Dies ist der fün­fte von sechs Artikeln, die die Gedanken der Jury wiedergeben. Quelle: Bericht des Beurteilungs­gremi­ums. Die Jury hat eine ein­deutige Rang­folge erstellt. Wir begin­nen hier nach dem bib­lis­chen Prinzip »die Ersten wer­den die Let­zten sein«.

Die Gestal­ter des Pro­jek­ts waren
Architekt: SALATHÉ Architek­ten, Basel und Rapp Architek­ten AG, Münchenstein
Land­schaftar­chitekt: Schmid Land­schaft­sar­chitek­ten, Zürich
Sozi­ologe: Prof. Ch. Schu­mach­er, Mut­tenz

Der Kommentar/Bericht der Jury:

Städte­bau
Als Aus­gangspunkt des Pro­jek­ts ‘you’ll nev­er walk alone’ ste­ht die Überzeu­gung der Pro­jek­tver­fass­er, dass Birs­felden als junge Kle­in­stadt einen selb­st­be­wussten Auftritt wagen soll. Aus dieser Leitidee wird ein robustes städte­baulich­es Konzept entwick­elt. Ein zen­trales Raum­netz als Abfolge diag­o­nal zueinan­der ver­set­zter Freiräume mit unter­schiedlichen Qual­itäten und Atmo­sphären verbindet die Haupt­strasse mit der Kirch­strasse. Es entste­ht eine Graduierung des öffentlichen Raumes mit den pub­likum­sori­en­tierten, kom­merziellen Nutzun­gen um den urba­nen Platz, welche die Haupt­strasse stärken. Die anschliessende Freiraum­ab­folge als grüne Weg­land­schaft mit Bil­dungs- und Wohn­nutzun­gen wird sehr begrüsst. Es wer­den spez­i­fis­che Orte geschaf­fen, welche sowohl ein städtis­ches Zen­trum, wie auch ein attrak­tives Zen­trumswohnen im Park mit kurzen Wegen ermöglichen. Die Set­zung und Artikulierung der Baukör­p­er wird sehr sub­til aus der gewach­se­nen Struk­tur her­ausen­twick­elt, nicht anbiedernd, son­dern selb­st­be­wusst als in sich schlüs­sige Antwort ein­er neuen Vorstadt-Zen­trums­be­bau­ung.

Sämtliche Gebäude, auss­er dem Dorf­mu­se­um, wer­den ent­lang der Schul­strasse abge­brochen. Die neue Bebau­ung führt die Rhyth­misierung von Bebau­ung und Grün­raum strin­gent ent­lang des Strassen­raums weit­er, klärt auch bei der Kan­ton­al­bank zur beste­hen­den Bebau­ung die Hin­ter­hof­si­t­u­a­tion und bietet eine attrak­tive Adressierung ent­lang der gesamten Quartiersstrasse.

Der neue Zen­trum­splatz wird mit dem selb­st­be­wussten Stadthaus grund­sät­zlich gut zoniert und erlaubt eine skalier­bare Nutzung. Die Veren­gung des Platzes zum Strassen­raum ist räum­lich klärend, jedoch fehlt dem Hochhaus, trotz der Gliederung die Ein­bindung in den weit­eren Kon­text. Im Zusam­men­spiel mit der gegenüber­liegen­den Hochhausen­twick­lung entste­ht eine uner­wün­schte Tor­si­t­u­a­tion und Schwächung des Ortes. Die zen­trale Lage der Gemein­de­v­er­wal­tung und des Grossverteil­ers am Platz wer­den hin­ter­fragt, ob die Nutzun­gen zur Inter­ak­tion und attrak­tiv­en Bespielung des gross­massstäblichen Platzes genü­gen.

Die unter­schiedlichen Woh­nungstypen, die für das aufgezeigte Zielpub­likum angedacht wur­den, sind fol­gerichtig und eng an die jew­eili­gen öffentlichen Nutzun­gen ange­bun­den. Sie ermöglichen neben der baulichen eine gewün­schte soziale Dichte.

Die kom­pak­ten Baukör­p­er und die effiziente, zusam­menge­fasste unterirdis­che Parkierung sind wirtschaftlich und bieten eine gute Etap­pierung.

Ins­ge­samt wer­den dem Pro­jek­tvorschlag eine schlüs­sige Hal­tung und hohe städte­bauliche Qual­itäten attestiert. Die Pro­gram­mierung von kom­merziellem Zen­trum ent­lang der Haupt­strasse und Agglom­er­a­tionswohnen im hin­teren Bere­ich wird weit­erge­führt. Allerd­ings wird mit dieser Tren­nung die Chance ver­passt, für Birs­felden nicht nur einen iden­titätss­tif­ten­den Platz, son­dern vielmehr attrak­tiv­en Dor­fk­ern, der sich über den gesamten Pla­nungsperime­ter span­nt, zu entwick­eln und damit das Zen­trum von Birs­felden neu zu denken.

