Die Ankla­ge bringt eine detail­lier­te Dar­stel­lung der fre­vel­haf­ten Vor­gän­ge, der got­tes­läs­ter­li­chen Riten, der Gebe­te, der Zei­chen, der dämo­ni­schen Wor­te der amtie­ren­den Brü­der und zitiert gan­ze Sei­ten aus der phan­tas­ti­schen Schil­de­rung der “Illu­mi­na­ten­sek­te” eines gewis­sen “Luche­ti”, Deck­na­me des Mar­quis de Luchet, der unver­fro­ren behaup­tet, die Frei­mau­rer trän­ken das Blut von Kindern!
Gott, die Hei­li­gen, die Pro­phe­ten, die Engel in die­se Orgi­en ein­zu­be­zie­hen, Séan­cen zu ver­an­stal­ten, bei denen sich Gau­ke­lei und Magie ver­qui­cken, ist eine Pro­fa­nie­rung. Die­ser letz­te Aus­wuchs der Hexe­rei ver­dient kein Mit­leid. Der Statt­hal­ter Chris­ti hat die Pflicht, die­sen Greu­el eben­so aus­zu­rot­ten wie er einst den Temp­lern, Katha­rern und Albi­gen­sern das Hand­werk gelegt hat­te. Der Schei­ter­hau­fen mit dem läu­tern­den Feuer!
Die Rich­ter ken­nen kein Erbar­men. Cagli­os­tro soll für die ande­ren bezah­len. Sie wol­len an ihm ein Exem­pel sta­tu­ie­ren, ein Auto­da­fé inszenieren.

So beschreibt Fran­çois Riba­deau Dumas das eigent­li­che Ziel des Pro­zes­ses: Cagli­os­tro als übels­ten Aus­wuchs der Frei­mau­re­rei zu denun­zie­ren. Die 103 Ankla­ge­punk­te bezo­gen sich neben der Dif­fa­mie­rung sei­ner Per­son auf frei­mau­re­ri­sche und häre­ti­sche Aspek­te. Der Magi­er habe in sei­nen Homi­li­en sei­nen Hass und die ent­schie­de­ne Ver­ach­tung für das gesam­te Sys­tem der katho­li­schen Reli­gi­on, ihre Die­ner und ihre Prak­ti­ken zum Aus­druck gebracht. Er gehö­re zur Geheim­sek­te der Illu­mi­na­ten Bay­erns, die sich das Ziel gesetzt habe, die Hydra der abso­lu­ten Mon­ar­chie zu töten. So erklä­re sich der Pfeil, der die Schlan­ge mit dem Apfel im Schlund — das Rep­til, wel­ches den Tyran­nen sym­bo­li­siert — zu Tode trifft! Ein Kup­fer­stich in sei­nem Besitz, auf dem ein Kreuz mit den drei Buch­sta­ben L.P.D. auf dem Quer­bal­ken sicht­bar sei, bewei­se deren teuf­li­schen Plan: Die drei Buch­sta­ben stün­den für Lilum pedi­bus destrue — Tre­tet die Lili­en der Bour­bo­nen in den Staub.

Die radi­ka­le Ableh­nung und Bekämp­fung der Frei­mau­re­rei setz­te sich übri­gens durch das gan­ze 19. Jahr­hun­dert fort und fand sei­nen gro­tes­ken Höhe­punkt im sog. Taxil-Schwin­del. Erst im 20. Jhdt. begann sich eine — aller­dings schwan­ken­de — tole­ran­te Hal­tung zu ent­wi­ckeln. Wäh­rend z.B. 1970 in der sog. Lich­ten­au­er Erklä­rung expli­zit fest­ge­hal­ten wur­de: Wir sind der Auf­fas­sung, daß die päpst­li­chen Bul­len, die sich mit der Frei­mau­re­rei befas­sen, nur noch eine geschicht­li­che Bedeu­tung haben und nicht mehr in unse­rer Zeit ste­hen. Wir mei­nen dies auch von den Ver­ur­tei­lun­gen des Kir­chen­rech­tes (CIC), weil sie sich nach dem Vor­her­ge­sag­ten gegen­über der Frei­mau­re­rei ein­fach nicht recht­fer­ti­gen las­sen von einer Kir­che, die nach Got­tes Gebot lehrt, den Bru­der zu lieben.
hielt Joseph Ratz­in­ger, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und spä­te­re Papst Bene­dikt XVI. noch im Novem­ber 1983 fest, das Urteil der Kir­che gegen­über der Frei­mau­re­rei sei “unver­än­dert”; damit blei­be auch die Exkom­mu­ni­ka­ti­on für die katho­li­schen Frei­mau­rer bestehen.

