Wo mit dem Leben des Grafen Alexan­der Cagliostros und Ser­a­fi­na Feli­cia­n­is, sein­er hüb­schen jun­gen Frau, anfangen?
Begin­nen wir mit jen­em Lebens­ab­schnitt, der ihn mit Basel verbindet.

Im Sep­tem­ber 1780 zirkulierten in Strass­burg elek­trisierende Neuigkeit­en: Der geheimnisvolle Graf, über dessen magis­che Prak­tiken während seines Aufen­thalts in Rus­s­land und Polen viele Geschicht­en zirkulierten, legte in der Stadt einen Zwis­chen­halt ein. Aus dem Zwis­chen­halt wurde schliesslich ein drei­jähriger Aufenthalt.

Die aris­tokratis­che Elite und die hohen Ver­wal­tungs­beamten set­zten alles daran, diesen geheimnisvollen Mann ken­nen­zuler­nen. Offen­sichtlich hin­ter­liess er mit sein­er Art aufzutreten und zu sprechen grossen Ein­druck. Es war aber ein ander­er Aspekt, der ihn für lange Zeit in Strass­burg fes­thielt: Er heilte Krankheit­en — und wie!

Jean-Ben­jamin de La Bor­de, erster Kam­mer­di­ener und Gün­stling des franzö­sis­chen Königs Lud­wig XV., später Gen­eralein­nehmer und Gen­er­alpächter, liess es sich nicht nehmen, Cagliostro auf sein­er Durchreise nach der Schweiz zu besuchen. In einem Brief schilderte er seinen Ein­druck von dessen Heilertätigkeit:
Klein, dick, mit ein­er Fig­ur, die Geist verkün­det und Genie aus­drückt, mit Augen aus Feuer, die in den Tiefen der See­len lesen, kam er vor sieben oder acht Monat­en aus Rus­s­land und scheint sich in dieser Stadt zumin­d­est für eine Weile nieder­lassen zu wollen. Kein­er weiß, woher er kommt, was er ist, wohin er geht. Geliebt, geschätzt, geachtet von den Befehlshabern des Ortes und den wichtig­sten Leuten der Stadt; verehrt von den Armen und den kleinen Leuten; gehas­st, ver­leumdet, ver­fol­gt von eini­gen Leuten;

…  er erhielt wed­er Geld noch Geschenke von denen, die er heilte; er ver­brachte sein Leben damit, die Kranken zu sehen, beson­ders die Armen, und half ihnen mit Heilmit­teln, die er kosten­los verteilte, und mit seinem Geld­beu­tel für Brühe; er aß sehr wenig, fast immer ital­ienis­che Nudeln; er ging nie zu Bett und schlief nur etwa zwei oder drei Stun­den in einem Ses­sel; Schließlich ist er immer bere­it, den Unglück­lichen zu Hil­fe zu kom­men, zu jed­er Stunde, und hat kein anderes Vergnü­gen, als seinen Mit­men­schen zu helfen; dieser unglaubliche Mann führt einen Zus­tand, der um so erstaunlich­er ist, als er alles im Voraus bezahlt, und es nicht bekan­nt ist, woher er sein Einkom­men bezieht oder wer das Geld zur Ver­fü­gung stellt.

Das tönt etwas gar schön­fär­berisch, und doch scheint es der Wahrheit zu entsprechen, weil auch andere Zeitgenossen bestätigten, dass Cagliostro mit seinen Geheim­rezepten Aber­hun­derte von Kranken behan­delte und die meis­ten heilte.

Der Ruf dieses Wun­der­heil­ers drang schliesslich auch nach Basel, wo sich Jakob Sarasin, ange­se­hen­er Sei­den­band­fab­rikant, Mit­be­grün­der der Gesellschaft für das Gute und Gemein­nützige und Erbauer des Weis­sen Haus­es am Rhein­sprung grosse Sor­gen um den Gesund­heit­szu­s­tand sein­er Frau machte. Gertrud Sarasin war seit Jahren krank. Ärztliche Hil­fe blieb wirkungs­los. 1780 ver­schlim­merte sich ihr Zus­tand der­art, dass man um ihr Leben fürchtete.
Aus einem Brief Sarasins:
… Diese Ner­ven­lei­den, die sie während achtzehn Monat­en mit höch­st­möglich­er Gewalt gemartert hat­ten und die alle denkbaren For­men und Abstu­fun­gen angenom­men hat­ten, wech­sel­ten sich gewöhn­lich mit ihren anderen Krankheit­en ab, so dass sie sich regelmäßig ein­mal im Monat in der Lage befand, mit dem Tod zu rin­gen. Bald waren es kramp­far­tige Anfälle, die sie der­maßen stark schüt­tel­ten, dass man in jedem Moment glaubte, sie aushauchen zu sehen. Andere Male ließ Appetitver­lust von acht oder zehn Tagen, in welchen sie inner­halb von vierundzwanzig Stun­den nur mit Mühe drei Löf­fel Wass­er schluck­en kon­nte, andauernd um ihr Leben zit­tern. In all diesen lei­d­vollen und ban­gen Augen­blick­en ver­mochte die Kun­st nichts auszuricht­en, und oft­mals kon­nte man ihr selb­st keine Pal­lia­tive verabreichen.

Sarasin war zutief­st dem Gedankengut der Aufk­lärung verpflichtet. In seinem Haus gin­gen berühmte Per­sön­lichkeit­en ein und aus. Er war mit Johann Hein­rich Pestalozzi und Johann Cas­par Lavater befre­un­det. Lavater war als The­ologe und begeis­tert­er Vertreter der Phys­iog­nomik europaweit bekan­nt und zählte sein­er­seits Johann Wolf­gang von Goethe zu seinen Freunden.

