind z.B. 1500 Kubikmeter Kerosin eine Betriebsstätte oder nur ein unbedeutendes Lager?
Es wäre eigentlich sehr interessant, wenn da etwas mehr Transparenz möglich wäre. Sind Sie Spezialist und können uns helfen?
Bilder: Titel F. Büchler, Plan Hafenaffinität Überarbeitung nach GIS
Bald werden Sie sich durch die 23 Seiten des Grundlagenpapiers gekämpft haben. Und wir auch. Und wir werden Ihnen ein paar erste Gedanken dazu vorlegen … und uns fragen, wo denn die Interessen der Gemeinde Birsfelden bleiben?
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Christoph Meury
Mai 22, 2020
Für die Erarbeitung der Studie «Hafen 2040+« wurde eine Potentialananlyse für alle drei Hafenareale durch die Firma Ecoplan AG und die niederländische Firma Panteia in Auftrag gegeben. Diese Potentialanalyse wird jedoch als Geheimpapier gehandelt und die Resultate werden lediglich in einer Grobzusammenfassung veröffentlicht.
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Importe (Einfuhr): Die Importe über die Rheinhäfen werden in Zukunft insgesamt abnehmen. Die Veränderung findet im Wesentlichen bei Mineralölprodukten statt.
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Exporte (Ausfuhr): Gemäss Studie werden die Exporte über die Rheinschifffahrt leicht zunehmen. Interessant, obwohl in der Schweiz kein Erdöl gewonnen wird, exportieren die Rheinhäfen Mineralölprodukte (?). Der Export von Kerosin scheint anhalten konstant zu sein (?). Zu einem eigentlich Hotspot entwickelt sich der Birsfelder Hafen im Bereich Aushubmaterial (Sprich: Bauschutt). In den Niederlanden ist das Aushubmaterial offensichtlich stark nachgefragt. Bauschutt wird also in Birsfelden, entgegen der Strategie der angekündigten Kreislaufwirtschaft, nicht aufbereitet und der Wiederverwertung zugeführt, sondern nach Holland ausgeschifft (Devise: Aus den Augen aus dem Sinn). Das vollmundig angekündigt Konzept der Kreislaufwirtschaft hat offensichtlich Luft nach oben.
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Das gilt auch bei der Firma Holcim am Rande der ehemaligen Staatsgrube. Holcim ist ein in der Schweiz ansässiges globales Unternehmen für Baustoffe und Zuschlagstoffe. Das 1912 gegründete Unternehmen expandierte in den 1920er Jahren nach Frankreich und dann nach ganz Europa und in den Nahen Osten. Sie expandierten in den 1950er Jahren in Amerika und gingen 1958 an die Börse
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Aus dem «Glaubensbekenntnis der Firma:
Die Produktion von Zement ist energie- und ressourcenintensiv. Kreislaufwirtschaft ist für uns deshalb nicht nur ein Bekenntnis zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Es macht unsere Prozesse auch wirtschaftlicher. Deshalb investieren wir laufend in Massnahmen, mit denen wir Stoffkreisläufe schliessen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir als Unternehmen langfristig nur erfolgreich sein können, wenn wir die Bedürfnisse von Umwelt und Gesellschaft mit finanziellem Erfolg in Einklang bringen. Eigendeklaration: https://www.holcim.ch/de/kreislaufwirtschaft
a) Wir schonen den natürlichen Rohstoff Kies indem wir Beton aus dem Abbruch von Gebäuden als Ersatz für Kies und Sand verwenden, um neuen Beton herzustellen.
b) Durch die Punkte zwei und drei verringern wir den Bedarf an Deponien für mineralische Abfälle, weil wir diese Abfälle sie verwerten statt ablagern.
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Wie wir dem Expertenbericht entnehmen können, wird der Aushub nicht in Birsfelden verwertet, sondern in die Niederlande exportiert.
