“Nicht Trump ist verrückt, sondern wir”, — so der Titel zum Prolog im Buch von Allen Frances “Twilight of American Sanity”, inzwischen auch auf Deutsch unter dem Titel “Amerika auf der Couch. Ein Psychiater analysiert das Trump-Zeitalter“erhältlich.
Damit nicht genug, denn er doppelt gleich noch mit einem Nietzsche-Zitat nach: “Der Irrsinn bei Einzelnen etwas Seltenes, aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel”.
War Trump für Frances also als Präsident gar nicht so übel?
Weit gefehlt!
Das tobende, herrische Maulheldentum, das ihm im Reality-TV und im Wahlkampf so gute Dienste geleistet hatte, disqualifiziert ihn auf katastrophale Weise für die Rolle des amerikanischen Oberbefehlshabers. … Trump kann nie etwas anderes sein als Trump. Wir hatten durchaus schon unseren Anteil an dummen Präsidenten, unbesonnenen Präsidenten, verlogenen Präsidenten, ungebildeten Präsidenten, selbstverliebten Präsidenten, streitlustigen Präsidenten, Präsidenten, die Verschwörungstheorien anhingen und solchen, die unberechenbar waren – doch noch nie zuvor hat ein einzelner Präsident alle diese verwerflichen Eigenschaften so komplett verkörpert. Und noch nie zuvor wirkten die Institutionen der amerikanischen Demokratie angesichts eines despotischen Angriffs so schwach.
Was wirft er denn seinen Kolleginnen und Kollegen vor, die Trump in “The Dangereous case ..” als absoluten Soziopathen bezeichneten? Hier wird es interessant:
Ich selbst habe die Kriterien der narzisstischen Persönlichkeitsstörung verfasst, die zuerst im DSM-III erschienen und in der aktuellen Auflage, dem DSM- 5, immer noch gültig sind. Trumps Fern-Diagnostiker begehen allesamt denselben fundamentalen Fehler. Zutreffend bemerken sie, dass ihm die Definitionsmerkmale der Persönlichkeitsstörung wie ein Handschuh passen, großspurige Aufgeblasenheit, profunde Überzeugung von der eigenen Großartigkeit, sich als etwas Besonderes zu fühlen, ausschließlich mit besonderen Menschen verkehren zu müssen, ständige Bewunderung einzufordern, sich stets im Recht zu fühlen, fehlende Empathie und ein insgesamt ausbeuterisches, neidisches und arrogantes Verhalten.
Aber sie alle verkennen, dass Trump nicht zwingend psychisch krank sein muss, nur weil er ein Narzisst ersten Grades ist. Entscheidend für die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist der Umstand, dass die Verhaltensweisen klinisch signifikante Leiden oder Störungen verursachen. … Trump ist ein Mann, der andere in große Verzweiflung bringen kann, aber keinerlei Zeichen zeigt, selbst große Nöte zu empfinden. Seine Verhaltensweisen, so unerhört und verwerflich sie auch immer sein mögen, bringen ihm regelmäßig Ruhm, Reichtum, Frauen und nun auch noch politische Macht ein – er ist reichlich belohnt worden für seinen »Trumpismus«, der ihn überhaupt nicht zu beeinträchtigen scheint. Trump ist eine Gefahr für die Vereinigten Staaten und die Welt, aber nicht, weil er klinisch verrückt wäre, sondern weil er zutiefst niederträchtig ist.
Und dann setzt er noch einen drauf:
Die Verwendung psychiatrischer Begriffe mit dem Ziel, Trump zu diskreditieren, hat drei schädliche unbeabsichtigte Konsequenzen. Erstens stigmatisiert und beleidigt es psychisch Kranke, mit Trump in einen Topf geworfen zu werden (!!). … Zweitens pathologisiert es Trumps schlechtes Benehmen, unterschätzt ihn und lenkt von den Gefahren seiner Politik ab. Trump ist ein politisches Problem, kein psychoanalytisches Material. … Und drittens, sollte Trump seines Amtes enthoben werden, wären seine Nachfolger wahrscheinlich noch viel schlimmere Vertreter dieser hochgefährlichen Politik.
Fazit: Das Urteil von Allen Frances fällt im Grunde noch viel vernichtender aus als jenes der Autoren von “The Dangerous Case of Donald Trump”, weil er ihn als voll selbstverantwortliches Subjekt betrachtet, für den keine psychiatrischen “Entschuldigungen” gerechtfertigt sind.
Doch was hat es nun mit dem obigen Nietzsche-Zitat auf sich? Gilt dessen Urteil auch für die aktuelle Gesellschaft der USA — verrückt!?
Frances ist durchaus dieser Meinung. Er untermauert seine These mit zehn Wahnideen, an denen diese Gesellschaft leidet, und die überhaupt erst ermöglicht haben, dass ein “zutiefst niederträchtiger” Mensch wie Trump in das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten gehievt werden konnte.
Auf diese Wahnideen gehen wir am kommenden Freitag, den 25. Februar ein.