Hier fol­gt also die Darstel­lung des Zwis­chen­todes, die Dr. Whit­ton aus ein­er Vielzahl von Erfahrun­gen sein­er Proban­den zusam­men­stellte:

Rück­zug aus der Erdebene
Der Gedanke an den Tod weck­te die rebel­lis­chsten Instink­te des Dichters Dylan Thomas. „Geh nicht san­ft in diese gute Nacht“, forderte er seinen gebrech­lichen und ster­ben­den Vater auf. „Wüte, wüte gegen das Ster­ben des Lichts.“ Seine Gefüh­le hät­ten der Sen­si­bil­ität von Walt Whit­man kaum fremder sein kön­nen, der mit den Worten „Komm, schön­er und beruhi­gen­der Tod“ auf die Unauswe­ich­lichkeit des Todes hin­wies. Jed­er hat seine eigene Vorstel­lung davon, wie der Tod sein wird, aber nur wenige erken­nen, dass diese per­sön­lichen Ein­stel­lun­gen zusam­men mit der Leben­squal­ität und dem spir­ituellen Entwick­lungs­stand eines Men­schen einen erhe­blichen Ein­fluss auf die Art der Erfahrung selb­st haben.

Der san­fteste Über­gang vom inkarnierten zum diskarnierten Zus­tand gelingt den­jeni­gen Men­schen, die ihr Leben damit ver­bracht haben, ihren äußeren Charak­ter in Übere­in­stim­mung mit den höch­sten Impulsen ihrer Seele zu for­men. Sie freuen sich über den Zer­fall des Kör­pers und sind begeis­tert von der Aus­sicht, aus ihrer Hülle befre­it zu sein. Ein fort­geschrit­ten­er Men­sch, der das Gefühl hat, sein Leben nicht vol­len­det zu haben, wird Reue über seine Unzulänglichkeit empfind­en, auch wenn er sich nach der Möglichkeit sehnt, wieder in den erhabenen Zus­tand des Bar­do zurück­zukehren. Weniger entwick­elte Per­sön­lichkeit­en nehmen in der Regel eine von zwei Hal­tun­gen ein. Aus Angst vor dem, was der Tod brin­gen mag, kämpfen sie verge­blich darum, im Kör­p­er zu bleiben. Oder, ins­beson­dere wenn sie bei schlechter Gesund­heit sind, wün­schen sie sich, ihren Kör­p­er so schnell wie möglich gegen einen neuen „Anzug” einzu­tauschen und rasch wieder in die physis­che Exis­tenz zurück­zukehren. Der Schock eines gewalt­samen Todes führt oft dazu, dass die entkör­perte Seele auf der irdis­chen Ebene ver­weilt, vielle­icht aus Ver­wirrung, Wut, Selb­st­mitleid oder aus Rachegelüsten.
Ein Uni­ver­sität­spro­fes­sor, der seinen Mord vor mehreren hun­dert Jahren als Indi­an­er im Süd­west­en der USA erneut erlebte, erin­nerte sich an seinen emo­tionalen Zus­tand, als er kurz vor dem Ein­tritt in das Metabe­wusst­sein stand:

Nach­dem ich von drei anderen Indi­an­ern gefoltert, getötet und ver­stüm­melt wor­den war, schwebte ich voller Wut aus meinem Kör­p­er her­aus. Ich dachte, dass ich mit besser­er Aus­bil­dung und besser­er kör­per­lich­er Ver­fas­sung vielle­icht mein Leben hätte ret­ten kön­nen. Als ich meinen Kör­p­er ver­ließ, führte ich karateähn­liche Bewe­gun­gen in der Luft aus. Ich wollte eine zweite Chance, mich zu vertei­di­gen, mich an mein Leben zu klam­mern.

Die viel disku­tierte „Tunnel”-Erfahrung – ein Arche­typ des Über­gangs – ist ein häu­figes Merk­mal des Rück­zugs aus dem irdis­chen Dasein. Immer wieder bericht­en Dr. Whit­tons Proban­den, dass sie ihren Kör­p­er unter sich „sehen”, bevor sie schnell durch einen hohen, zylin­drischen Gang gezo­gen wer­den. Dann ent­deck­en sie, dass sie ihren physis­chen Kör­p­er ver­lassen haben und ihre zurück­ge­bliebe­nen Ver­wandten und Fre­unde nicht trösten und beruhi­gen kön­nen. In den meis­ten Fällen jedoch löst das Ein­set­zen selt­samer und wun­der­samer Erfahrun­gen bald alle irdis­chen Bindun­gen auf.

