Sie hatten nun ein paar Tage Zeit sich mit dem »Zielbild Hafen Birsfelden 2040+« auseinanderzusetzen und sich mit dem Begriff »hafenaffin« vertraut zu machen. Hier erste Gedanken dazu:
Die »Gesamtsynthese Hafenstudie« wurde durch den Lenkungsausschuss Hafen Birsfelden 2040+, bestehend aus
• dem Präsidenten der Gemeinde Birsfelden, Christof Hiltmann,
• dem Vorsteher der Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons Basel-Landschaft, RR Isaac Reber, und
• dem Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion RR Thomas Weber,
im Januar 2020 verabschiedet.
Am 10. Januar 2020 wurde in einer kurzen Medienmitteilung darüber berichtet. Das Interesse der Medien war marginal, vergleichbar mit einem kleineren Verkehrsunfall.
Insgesamt befremdet dieser Vorgang. Die Tragweite der zu Grunde liegenden strategischen Entscheide ist erheblich. Betroffen davon ist nicht nur die Gemeinde Birsfelden, sondern in grossem Ausmass auch die unmittelbare Wirtschaftsregion. Das Areal «Hafengebiet Birsfelden« ist mit insgesamt ca. 50 ha Fläche, davon ca. 30 ha im Eigentum des Kantons Basel-Landschaft, eines der grössten, zusammenhängenden Wirtschaftsgebiete im Kanton. Da erstaunt es doch, dass Entscheide von grosser wirtschaftlicher Tragweite in einem kleinen, geschlossenen Männerzirkel getroffen werden.
Dem Entscheid liegen offensichtlich zwei Gutachten zu Grunde, welche aber öffentlich nicht einsehbar sind. Eine Vernehmlassung in grösserem Kreis und wie üblich bei den Parteien und involvierten Verbänden ist scheinbar nicht in Erwägung gezogen worden. Vorgängig wurde auch die Bevölkerung nicht informiert, respektive konsultiert. Ein einsamer Entscheid hinter verschlossenen Türen.
Das irritiert auch insofern, da unter Punkt 1.4 die Interessen der Gemeinde aufgelistet werden. Danach wünscht die Gemeinde Birsfelden, vertreten alleine durch Christof Hiltmann, ein optimiertes, mit dem Rheintunnel abgestimmtes Verkehrskonzept. Dies obwohl die StimmbürgerInnen über den vom Bund und Kanton geplanten Rheintunnel bis anhin nicht Stellung nehmen konnten und ergo eine Zustimmung nicht vorliegt.
Die kleinen roten Quadrate sind Objekte mit besonderer Störfallvorsorge wie z.B. Schulen, Altersheim, etc.
Weiter wird eine Konsolidierung der Störfallbetriebe und die Arrondierung/Optimierung des Hafenperimeters zwecks Sicherung der Hafenwirtschaft für die nächsten 40+ Jahre gewünscht. Die Optik dabei ist äusserst einseitig und berücksichtigt in keiner Weise die Sicherheit der Bevölkerung im Hinblick auf die umfangreichen Störfallbetriebe. Nicht im Ansatz wird ein Sicherheitsdispositiv für die Störfallbetriebe verlangt. Auch eine Reduktion der Störfallanlagen wird nicht eingefordert. Relativ vage wird eine Alternativnutzung (nicht hafenaffines Gewerbe, Mischnutzung, Wohnnutzung) in Erwägung gezogen, dies aber ohne konkrete Agenda und ohne Standortoption.
Im Gebiet «Hard« soll als Möglichkeit zukunftsfähiges, auf moderne Technologien ausgerichtetes Gewerbe mit attraktivem Steuer- und Arbeitsplatzpotential möglich sein. Auch hier wird nicht Klartext geredet und die Interessen der Gemeinde werden nicht auf den Punkt hin formuliert. Als klare Forderung müsste die Gemeinde doch verlangen, dass die Areale nur an Firmen vergeben werden, welche den Firmen- und Steuersitz in der Gemeinde Birsfelden haben. Bis dato generiert das rund 430’000 m² grosse Industriegebiet für Birsfelden lediglich Steuereinnahmen von rund 1 Mio. Franken. Die Steuereinnahmen sind minimal und es müsste das Anliegen der Gemeinde sein hier offensiv Mehreinnahmen zu fordern. Dies zumal der Kanton sämtliche Baurechtszinsen (rund 4,5 Mio. Franken) für sich beansprucht.
