Trotz Fussball-WM und zwei klar erkennbaren Halbzeiten bei der gestrigen Gemeindeversammlung kommt meine Zusammenfassung heute nicht als Matchbericht daher. Irgendwie passt es einfach doch nicht so ganz zum Thema.
Die Begrüssung vor der Tür durch Mitarbeitende und vpod-Vertreter, sowie die offizielle Begrüssung von 173 Stimmberechtigten durch Hiltmann waren Anzeichen dafür, dass es Wichtigeres gibt als Fussball. Dass die Präsentation des Sanierungspakets auf ein so grosses Interesse stossen würde, hat positiv überrascht. Ob es aber nicht doch etwa die Freunde des Dreietagenlifts waren, die zum guten Aufmarschergebnis beigetragen haben, ist nicht so ganz klar.
Etwas klarer ist dafür die Erklärung des positiven Rechnungsergebnisses, das praktisch kommentar- und gegenstimmenlos gutgeheissen wurde. Der düstere Blick in die Birsfelder Finanzzukunft und das damit verbundene proppenvolle Sanierungspaket gleich im Anschluss an die Rechnung sorgte hingegen für Diskussionen.
Nach der Präsentation Hiltmann zur Ausgangslage und Status des grösstenteils gescheiterten verzögerten Masterplans, durfte Projektleiter Schürmann sein Paket vorstellen. Über die darin enthaltenen Ausgabekürzungen und Einnahmeerschliessungen haben wir bereits ausführlich berichtet. Geschlossen wurde die Präsentation dann wieder von Hiltmann, der Sozialplan und weiteres Vorgehen erläuterte und danach die Fragestunde eröffnete.
Neben ein paar wenigen richtigen Fragen kamen aus dem Plenum viele kritische Bemerkungen, Tipps und Ratschläge, wie und wo man nicht sparen soll und darf. Eines ist klar: das gemeinderätliche Sanierungspaket wird in der Umsetzung einen schweren Stand haben. Schon die Tatsache, dass es gemäss Patrick Rüeggs Votum juristisch nicht möglich ist, Stellenreduktionen ohne Gemeindeversammlungsentscheid durchzuziehen, hat aufhorchen lassen: Ist das Sanierungspaket überhaupt einigermassen durchdacht und realistisch?
Spätestens nach Märkis ehrlichem, aber schlussendlich doch sehr peinlichen Votum, dass man für die Gleichung Infrastrukturdienstleistungen + Wasserversorgung — 25% Stellenetat = Abteilung Betriebsunterhalt überhaupt kein Konzept habe, war klar, dass das nun vorliegende Sanierungspaket zwar einen starken Sparwillen demonstriert, in seinem Kern selbst aber völlig unausgereift und zahlenmässig nur ungenügend belegt ist. Ob die einzelnen Massnahmen überhaupt greifen können, versuchen wir in unserer Punkt für Pünkt.li Serie weiter zu analysieren. Bereits im September sollen die Teilpakete Reduktion des Gemeinderates (von 7 auf 5), Streichung der kommunalen Beihilfe und Auslagerung des Steuerinkassos abstimmungsreif als Versammlungsvorlage traktandiert werden können. In der Zwischenzeit gilt: Frohes Vernehmlassen!
Die restlichen Traktanden des Abends befassten sich mit der Aufarbeitung von Pendenzen: Nach der Niederlage im letzten Dezember präsentierte der Gemeinderat eine neue Pensionskassenvorlage, die den Kantonsplan mindestens für die nächsten 20 Jahre übernimmt und ergänzt durch einen EVP-Antrag diesen auch niemals unterschreiten soll. Die damit verbundenen Kosten kombiniert mit dem Betrag, den die Änderung der Nichtbetriebsunfallprämien mit sich zieht, passierten das Gemeindeparlament problemlos. Das sanierungspaketgeschockte Personal durfte hier auf eine ziemlich geschlossene Solidarität zählen.
Hitziger, wenn nicht sogar heiter wurde es bei der Diskussion um den Nachtragskredit zum Lift. Da das überalterte Versammlungspublikum bald sowieso einen Lift brauchen wird, wurde dem Begehren stattgegeben. Warnungen vor den erneut eklatanten Mängeln in der Kostenschätzung und Anbiederungsversuche von Zügelunternehmern wurden erfolgreich ignoriert und auch vom Sparen war hier keine Rede, so dass einer Eröffnung des Lifts am St. Nimmerleinstag nichts mehr im Wege steht. Gute Fahrt!
Franz Büchler
Jul 1, 2014
Gefühlte 20mal habe ich gestern das Wortungetüm »Strukturelles Defizit« hören müssen. Wohl im Moment die grösste Rechtfertigung aller Finanzpolitiker.
Ein Strukturelles Defizit ist der Teil z.B. eines Gemeindedefizits, der nicht durch konjunkturelle Schwankungen entsteht. Das strukturelle Defizit entsteht dann, wenn einer Gemeinde ohne Abbau bestehender Aufgaben neue Aufgaben aufgehalst werden, ohne dass die entsprechenden Mittel mitgeliefert oder bestehende Aufgaben abgebaut werden.