Die für die Betonherstellung verwendeten Kiese und Sande werden aus dem Ausland importiert und u.a. mit den firmeneigenen Schiffen «Kies-Ueli« und der «Schwägalp« täglich von Ottmarsheim nach Birsfelden transportiert.
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Apropos «hafenaffin«: Der Stahlimport läuft aufgrund des geringen Einkaufpreises von Italien seit einigen Jahren auf der Bahn (gemäss Expertenbericht).
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Zukünftig: Der Bericht stellt fest «bereits heute sind im Hafengebiet Birsfelden über Schweizerhalle bis nach Salina Raurica verschiedene in der Recyclingwirtschaft tätige Unternehmen ansässig. Mit zunehmender Rückführung von Werkstoffen aus der Abfallwirtschaft in die Güterproduktion werden wichtige Ressourcen geschont. Es besteht für die Hafenfirmen weiteres Ausbau- und Kooperationspotential. Birsfelden kann sich also als «Güselhotspot« durchaus im Markt halten. Der hochwertige Güterumschlag wird zukünftig in Basel stattfinden. Daher auch der Ausbau mit dem Hagenbecken 3 (Gateway).
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Die restlichen Veränderungen werden in der Studie subsummiert. Man schwafelt von einer Hafenentwicklung in Richtung «Smart City«, «Industrie 4.0«, «High-Tech Industries«, industrielle Fertigung im 3D-Druckverfahren, «Kreislaufwirtschaft«, etc. etc. Man bemüht sämtliche PR-geföhnten Begrifflichkeiten um die Zukunft schönzureden. Hat dafür aber weder handfeste Umsetzungskonzepte, klare Strategien, noch eine Agenda zur Hand. Auch allfällige Partnerfirmen für all diese Herrlichkeiten können nicht genannt werden.
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Kurzum: Ein Luftschloss reiht sich ans nächste Luftschloss. Was bleibt ist der Hafen, wie er sich schon seit Jahren präsentiert: Ein wirrer Haufen von mehr- oder weniger genutzten Arealen mit zufällig ansässigen Firmen. An diesem Zustand soll gemäss der vorliegenden Studie bis anno Domini nichts verändert werden.
Christoph Meury
Mai 24, 2020
Sind die Baselbieter Rheinhäfen eigentlich noch ganz dicht?
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Alle paar Jahre melden die Zeitungen auf dem Rhein bei Birsfelden oder Muttenz Ölverschmutzungen (5.8. 2015, 21.1. 2013, 15.3. 2012). Dabei sind dies nur die Fälle, welche in den Medien auftauchen. Wieviele Ölverschmutzungen durch die beiden Baselbieter Häfen tatsächlich stattfinden, ist nicht bekannt. Ob darüber Buch geführt wird, weiss man nicht.
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Aktuell sind am 22. Mai 2020 in der Schleuse bei Birsfelden grösser Ölschlieren gesichtet worden. Das Öl musste aufwendig abgepumpt werden. Beteiligt an der Aktion waren die Ölwehr Basel-Landschaft, die Feuerwehr Basel-Stadt, ein Einsatzoffizier des Amts für Militär und Bevölkerungsschutz, die Polizei Basel-Landschaft, die Schweizerischen Rheinhäfen und das Gewässerschutzpikett des Amts für Umweltschutz und Energie der Bau- und Umweltschutzdirektion.
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Offizielle Medienmitteilung:«Bisher konnte trotz umfangreicher Abklärung der Verursacher der Verunreinigung noch nicht gefunden werden, schreibt die Bau- und Umweltschutzdirektion.«
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Vis à vis der Ölschlieren sind die beiden grossen Um- und Abfüllstationen der beiden Mineralölpumpstationen der vereinigten mineralöltransportierenden Firmen auf dem Birsfelder Hafenareal. Hier landen grossmehrheitlich auch die entsprechenden Transportschiffe. Man weiss, welche Schiffe, zu welchem Zeitpunkt gelöscht wurden und man kennt die beiden Pumpstationen. Es wird also, mit etwas gutem Willen, nicht allzu kompliziert sein die Verantwortlichen zu eruieren. Offensichtlich kommt es im Hafen regelmässig zu solchen Havarien. Es wäre also falsch solche Havarien zu bagatellisieren, oder sie als Einzelfälle abzutun. Es kann auch nicht sein, dass die Feuerwehren der beiden Kantone und weitere öffentliche Kräfte permanent für solche Einsätze aufgeboten werden und die Allgemeinheit diese Einsätze finanziert. Die Schadensverursacher müssen also gefunden und die Schäden von ihnen berappt werden.
