Von Pech­mann sie­delt den Umschwung von einem noch vor­han­de­nen Rest-Zukunfts­op­ti­mis­mus in einen zuneh­men­den Pes­si­mis­mus um die Jahr­tau­send­wen­de an. Lan­ge und bis vor kur­zem galt Arbeit ” als Inves­ti­ti­on in eine bes­se­re Zukunft und die­se Zukunft als gerech­ter Lohn für die geta­ne Arbeit.
Die Annah­me einer sol­chen Hand­lungs- und Gestal­tungs­mög­lich­keit des Men­schen aber muss­te die Zukunft als einen offe­nen und unbe­grenzt erschliess­ba­ren Raum erschei­nen las­sen, der dann in der Tat von den tech­ni­schen Wis­sen­schaf­ten, von der Mecha­nik über die Che­mie und Elek­trik bis zur Bio­lo­gie, sowie von den poli­ti­schen Bewe­gun­gen der Neu­zeit, erst des Bür­ger­tums, dann der Arbei­ter­klas­se, in Anspruch genom­men wur­de. Durch die tech­ni­schen wie poli­ti­schen Revo­lu­tio­nen wur­de das, was vor­mals als unmög­lich galt, Wirk­lich­keit. Maschi­nen ersetz­ten das Hand­werk, Men­schen began­nen zu flie­gen und alle Men­schen erhiel­ten glei­che Rech­te. Die­se his­to­ri­schen Umwäl­zun­gen folg­ten dem Para­dig­ma eines Fort­schritts, der impli­ziert, dass die Zukunft als ein offe­ner und daher tech­nisch wie poli­tisch gestalt­ba­rer Raum begrif­fen wird.
Spä­tes­tens seit der Jahr­tau­send­wen­de jedoch exis­tiert die­se Offen­heit der Zukunft nicht mehr. Und damit ist auch die Idee ihrer Gestalt­bar­keit naiv und frag­wür­dig geworden. …

Das Fort­schritts­han­deln selbst, in der Gestalt eines glo­bal gewor­de­nen öko­no­mi­schen Sys­tems, schafft Tat­sa­chen, die es unmög­lich machen, die Zukunft wei­ter­hin als einen offe­nen Raum von Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten vor­aus­zu­set­zen. (…) War es bis­lang die Maxi­me, so zu han­deln, dass es den Kin­dern und Kin­des­kin­dern bes­ser geht, geht es heu­te ange­sichts der Pro­gno­sen dar­um, so han­deln zu müs­sen, dass es den künf­ti­gen Genera­tio­nen nicht schlech­ter geht. 

Von Pech­mann weist dar­auf hin, dass der Begriff der “Ver­ant­wor­tung”, der sich bis anhin vor allem auf ver­ant­wort­li­ches Han­deln von uns allen als Indi­vi­du­en bezog, aus­ge­wei­tet wer­den muss auf die glo­bal ver­netz­te und agie­ren­de Gesell­schaft der gegen­wär­tig Leben­den. Sie hat auch eine inter­ge­nera­tio­nel­le Dimen­si­on. Fri­days for Future ent­stand aus der Erkennt­nis der Jugend, dass wir, die Älte­ren, den Auf­trag für die Erhal­tung lebens­wer­ten Lebens auf die­sem Pla­ne­ten namens Erde sträf­lich ver­nach­läs­sigt haben, — ganz abge­se­hen vom immer noch fröh­lich gras­sie­ren­den Raub­tier­ka­pi­ta­lis­mus namens “Neo­li­be­ra­lis­mus”. Gre­ta Thun­berg: Die Zukunft wur­de ver­kauft, damit eine klei­ne Zahl von Men­schen unvor­stell­bar viel Geld ver­die­nen konn­te.

Was also tun? In der letz­ten Fol­ge wur­den drei Stra­te­gien für einen grund­le­gen­den Wan­del vor­ge­stellt, von Pech­mann ent­we­der als illu­so­risch oder unge­nü­gend beur­teilt. Er weist dar­auf hin, dass alle drei von einer sub­jek­ti­ven Per­spek­ti­ve aus­ge­hen: Die Men­schen haben zu wenig Ver­trau­en in ihre Inno­va­ti­ons­kraft, sie wis­sen noch zu wenig oder sie sind noch zu sehr in eigen­nüt­zi­gem, ego­is­ti­schen Den­ken und Han­deln befangen.

Das alles mag zur jet­zi­gen Sack­gas­se bei­getra­gen haben, aber sie blen­den aus, dass es auch objek­ti­ve Struk­tu­ren gibt, die einer Lösung im Wege ste­hen, — oder viel­leicht sogar zu einer Lösung bei­tra­gen. Die Ver­tre­te­rIn­nen die­ser Sicht­wei­se fin­den sich vor allem in den Gesellschaftswissenschaften.

Da sind zum Bei­spiel die “Trans­for­ma­ti­ons­theo­re­ti­ke­rIn­nen”. Sie gehen davon aus,
dass im Rah­men der “drit­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on” durch die Digi­ta­li­sie­rung eine Zunah­me von imma­te­ri­el­len Gütern statt­fin­den wird. Mit ihr voll­zie­he sich ein his­to­ri­scher Wan­del von de alten Indus­trie- zur neu­en Infor­ma­ti­ons- und Wis­sens­ge­sell­schaft, deren Güter sowohl res­sour­cen- und umwelt­scho­nend als auch all­ge­mein zugäng­lich sein wer­den. Mit die­sen tech­nisch öko­no­mi­schen Ver­än­de­run­gen gehe zugleich ein sozia­ler Wan­del einher …
Sie sehen daher eine län­ger­fris­ti­ge Trans­for­ma­ti­ons­pe­ri­ode in einer “Hybrid­ge­sell­schaft” vor­aus, in der die alte und die neue Wirt­schafts- und Gesell­schafts­form kon­flikt­reich neben- und gegen­ein­an­der exis­tie­ren wird. In die­ser Aus­ein­an­der­set­zung wür­de sich schliess­lich jedoch eine neue, auf kol­la­bo­ra­ti­ver Ver­wal­tung von Gemein­gü­tern (Com­mons) basie­ren­de Wirt­schafts- und Gesell­schafts­for­ma­ti­on als über­le­gen durchsetzen.

Von Pech­mann ent­deckt auch hier eine Achil­les­fer­se, weil die Ver­tre­te­rIn­nen die­ser Sicht­wei­se ähn­lich wie im 19. Jhdt die Mar­xis­ten von einer aus einer inne­ren geschicht­li­chen Logik sich zwangs­läu­fig erge­ben­den Ent­wick­lung aus­ge­hen. Was aus der Marx’schen Geschichts­phi­lo­so­phie gewor­den ist, haben wir alle vor Augen: Der Kapi­ta­lis­mus hat sich nicht bequemt, sich nach ihr zu richten …

Und damit sind wir beim nächs­ten und viel­leicht wich­tigs­ten Sün­den­bock, der uns einen Aus­weg aus der Sack­gas­se verbaut:
Die wohl ver­trau­tes­te Argu­men­ta­ti­on jedoch nennt den Kapi­ta­lis­mus als das Sys­tem, das auf­grund sei­ner Logik der Wert­ver­meh­rung nicht nur der Bewäl­ti­gung der Mensch­heits­pro­ble­me im Wege steht, son­dern die­se Pro­ble­me auch fort­wäh­rend produziert.

Sind wir laut von Pech­mann damit end­lich beim ent­schei­den­den “Cor­pus delic­ti” für die aktu­el­le miss­li­che Lage ange­langt, in der die Mensch­heit steckt?

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am Frei­tag, den 2. September!

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