Da Birsfelden, im Vergleich mit anderen Gemeinden, nur recht niedrige Prokopfausgaben aufweist, kann man nicht sagen, dass die Gemeinde das Geld verprasst.
Zum Beispiel mit der Pensionskassensanierung, die vom Kanton jahrelang verschlampt wurde, mit der Pflegefinanzierung die vom Bund geregelt und vom Kanton grosszügig an die Gemeinden verschoben wurde, etc., sind die Gemeinden arg zur Kasse gebeten worden.
Wenn nun der Kanton alle Abgaben die er aus Hafen- und Wasserwirtschaft abzieht für sich behält, wenn er sein Vermögen nicht versteuert (klar nicht seinen Anteil an sich, aber den Anteil an die Gemeinde), wenn er sich kaum um eine gute Bewirtschaftung des riesigen Hafenareals kümmert, die Bewirtschaftung zum Teil an die Rheinhäfen vergibt, die auch ein steuerfreies Dasein führen, wie soll dann die Struktur der Einnahmen noch stimmen?
Und wenn unsere Gemeinderäte, die zugleich auch Landräte sind, noch immer weiter für die Steuersenkungen für Unternehmen eintreten, für andere sogenannte »Optimierungen« und ihre Parteien im Bund für eine weitere Unternehmenssteuerreform III, die weitere Milliarden verschenkt (denken wir nur daran, wie wir von Bundesrat Merz und seinem Departement bei der Unternehmenssteuerreform II beschissen wurden), dann ist es ja nicht verwunderlich, dass Geld fehlt. Von dem unsäglichen Steuerwettbewerb unter den Kantonen ganz zu schweigen.
Wenn ich heute in der bz nun noch lese, welche Attentate die Grünen auf die Gemeinden vor haben, frage ich mich schon, wohin das noch führen soll.
Peter Meschberger
Jul 1, 2014
Ein grosses BRAVO für diesen Artikel und den Kommentar!
Es wäre schön, wenn die Birsfelderinnen und Birsfelder nun langsam merken würden, was hier abläuft. Die Gemeide Birsfelden hatte in den Jahren vor 2004 mehrmals einen Schuldenberg von über 40 Milionen Franken abtragen müssen. Im Jahre 2004 war die Verschuldung der Gemeinde gar kleiner als im Jahr 1972. Klar, sind immer mehr Aufgaben auf die Gemeinde zugekommen, das war aber schon früher so. Aber mit solchen veralteten Massnahmen, wie sie der Gemeinderat vorschlagen will, wird die Gemeinde im Elend versinken und nicht saniert. Oder glaubt der hohe Gemeinderat tatsächlich, dass mit diesem Abbau von Dienstleistungen und den daraus folgenden unangenehmen Erscheinungen und Verteuerungen für Private die Attraktivität für “gute” Steuerzahlende derart vergrössert werde, das sie nun unbedingt in Scharen nach einem Master-geplanten Birsfelden ziehen würden und mit ihren Steuern unsere Finanzen sanieren helfen wollen?
Richtig, wir haben aus Birsfelden fünf Landrätinnen und Landräte, welche auch Birsfelden in Liestal vertreten dürfen, Notabene vier aus dem Gemeinderat und alle aus verschiedenen Parteien. Das gab es seit vielen Jahrzehnten nicht. Jetzt sollen diese doch dort endlich auch für Birsfelden einstehen. Jede und jeder dieser Amtsträger gehört einer Fraktion an und hat dort einen gewissen Einfluss. Und gemeinsam könnten sie etwas erreichen. Soll der Kanton nun zulassen, dass Birsfelden Stellen abbauen will/soll/muss, dass die Bevölkerung für eine dümmliche Politik im Kanton und Bund nun abgestraft werden soll? Tut endlich etwas in Liestal, und wenn es nur darum geht, gewisse Vorschriften (vorübergehend) zu lockern, um die Bevölkerung zu schonen.
Wenn diese und andere Erkenntnisse ins Bewusstsein auch der Gemeinde- und KantonspolitikerInnen eindringen würde, dann hätte die gestrige langfädige Gemeindeversammlung doch noch einen Sinn gehabt.
P.Büschi (zur Info Ex-Birsfelder im Exil)
Jul 1, 2014
Herr Meschberger, einfach treffend geschrieben! Wären Sie nicht schon jahrlang Gemeindepräsident gewesen,Birsfeldes-Nachdenkliche-Bevölkerung hätte ihren neuen Kandidaten 😉 Einmal mehr der Beweis, gute Politker sind dann am besten, wenn Sie keine Ämter mehr belegen! Ihre Frau wird’s aber schon richten, neben Mr. Grünpolitiker Wiedemann wohl die, die am besten dort agieren,leider in unterzahl 🙁