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Zudem als kleine Erinnerung: Im neuen «Leitbild Natur« will die Gemeinde zu den wertvollen Lebensräumen entlang des Rheins Sorge tragen. Dem Rhein als Lebensraum selber wird dabei aber kein besonderes Augenmerk zuteil. Man müsste die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für Fauna und Flora also auf das Gewässer, auf den Rhein, ausdehnen. Nach der Katastrophe von Schweizerhalle (1. November 1986) wissen wir, dass Chemikalien aller Art, dazu gehören mit Sicherheit auch sämtliche Produkte der Mineralöl-Industrie, für den Rhein tödlich sein können. Also müsste die Gemeinde offiziell reagieren, rasche Aufklärung fordern und die Havarieverursacher an die Kandare nehmen und die SRH zu grösserer Sorgfalt auffordern. Wegschauen ist keine Option!
Franz Büchler
Mai 24, 2020
Hier die Einsätze 2020:
Am 7. Januar, 2. Mai 2020, 16. Mai 2020, 17. Mai 2020,19. Mai 2020 und nun auch am 22. Mai 2020 fanden sechs Einsätze der Birsfelder Feuerwehr wegen Gewässerverschmutzungen statt. Davon drei Ölverschmutzungen auf dem Rhein, ein Bagger im Rhein und eine Verschmutzung bei Zwingen. Es sind dies Einsätze mit jeweils 17–26 Angehörigen der Feuerwehr Birsfelden, die gleichzeitig auch Ölwehr des Kantons Basel-Landschaft ist.
Nachlesen kann man das auf
http://www.feuerwehr-birsfelden.ch/joomla/index.php/einsaetze/einsaetze-2020
Da wären auch die Ölwehreinsätze bis 2015 zu sehen. In der Tabelle die jeweils rot markierten Zeilen.
Christoph Meury
Mai 24, 2020
Danke für die Ergänzung!
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Drei offizielle Ölverschmutzungen in dieser kurzer Zeit (2020), heisst doch, dass die Hafenbewirtschaftung und im speziellen die Mineralöl-Logistiker ein Problem haben. Da muss man hinschauen!
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Birsfelden leistet sich eine Freiwilligen-Feuerwehr und wirft dafür jährlich 600’000 Franken auf. 65 Freiwillige bilden das Corps, werden ausgebildet und trainiert. Dafür investieren sie viel Herzblut und vorallem ein gerütteltes Mass an Freizeit. Da wäre es kühn, wenn diese Mannen (gibt es bei der Feuerwehr eigentlich auch Frauen?)gratis für die global agierenden Mineralölfirmen (u.a. AVIA, Total, ect.) Einsätze leisten und Tag & Nacht bereit stehen, ihre Jobs Knall auf Fall verlassen um Öllecks im Birsfelder Hafen zu sanieren und Umweltschäden in grösserem Umfang zu verhindern. Wir möchten wissen, wie die Gemeinde Birsfelden für diese Dienstleistungen entschädigt wird? Wie wird ein Haverieeinsatz mit 17 bis 26 Feuerwehrleuten abgegolten? Oder andersherum: Werden diese Einsätze allfällig von der Birsfelder SteuerzahlerIn berappt? Haben wir deshalb einer der höchsten Steuersätze im Kanton?
Hans-Jörg Beutter
Mai 25, 2020
sarkastisch liesse sich anmerken, das Hafenaffinste an Birsfelden ist die Feuerwehr…