Sie erken­nen sicher die Schiff­län­de in Basel. Und ein ein biss­chen spe­zi­el­les Schiff, das den Namen Belu­ga trägt. Nun, ein biss­chen wei­ter unten erfah­ren Sie, was es mit die­sem Schiff auf sich hat.

Vor kur­zer Zeit hat das Schweizer:innenvolk das CO2-Gesetz abge­lehnt. Damit hät­te ein klei­ner Bei­trag zur Kli­ma­ver­bes­se­rung mit­ge­tra­gen wer­den sol­len. Schuld an der Abfuhr sei die Sozi-Bun­des­rä­tin Som­ma­ru­ga. Sie habe nie auf die Mit­te (eine mit­te­mäs­si­ge Par­tei) gesetzt, so der Mit­te-Prä­si­dent Ger­hard Pfis­ter. Belei­dig­te Leberwurst?
Und die Bauer:innen haben die Städter:innen satt, die immer sagen wol­len, wie Land­wirt­schaft zu funk­tio­nie­ren habe. Schliess­lich ken­nen sie ihr Metier seit Jahr­hun­der­ten. (Was nicht aus­schliesst, dass man über lan­ge Zeit gros­se Feh­ler macht.)

Nur etwas ver­ges­sen die­se Leute:
Die Kli­ma­er­hit­zung ent­wi­ckelt sich wei­ter, auch ohne CO2-Gesetz. Und Leu­te wie Herr Pfis­ter wer­den im Jah­re 2050 bald etwa 90 Jah­re alt sein und poli­tisch nicht mehr zu belan­gen sein.
Es gibt aber Kin­der, Jugend­li­che, die wer­den heu­te oder über­mor­gen gebo­ren. Die möch­ten 2050 auch in einer eini­ger­mas­sen intak­ten Welt leben. Die möch­ten nicht, wenn die alte Poli­ti­ker­kas­te abge­tre­ten ist, alle Las­ten selbst tra­gen müs­sen. Auch die Ver­ur­sa­cher von heu­te müs­sen ihren Anteil leis­ten. Es sind die Genera­tio­nen zu denen in der Bun­des­ver­fas­sung (Prä­am­bel) steht:
»… im Bewusst­sein der gemein­sa­men Errun­gen­schaf­ten und der Ver­ant­wor­tung gegenüber den künftigen Generationen, …«
Oder in Arti­kel 11 BV:
»1 Kin­der und Jugend­li­che haben Anspruch auf beson­de­ren Schutz ihrer Unversehrtheit
und auf För­de­rung ihrer Entwicklung.
2 Sie üben ihre Rech­te im Rah­men ihrer Urteils­fä­hig­keit aus.«

Wei­ter nimmt die Bun­des­ver­fas­sung auch Bund und Kan­to­ne in die Pflicht.

Das Umwelt­ge­setz schreibt in Arti­kel 1, Absatz 2:
»Im Sin­ne der Vor­sor­ge sind Ein­wir­kun­gen, die schäd­lich oder läs­tig wer­den könn­ten, früh­zei­tig zu begrenzen.«

Also an zwei wesent­li­chen Stel­len mahnt das Schwei­zer Recht die Vor­sor­ge­pflicht an. Das ist alles schön und gut. Doch was nüt­zen die klars­ten Ver­fas­sungs­ar­ti­kel und Geset­ze, wenn nie­mand deren Durch­set­zung fordert?
Die Unfä­hig­keit (oder der Unwil­le?) von Bun­des­rat, Natio­nal­rat, Stän­de­rat, Kan­tons­re­gie­run­gen und Gemein­de­re­gie­run­gen ganz ele­men­ta­re For­de­run­gen der Bun­des­ver­fas­sung zu erfül­len, grenzt an Arbeitsverweigerung.
Muss man nun tat­säch­lich sei­ne Rech­te einklagen?

In Deutsch­land ver­such­te sich das Par­la­ment mit mini­ma­len Kli­ma­schutz­zie­len durch­zu­mo­geln. Dage­gen habe Jugend­li­che geklagt. Und das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt fäll­te ein his­to­ri­sches Urteil: Kli­ma­schutz ist ein Grundrecht.
Frei­heit bedeu­tet, die zukünf­ti­gen Genera­tio­nen nicht zu schädigen.
Der deut­sche Geset­zes­ge­ber muss nach­bes­sern, und zwar deut­lich. Das obers­te Gericht zitiert das Vor­sor­ge­prin­zip des Staates.
Der Staat muss künf­ti­ge Genera­tio­nen vor dem Kli­ma­wan­del schüt­zen und darf Las­ten nicht unnö­tig auf zukünf­ti­ge Genera­tio­nen verschieben.