Cagli­ostros For­de­rung nach Ver­tei­di­gern kam die Inqui­si­ti­on zwar nach, — aller­dings nicht mit von ihm gewünsch­ten, son­dern von der Inqui­si­ti­on aus­ge­wähl­ten. So erstaunt es nicht wei­ter, dass Mon­si­gno­re Ber­nar­di­ni bei sei­ner Ernen­nung dekla­rier­te: Ich schwö­re und ver­spre­che, Still­schwei­gen zu bewah­ren und mei­ne Arbeit mit Auf­rich­tig­keit und gutem Glau­ben zu tun, mit dem ein­zi­gen Ziel, ihn dazu zu brin­gen, sei­ne Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen und zur Ver­nunft zurück­zu­keh­ren, auch wenn ich sei­ne unge­rech­te Ver­tei­di­gung aner­ken­ne. Sein ande­rer Ver­tei­di­ger, Mon­si­gno­re Con­stan­ti­ni, hat­te immer­hin die Grös­se, eine bes­se­re Behand­lung des Gefan­ge­nen zu ver­lan­gen, — z.B. das Bett­zeug wegen des Unge­zie­fers zu wech­seln oder ihm etwas war­me Klei­dung und Ersatz für die zer­ris­se­nen Unter­ho­sen zu geben.

Am 7. April 1791 hör­te Cagli­os­tro in Anwe­sen­heit des Paps­tes schliess­lich auf den Knien, gefes­selt, den Kopf mit einer schwar­zen Kapu­ze ver­hüllt, die fei­er­li­che Ver­kün­dung des päpst­li­chen Urteilsspruchs:
Joseph Bal­sa­mo, ver­schie­de­ner Ver­bre­chen ver­däch­tigt und über­führt, ver­ur­teilt und der Stra­fe ver­fal­len, die über die nach­weis­li­chen Ket­zer, die Ver­brei­ter irri­ger Dog­men, die Ket­zer­häup­ter, die Lehr­meis­ter und Schü­ler der aber­gläu­bi­schen Magie ver­hängt, ist ver­ur­teilt und der Stra­fe ver­fal­len, wie sie vor­ge­se­hen in den apos­to­li­schen Geset­zen Cle­mens XII. und Bene­dikts XIV. gegen jene, die auf irgend­ei­ne Wei­se Frei­mau­rer­ge­sell­schaf­ten oder ‑kon­ven­ti­kel unter­stüt­zen oder bil­den … Doch auf­grund beson­de­rer Gna­de wird die Stra­fe, die den Schul­di­gen dem welt­li­chen Arm über­ant­wor­tet (Todes­stra­fe) in lebens­läng­li­che Haft umge­wan­delt, unter stren­ger Bewa­chung, ohne Aus­sicht auf Begnadigung …

Am 8. Juni ver­kün­de­te der Moni­teur Uni­ver­sel­le in Paris fol­gen­de Neuigkeit:
Das Urteil lau­te­te, dass Cagli­ostros Doku­men­te und Habe vom Hen­ker ver­brannt wer­den soll­ten. Die Hin­rich­tung war für den Mor­gen des 4. Mai auf der Piaz­za del­la Miner­va in Rom ange­setzt wor­den und dau­er­te eine Drei­vier­tel­stun­de. Das Volk mach­te ein Fest dar­aus, und bei jedem Gegen­stand, der auf das Feu­er gewor­fen wur­de, applau­dier­te die Men­ge und schrie vor Freude.

Damit begann die letz­te Epi­so­de im Leben Cagli­ostros, die vier­jäh­ri­ge Ago­nie in einem Ver­lies des hoch im Apen­nin gele­ge­nen päpst­li­chen Gefäng­nis­ses San Leo.

Dazu mehr in der kom­men­den Fol­ge am 30. Okto­ber.

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