Was sind die Vor­aus­set­zun­gen, die einen Wan­del des mensch­li­chen Den­kens und Han­delns vom “Haben” zum “Sein” breit­flä­chig mög­lich machen?

Für Erich Fromm ist klar: Am Anfang muss eine Ana­ly­se des­sen ste­hen, was ist, — eine illu­si­ons­lo­se Schau auf den heu­ti­gen Gesellschaftscharakter:
Das Ergeb­nis der Inter­ak­ti­on zwi­schen indi­vi­du­el­ler psy­chi­scher Struk­tur und sozio­öko­no­mi­scher Struk­tur bezeich­ne ich als Gesell­schafts-Cha­rak­ter. Die sozio-öko­no­mi­sche Struk­tur einer Gesell­schaft formt den Gesell­schafts-Cha­rak­ter ihrer Mit­glie­der der­ge­stalt, dass sie tun wol­len, was sie tun sol­len. Gleich­zei­tig beein­flusst der Gesell­schafts-Cha­rak­ter die sozio-öko­no­mi­sche Struk­tur der Gesell­schaft: In der Regel wirkt er als Zement, der der Gesell­schafts­ord­nung zusätz­li­che Sta­bi­li­tät verleiht; …

Vie­le poli­ti­sche Revo­lu­tio­nä­re mei­nen, zuerst müss­ten die poli­ti­sche und die öko­no­mi­sche Struk­tur radi­kal ver­än­dert wer­den, dann wer­de als zwei­ter und fast zwangs­läu­fi­ger Schritt ein Wan­del der mensch­li­chen Psy­che erfol­gen. Mit ande­ren Wor­ten, die neue Gesell­schaft wer­de, sobald sie erst ver­wirk­licht sei, qua­si auto­ma­tisch den neu­en Men­schen hervorbringen.

Welch fata­le Fol­gen die­se Über­zeu­gung hat­te, ist nir­gends bes­ser illus­triert als in der Rus­si­schen Revo­lu­ti­on von 1917, die voll Pathos die Geburt des neu­en Men­schen ver­kün­de­te, der vol­ler Idea­lis­mus die neue kom­mu­nis­ti­sche Gesell­schaft auf­bau­en wür­de. Die eigent­li­che Geburt war dann aller­dings eine Gesell­schaft, wie sie Geor­ge Orwell in sei­ner Fabel “Die Farm der Tie­re” so treff­si­cher sezier­te. Der 1954 ent­stan­de­ne Trick­film dazu ist heu­te noch sehens­wert. Der “homo sovie­ti­cus” wur­de zu einer trau­ri­gen Kari­ka­tur des bol­sche­wis­ti­schen Ideals.

Genau­so als Irr­weg habe sich gemäss Fromm das umge­kehr­te Vor­ge­hen erwiesen:
Das ande­re Extrem stel­len jene dar, die behaup­ten, zunächst gel­te es, die Natur des Men­schen zu ver­än­dern – sein Bewusst­sein, sei­ne Wert­vor­stel­lun­gen, sei­nen Cha­rak­ter – erst dann kön­ne eine wahr­haft huma­ne Gesell­schaft errich­tet wer­den. Die Geschich­te der Mensch­heit hat bewie­sen, dass sie unrecht haben. Rein psy­chi­sche Ver­än­de­run­gen sind stets auf die Pri­vat­sphä­re bzw. auf klei­ne Grup­pen beschränkt geblie­ben oder haben sich als völ­lig unwirk­sam erwie­sen, wenn geis­ti­ge Wer­te gepre­digt, aber ganz ande­re prak­ti­ziert wurden.

Hat Fromm recht? Wenn bei­de Wege der Wand­lung Irr­we­ge sind, was wäre dann der erfolg­ver­spre­chen­de drit­te Weg?
Der birsfaelder.li-Schreiberling ist zur Ansicht gelangt, dass die­ser drit­te Weg nicht exis­tiert, und dass die ein­zi­ge erfolgs­ver­spre­chen­de Ent­wick­lung, die zu einer fun­da­men­ta­len posi­ti­ven Gesell­schafts­ver­än­de­rung führt, tat­säch­lich in einem grund­le­gen­den Bewusst­seins­wan­del der Mensch­heit zu fin­den ist, wo geis­ti­ge Wer­te nicht mehr gepre­digt, son­dern prak­ti­ziert werden.

Das soll anhand des Kapi­tels “Ist die west­li­che Welt christ­lich?” in sei­nem Buch “Haben oder Sein” näher aus­ge­führt wer­den, und dies wie immer am kom­men­den Frei­tag, den 11. Oktober.

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