Wand­malerei aus dem Umfeld der Befreiungstheologie

Diese Frage stellt sich in der Welt­woche der renom­mierte Jour­nal­ist Matthias Matussek — ex “Spiegel”, ex “Die Welt” — im Zusam­men­hang mit der KVI. Der Aus­lös­er ist klar: Ein paar Hun­dert Kirchge­mein­den und andere christliche Gemein­schaften set­zten sich offiziell für die Ini­tia­tive ein, — und ern­teten deswe­gen mas­siv­en Wider­spruch auch von eini­gen Kirchenoberen. Haup­tar­gu­ment: Die Kirchen hät­ten kein Recht, sich in poli­tis­che Fra­gen einzu­mis­chen, — oder konkreter: Chris­ten­tum und Wirtschaft sollen sich gegen­seit­ig bitte nicht in die Quere kommen!

Es macht wohl Sinn, dieses Prob­lem­feld etwas genauer auszuleucht­en. Denn es begleit­et das Chris­ten­tum nicht erst seit der KVI, son­dern seit Hun­derten von Jahren. Immer wieder taucht­en Per­sön­lichkeit­en und Grup­pen auf, die auf­grund ihres Glaubens soziale Gerechtigkeit forderten. Sie standen alle regelmäs­sig auf der Ver­lier­er­seite. Wohl ein­drück­lich­stes Beispiel: Der grosse Bauernkrieg im 16. Jahrhun­dert.

Doch zuvor eine kleine Begriff­sklärung: Heute wird von recht­spop­ulis­tis­ch­er Seite — und dazu gehört natür­lich die WW — “links” und “Linke” so mit ziem­lich allen neg­a­tiv­en Etiket­ten verse­hen: men­schen­feindlich, mörderisch, illu­sionär, unmoralisch, heuch­lerisch — die Liste kann beliebig fort­ge­set­zt wer­den. Gle­ichzeit­ig ist der Begriff infla­tionär gewor­den: Was in den USA als “links” gilt, wäre bei uns solide poli­tis­che Mitte.

An dieser Entwick­lung ist die soge­nan­nte “Linke” natür­lich nicht unschuldig. Es genügt, ein paar Neg­a­tivbeispiele zu erwäh­nen: Stal­in, Mao, PolPot, Cas­tro, die für Mil­lio­nen Opfer ver­ant­wortlich zeich­nen. Der “real existierende Sozial­is­mus” war über Jahrzehnte ein trau­riges Zer­rbild link­er Utopi­en. Die Frei­heit des Indi­vidu­ums fiel ide­ol­o­gis­chen Zwangs­jack­en zum Opfer.

Soweit, so schlecht.

Aber all diese Irrwege kön­nen nicht ver­schleiern, dass die Frage nach sozialer Gerechtigkeit weltweit nach wie vor hochak­tuell ist, — und immer noch keine wirk­liche Lösung in Sicht. Die KVI wäre ein klein­er Schritt in die richtige Rich­tung gewesen.

Doch jet­zt zu Matthias Matussek. Bevor wir uns mit sein­er Argu­men­ta­tion auseinan­der­set­zen, lohnt sich ein Blick auf seinen poli­tis­chen und religiösen Stand­punkt: Ursprünglich mit marx­is­tis­chen Ideen liebäugel­nd, entwick­elte sich Matussek zu einem stram­men Rechts-Katho­liken, mit allem, was so dazuge­hört, inklu­sive regelmäs­sigem Beicht­en. Er hat viel Ver­ständ­nis für Pegi­da, die Iden­titären und die AfD, bestre­it­et, dass der Kli­mawan­del men­schengemacht sei und warnt vor dem Islam und der gle­ichgeschlechtlichen Ehe. Kurz: Er ist der ide­ale Welt­woche-Autor, um sich mit dem The­ma “Jesus und die Linke” auseinanderzusetzen 😉

Damit wen­den wir uns ein paar sein­er Aus­sagen zu:
Wer sich anmasst, den Jesus, wie wir ihn aus den Evan­gelien ken­nen, ins kleine Karo unseres poli­tis­chen Jam­mer­tals zu über­tra­gen, ver­stösst ganz sich­er gegen das zweite Gebot, in dem es heisst: “Du sollst den Namen deines Her­rn, deines Gottes, nicht miss­brauchen” … Jesu Reich ist nicht von dieser Welt, und deshalb “soviel kön­nen wir ver­muten, ergeben poli­tis­che Rich­tun­gen wie links oder rechts keinen Sinn, weil wir dort mit ganz anderen Dimen­sio­nen zu tun haben, mit Him­mel und Hölle, mit Gnade und Fege­feuer und Ewigkeit, mit dem Jüng­sten Gericht”.

Somit scheint ja schon mal alles gek­lärt: Jesus hat mit dem, was auf diesem Plan­eten so an sozialen, ethis­chen und moralis­chen Prob­le­men anfällt, gar nichts zu tun, “weil Jesu Reich nicht von dieser Welt ist”.

Was Matussek aber offen­sichtlich nicht im Traum ein­fällt, ist die Tat­sache, dass er uns hier ein­fach ein Bild von Jesus malt, wie es eine stock­kon­ser­v­a­tive Kirche seit Jahrhun­derten propagiert. Dass sich genau diese Kirche immer wieder in das Bett bru­taler Autokrat­en legte — im 20. Jhdt. beispiel­sweise mit Fran­co, Pinochet oder Salazar — hat mit Poli­tik selb­stver­ständlich gar nichts zu tun ;-)!

Wir wis­sen sehr wenig über die his­torische Exis­tenz von Jesus. Falls sie nicht rund­her­aus bestrit­ten wird —  das tun die the­ol­o­gis­chen Schulen um den Jesus-Mythos — haben sich die Jesus-Bilder seit langem vervielfacht: War er ein Sozial­rev­o­lu­tionär und Zelot, ein verkappter Stoik­er, ein Drögel­er , ein Magi­er (Mor­ton Smith), oder ein­fach ein weis­er Rab­bi, — um nur eine kleine Auswahl zu nen­nen? Oder war er tat­säch­lich der Mes­sias, der “Sohn Gottes”, — aber was heisst denn “Mes­sias” und “Sohn Gottes” überhaupt?

Doch lassen wir Speku­la­tio­nen Speku­la­tio­nen sein und schauen uns in der näch­sten Folge in der kom­menden Woche ein­fach mal ein paar von Matussek zitierte Aus­sagen von Jesus an, wie sie in den vier Evan­gelien über­liefert sind,  — und wie er sie inter­pretiert. Da gibt es dur­chaus ein paar Überraschungen …

 

 

Tür.li 4 (2020)
Tür.li 5 (2020)

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.