Trotz robustem Konzept haben die Aufteilung des Are­als zusam­men mit dem gestal­ter­isch nicht überzeu­gen­den Grün­raum und der Cam­pus­massstäblichkeit dazu geführt, dass das Pro­jekt nicht für die Weit­er­bear­beitung emp­fohlen wurde.

Aussen­räume
Das Quarti­er wird durch zwei öffentliche Schw­er­punk­te geprägt. Es sind dies der Haupt­platz und der Schul­hof. Durch die Set­zung der Gebäude entste­hen diag­o­nal ver­laufende Raum­ab­fol­gen vom Haupt­platz zum Schul­haus­platz. Der „Stadt­platz“ bietet genü­gend Raum für mul­ti­funk­tionelle Nutzun­gen. Die Leseart der Ver­fass­er ist so, dass vom Haupt­platz mit dem hohen Stadthaus der Grü­nan­teil im neuen Quarti­er gegen den Rhein hin stetig zunimmt und immer mehr vom Park zur Land­schaft wird. Das Weg­netz führt diag­o­nal durch den neuen Grün­raum. Ent­lang dem
Weg span­nen sich Spiel­bere­iche, Wiesen und Rud­er­alflächen auf. Grössere Baum­grup­pen und Solitär­bäume, die vor­wiegend aus Eichen, Pap­peln und Wei­den beste­hen, bilden den Bezug zum nahen Wass­er ab. Es ist zu prüfen, ob das vorgeschla­gene Weg­netz von der Kirch­strasse zum neuen Stadt­platz genügt, um den erwarteten Langsamverkehr aufzunehmen. Der neue Park genügt den Anforderun­gen, es wäre aber wün­schenswert, dass als Gegen­satz zu den nahen land­schaftlich geprägten Grün­räu­men ent­lang dem Rhein und der Birs ein spez­i­fis­ch­er, charak­ter­voller städtis­ch­er Park entste­hen würde. Der Grün­raum weist eine hohe Qual­ität auf, die es erlaubt das Konzept weit­er zu bear­beit­en.

Ökolo­gie
Die aus­gewiesene Grün­fläche ist mit 6‘000 m² rel­a­tiv gross, Gestal­tung und Anord­nung der Flächen ori­en­tieren sich am heuti­gen Zus­tand, der Nordteil behält Parkcharak­ter. Die wertvolle Baum­gruppe mit Eichen und Linde bleibt erhal­ten und wird in Szene geset­zt. Die Mehrzahl der beste­hen­den Bäume verbleibt, Ver­luste wer­den durch Neupflanzun­gen überkom­pen­siert. Es entste­ht ein „grünes Geviert“ mit Eichen, Pap­peln und Wei­den, was einen Bezug zu Birs und Rhein schafft. Der Rand gegen die Schul­strasse wird mit Grün­flächen und Bäu­men im jet­zi­gen Charak­ter ver­stärkt. Der Grünzug zwis­chen Birs und Rhein ist der bre­it­en Öffentlichkeit zugänglich.

In den opti­mal ver­net­zten Grün­flächen wech­seln sich „blühende Wiesen“ und Rud­er­alflächen ab mit Rasen für Spiel und Erhol­ung. Biol­o­gis­che Vielfalt erscheint von Beginn weg einge­plant, es verbleibt ein gross­er Spiel­raum zur ökol­o­gis­chen Aufw­er­tung. Die neue Rud­er­alfläche entspricht gut der heuti­gen Fläche, scheint aber am vorge­se­henen Ort sub­op­ti­mal, weil stark beschat­tet. Mit der alten Turn­halle ver­schwindet auch die Mehlschwal­benkolonie und muss an ander­er Stelle erset­zt wer­den.

Aufge­fall­en (Red.)
Mein Lieblingsmu­se­um bleibt beste­hen! Mutig die alte Turn­halle eli­m­iniert. Das etwas ver­schobene Hochhaus am Rande der Haupt­strasse ist mutig und schirmt die in Reih und Glied aufgestell­ten Sitzbänke (?) oder Mark­t­stände (?) etwas vom Lärm der Haupt­strasse ab. Jan Gehl würde eine andere Anord­nung der Sitzgele­gen­heit­en vorziehen …

Dieser Artikel ist Teil ein­er Serie zum neuen Zen­trum­spro­jekt. Hier gehts zu den bish­er erschiene­nen Artikeln.
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Und mit diesem Link kom­men Sie zu ein­er Artikelserie, die sich mit dem Kli­mawan­del befasst, der eigentlich auch im Zen­trum­spro­jekt eine Rolle spielt.

Mattiello am Mittwoch 4/14
Birsfelden von hinten 18/14

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