Wie gestal­tet sich eine der­ar­ti­ge Kla­ge in der Schweiz?
• Am 25.10.2016 klag­ten die Kli­ma­se­nio­rin­nen ein ers­tes Mal beim UVEK.
• Am 25.4.2017 ver­füg­te das UVEK Nicht­ein­tre­ten auf die Klage.
• Am 26.5.2017 wur­de Beschwer­de beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt eingereicht.
• Ende 2018 wies das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die­se Kla­ge ab und die Kli­ma­se­nio­rin­nen gin­gen wei­ter vor Bundesgericht.
• srf news 5.5.2020:
»Bun­des­ge­richt weist Beschwer­de der Kli­ma­se­nio­rin­nen ab.
Kei­nen Kli­ma­schutz per Rechts­weg? Senio­rin­nen wol­len aber nicht locker las­sen, denn die Hit­ze macht ihnen zu schaffen. 
Der Ver­ein Kli­ma­se­nio­rin­nen argu­men­tiert, es sei wis­sen­schaft­lich belegt, dass Frau­en ab 75 beson­ders vom Kli­ma­wan­del betrof­fen sei­en. Denn gemäss Stu­di­en lei­den älte­re Frau­en gesund­heit­lich stär­ker unter gros­ser Hit­ze als älte­re Män­ner und jün­ge­re Men­schen. Des­halb sei­en die Grund­rech­te der Senio­rin­nen ver­letzt, weil der Staat zu wenig unter­neh­me, um die Kli­ma­er­wär­mung auf weni­ger als zwei Grad zu beschränken.
Bun­des­ge­richt: Alle sind betroffen
Doch das Bun­des­ge­richt lässt die­se Argu­men­ta­ti­on im aktu­el­len Urteil nicht gel­ten: Einer­seits sagen die Rich­ter in Lau­sanne, dass nicht nur älte­re Frau­en vom Kli­ma­wan­del betrof­fen sei­en, son­dern die gan­ze Bevöl­ke­rung. Die Rich­ter spre­chen den Kli­ma­se­nio­rin­nen die beson­de­re Betrof­fen­heit ab. Die­se wäre aber nötig, um die Kla­ge zu recht­fer­ti­gen. Aus­ser­dem blei­be der Mensch­heit noch genü­gend Zeit, um eine star­ke Erwär­mung der Erde mit geeig­ne­ten Mass­nah­men abzuwenden.
Ande­rer­seits schreibt das Gericht, dass Klä­ge­rin­nen die Mög­lich­keit hät­ten, den poli­ti­schen Weg zu gehen und etwa mit einer Initia­ti­ve für mehr Kli­ma­schutz zu sor­gen. Der recht­li­che Weg sei der fal­sche, so das Urteil.«

Offen­bar haben die Bundesrichter:innen noch nie davon gehört, dass für den Staat auch ein Vor­sor­ge­prin­zip besteht. Und mit der Aus­sa­ge, es blei­be für die Mensch­heit noch genü­gend Zeit, um eine Erd­er­wär­mung abzu­wen­den, zei­gen sie nicht gera­de einen aktu­el­len Wis­sens­stand auf.
Doch die Senio­rin­nen gaben nicht auf.

Und jetzt kommt das Schiff ins Spiel:
Mit dem Green­peace-Schiff Belu­ga fuh­ren sie von Basel nach Strass­burg und gaben ihre Kla­ge beim EGMR (Euro­päi­scher Gerichts­hof für Men­schen­rech­te) ab.

• Dazu srf news 1.12.2020:
»Die Senio­rin­nen hat­ten die Kla­ge im Vor­feld bereits ange­kün­digt. Exper­ten wie Staats­recht­ler Rai­ner Schwei­zer von der Uni­ver­si­tät St. Gal­len sehen gewis­se Chan­cen. Die­ser Fall sei für die Aus­le­gung und Anwen­dung meh­re­rer Bestim­mun­gen der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on von grund­sätz­li­cher Bedeu­tung. «Des­halb hal­te ich es für mög­lich, dass der Gerichts­hof sehr wohl dar­auf ein­tre­ten könn­te», sagt Schweizer.
Zudem beschäf­ti­ge das The­ma auch ande­re euro­päi­sche Län­der, betont der Pro­fes­sor für Staats­recht. In den Nie­der­lan­den wur­de letz­tes Jahr eine sol­che Umwelt­kla­ge gegen den Staat gutgeheissen.
Nun hof­fen auch die Schwei­zer Kli­ma­se­nio­rin­nen, dass ihre Beschwer­de ein weg­wei­sen­des Urteil zur Fol­ge hat. Staats­recht­ler hal­ten es für durch­aus mög­lich, dass die Schwei­zer Kla­ge ein Prä­ze­denz­fall für ganz Euro­pa wer­den könnte.
Die rund 1800 Klä­ge­rin­nen sind mit ihrem Begeh­ren bereits mehr­fach abge­blitzt, zuletzt im Mai vor dem Bundesgericht.«

Wie es wei­ter geht, ist nicht bekannt. Ähn­li­che Kla­gen gegen Hol­land waren teil­wei­se erfolg­reich. Und in Deutsch­land sie­he oben.

Hal­lo Jugend, lasst ihr euch das bieten?

Und die Weis­heit zur Sache:

Die Hun­de bel­len; die Kara­wa­ne schrei­tet weiter.
Viel­leicht ist es doch bes­ser, zu den Hun­den zu gehören;
sie haben wenigs­tens noch gebellt.
Mani Matter

Aus meiner Fotoküche 15
Akustische Graffiti 12

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