Als Trostpreis erhält Birsfelden zur Weiterentwicklung den Streifen entlang der Sternenfeldstrasse, «Sternenfeld West«, mit der Möglichkeit für Wohn‑, Gewerbe- und Sportnutzung. Da das ganze Gebiet aber bereits heute mit diversen KMU’s belegt ist, würde der Gemeinde die undankbare Aufgabe auferlegt das Areal zuerst leerzukündigen. Das ist auch insofern stossend, wenn man bedenkt, dass im eigentlichen Hafenperimeter, der von der SRH bewirtschaftet wird, zahlreiche Areale brach liegen und etliche Baufelder stark unternutzt sind. Daher ist es absurd, wenn Betriebe entlang der Sternenfeldstrasse vertrieben würden, um Neuansiedlungen zu planen. Da diesen Entwicklungen bis dato auch kein Konzept hinterlegt ist, sind es Worthülsen. Die Verantwortlichen vertuschen damit, dass sie im vorliegenden Papier «Gesamtsynthese Hafenstudie« keine substantiellen Änderungen in Erwägung ziehen. Der Status Quo soll mit dem vorliegenden Papier des Lenkungsausschusses bis 2040+ erhalten werden.
Dabei gilt es zu bedenken, dass Birsfelden bestrebt ist eine höhere Wertschöpfung im Hafen zu erzielen und die Abgeltung der Pachtzinsen im Hafenperimeter grundsätzlich in Frage stellt. Dazu Christof Hiltmann:
»Birsfelden ist im interkantonalen Finanzausgleich der grösste Beitragsempfänger in absoluten Zahlen, nicht in Pro-Kopf-Zahl gerechnet. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass ein beachtlicher Teil des Gemeindeterritoriums (nämlich 30%) das unter kantonaler Zuständigkeit stehende Hafenareal ist und weniger Steuersubstrat abwirft, als wenn es eine reine Gewerbezone ohne Hafen-Restriktionen wäre oder mit Wohnraum genutzt werden könnte. Aus diesem Grund wäre es korrekt, wenn die Finanzausgleichszahlungen nicht von den anderen Gemeinden, sondern von den Verursachern Kanton und Bund geleistet würden.«
(Interview-Ausschnitt aus dem Buch »Am Rande der Stadt« von Georg Kreis, Verlag des Kantons Basel-Landschaft, 2019).
Eine solche Aussage müsste doch zwingend in einer Hafenstrategie Eingang finden.
Bilder: Titel F. Büchler, Störfallbetriebe geoview BL, Sternenfeldallee Gemeinde Birsfelden STEK
Viel hängt an den Baurechten und Pachtzinsen. Darum geht es dann im nächsten Artikel. Und darum, warum man neue Baurechte verbieten sollte!
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Franz Büchler
Mai 29, 2020
Der Birsfelder Anzeiger schreibt heute unter der Rubrik Rheinhäfen:
»… beschäftigen die SRH unter anderem folgende
strategischen Projekte: … die Entwicklung eines Masterplans Hafen Birsfelden Ost …«
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Masterplan ist ein Begriff aus der Stadtplanung. Früher hiess das “Rahmenplanung”, “Leitplanung”, “Entwicklungsplanung” oder “Raumplanung”. Damit könnten planerische Strategien entwickelt und Handlungsvorschläge erarbeitet werden.
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Das, was mit »Zielbild Hafen Birsfelden 2040+« vorgelegt wurde, ist nichts weiter als eine Übelarbeitung der »Gemeisamen Absichtserklärung« von Bund und Kanton vom September 2017 und der »Absichtserklärung« von Gemeinde, Kanton und SRH vom April 2017. Beide Papiere finden Sie in Artikel 13 der Hafengeschichte(n):
https://www.birsfaelder.li/wp/politik/13-zielbild-hafen-birsfelden-2040/
Von einem Masterplan keine Rede.