Der Tun­nel scheint als Trans­portweg in die Nach­welt zu dienen. Einige Men­schen wer­den noch während der Reise von „Führern“ emp­fan­gen und in das Zwis­chen­leben begleit­et, aber die meis­ten Proban­den bericht­en, dass sie allein reisen und am Ende der Reise mit ein­er Vielzahl von Frem­den ver­schmelzen. Wer auch immer den Neuankömm­ling im Bar­do empfängt – ein ver­stor­ben­er Ver­wandter oder Fre­und, ein Begleit­er oder ein Führer, der während des let­zten Lebens über seinen „Schüt­zling” gewacht hat –, wird oft mit ein­er Fack­el gese­hen, um den Weg zu beleucht­en. Diese Fack­el sym­bol­isiert, wie imma­terielle Ein­drücke in Sym­bole über­set­zt wer­den. Das Zwis­chen­leben kann naturgemäß kein „Ort“ sein und kann keine Fack­eln oder andere irdis­che Uten­silien haben. Es existiert nur das Denken, das das Unter­be­wusst­sein in ein Objekt ver­wan­delt, das wahrgenom­men wer­den kann. Der Autor Stew­art C. Eas­t­on schrieb, dass der Zus­tand zwis­chen den Leben „nicht … über dem Him­mel oder irgend­wo anders ist. Man kann ihn sich vielle­icht am besten als einen Zus­tand vorstellen, den man nur erah­nen kann, wenn man alles, was mit der physis­chen oder kör­per­lichen Welt zu tun hat, voll­ständig aus­blendet.” Wenn diese andere Dimen­sion jedoch wahrgenom­men wer­den soll, müssen ihre abstrak­ten Ele­mente mith­il­fe von Sym­bol­en aus dem aktuellen Leben oder ein­er anderen Inkar­na­tion in Bilder umge­wan­delt wer­den.

Das ägyp­tis­che Toten­buch ist ein Hand­buch für das Leben nach dem Tod, das aus dem Jahr 1300 v. Chr. stammt. Sein ursprünglich­er ägyp­tis­ch­er Titel lautete „Going Forth in Light“ (In das Licht hin­aus­ge­hen), ein Titel, der die Erfahrung des Über­gangs tre­f­fend wider­spiegelt. Blenden­des Licht, über­wälti­gende Hel­ligkeit, ist das vorherrschende Merk­mal des Ein­tritts in das Leben zwis­chen den Leben. Die ozeanis­che Erfahrung des kos­mis­chen Bewusst­seins kön­nte eine Wahrnehmung dieses Lichts sein. Keine irdis­che Glück­seligkeit kann sich mit der unver­fälscht­en Ekstase ver­gle­ichen, die alle erfasst, die die Schwelle über­schre­it­en. Liebe ist alles. Allmächtige Verzück­ung löscht Angst und Neg­a­tiv­ität aus, während die Seele wieder in die undif­feren­zierte Ein­heit des Seins aufgenom­men wird.

Obwohl uns diese strahlen­den Anfänge am Ende aufeinan­der­fol­gen­der Inkar­na­tio­nen immer wieder begrüßen, wer­den sie in der Regel als völ­lige Über­raschung emp­fun­den. Plöt­zlich wer­den uns die Scheuk­lap­pen abgenom­men und wir wer­den uns auf glo­r­re­iche Weise der kos­mis­chen Ent­fal­tung und unseres Platzes im uni­versellen Plan bewusst. Die Rät­sel der per­sön­lichen Kon­ti­nu­ität, der Natur der Unsterblichkeit und des Prozess­es der Reinkar­na­tion fügen sich auf san­fte und müh­elose Weise zusam­men. Eine Sozialar­bei­t­erin, die zwis­chen ihren Inkar­na­tio­nen sieben ihrer Leben besucht hat, sagte:
Ich spüre eine deut­liche kör­per­liche Verän­derung in Trance, nach­dem ich einen früheren Tod durch­lebt habe. Mein Kör­p­er dehnt sich aus und füllt den ganzen Raum aus. Dann werde ich von den eupho­rischsten Gefühlen über­wältigt, die ich je erlebt habe. Diese Gefüh­le gehen ein­her mit einem voll­ständi­gen Bewusst­sein und Ver­ständ­nis dafür, wer ich wirk­lich bin, warum ich existiere und welchen Platz ich im Uni­ver­sum ein­nehme. Alles ergibt Sinn, alles ist vol­lkom­men gerecht. Es ist wun­der­bar zu wis­sen, dass die Liebe wirk­lich die Kon­trolle hat. Wenn man in das nor­male Bewusst­sein zurück­kehrt, muss man diese allum­fassende Liebe, dieses Wis­sen, diese Gewis­sheit hin­ter sich lassen. Wenn ich mich in ein­er Tief­phase befinde, wenn das Leben beson­ders unan­genehm ist, wün­sche ich mir fast den Tod, weil ich weiß, dass ich dann in einen wun­der­baren Zus­tand zurück­kehren würde. Früher hat­te ich Angst vor dem Ster­ben. Jet­zt habe ich über­haupt keine Angst mehr vor dem Tod.

Fort­set­zung am kom­menden Fre­itag, den 26. Sep­tem­ber

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