Offen­sichtlich zögerte Sarasin vor­erst, sich an den Wun­der­heil­er in Strass­burg zu wen­den, den er bat Lavater, Cagliostro einen Besuch abzus­tat­ten und sich einen Ein­druck von ihm zu ver­schaf­fen. So machte sich Lavater am 24. Jan­u­ar 1781 zusam­men mit Dok­tor Hotze nach Strass­burg auf, wo sie von Cagliostro ziem­lich brüsk  emp­fan­gen wur­den. Er hat­te offen­bar schon seine ersten neg­a­tiv­en Erfahrun­gen mit dem medi­zinis­chen Estab­lish­ment gemacht, das seine Heil­er­folge arg­wöh­nisch beobachtete und ihm Quack­sal­berei nach­sagte. Am näch­sten Tag erschien Lavater allein. Auf dessen Frage nach seinem ther­a­peutis­chen Geheim­nis antwortete Cagliostro: “In her­bis, ver­bis et lapidibus” — ein deut­lich­er Hin­weis auf einen alchemistisch-her­metis­chen Hintergrund.

Lavater gab Sarasin grünes Licht für die Behand­lung sein­er Frau durch Cagliostro. Und das Erhoffte trat ein: Nach einem län­geren Heilung­sprozess — die ganze Fam­i­lie Sarasin war deswe­gen nach Strass­burg gezo­gen — kam es zur völ­li­gen Gene­sung Gertruds. Dies war der Beginn ein­er inten­siv­en Fre­und­schaft, die bis zum Tode Cagliostros dauern sollte.

Was war das Geheim­nis der ther­a­peutis­chen Erfolge? Jean Lau­rent Blessig, The­olo­giepro­fes­sor an der Strass­burg­er Uni­ver­sität, hielt ein einem Brief fest:
Der Graf von Cagliostro sagt, dass er in Med­i­na Medi­zin studiert hat, und dass er dort gel­ernt hat, die Natur anders zu ken­nen als unsere europäis­chen Ärzte, denn er sagt, dass wir die Anze­ichen von Krankheit­en und im All­ge­meinen die Verän­derun­gen im men­schlichen Kör­p­er nicht aus­re­ichend berück­sichti­gen: In sein­er Schule wird man dazu ange­hal­ten, vom medi­zinis­chen Stand­punkt aus nicht nur den Puls zu studieren (den Cagliostro nach allem, was man hört, selb­st nach Mei­n­ung der Ärzte, bemerkenswert gut zu deuten weiß), son­dern auch den Teint, das Ausse­hen, den Gang und jede Bewe­gung des Kör­pers, und aus diesem Grund ist die Phys­iog­nomie ein natür­lich­er Teil der medi­zinis­chen Wissenschaft.

Da in der Natur alles zusam­men­hängt, ist es für den Arzt notwendig, ein umfan­gre­ich­es Wis­sen darüber zu haben, und die Chemie muss ihm zur Analyse und Syn­these zur Ver­fü­gung ste­hen… Da außer­dem alles auf alles ein­wirkt und dies nicht nur von der Erde, son­dern von unserem Son­nen­sys­tem aus ver­standen wer­den muss, ist auch das Wis­sen um den Ein­fluss der Gestirne für den Arzt unab­d­ing­bar. So legt Cagliostro großen Wert auf die Tagund­nacht­gle­iche, und es ist zu dieser Zeit, dass er die meis­ten sein­er Heilmit­tel vor­bere­it­et. Diese wech­sel­seit­ige Bee­in­flus­sung aller Dinge ist nach C. nicht auf die materielle Welt beschränkt. Let­zteres ist die Wirkung; der Geist ist die Ursache; die Welt der Geis­ter ist eine Kette aus einem Stück, von der ständig Wirkun­gen aus­ge­hen. Wer die Natur wirk­lich ken­nt, muss sowohl nach oben als auch nach unten blick­en kön­nen und sowohl mit den Geis­tern als auch mit der Materie in Kon­takt sein.

Die Par­al­le­len zu Paracel­sus sind unverkennbar. Daniel Kriem­ler hält denn auch in seinem Buch “Cagliostros Geheim­rezepte” fest, dass man Cagliostro auf keinen Fall als Schar­la­tan abqual­i­fizieren darf:
Wie damals für Ärzte üblich, ließ auch Cagliostro einige sein­er Rezepte von Apothek­ern aus­führen. Seine Haupt­mit­tel gab er aber nicht aus der Hand, son­dern stellte die bevorzugten Mit­tel sel­ber her. Nur wenige Ver­traute wei­hte er in seine phar­mazeutis­chen Geheimnisse ein. … Schon allein die Tat­sache, dass Cagliostro rund 50 Rezepte auswendig ken­nen musste, um sie dik­tieren zu kön­nen, spricht für seine phar­makol­o­gis­che Bil­dung. Aus ein­er gewis­sen Dis­tanz betra­chtet, spricht aus den edierten Rezepten keine Willkür. Sie basieren auf detail­lierten Waren- und Mate­ri­alken­nt­nis­sen und geben dif­feren­zierte Handlungsanweisungen.

Und zum alchemistis­chen Hin­ter­grund schreibt er:
Bei den Geheim­rezepten Cagliostros scheinen der Vere­delungs­gedanke, die Farb­sym­bo­l­ik als auch gewisse Zahlen­ver­hält­nisse die Abläufe zu bes­tim­men. Durch die chemis­che Weit­er­ver­ar­beitung der »Großen Com­po­si­tion« gelang es Cagliostro, je ein weißes, gelbes und rotes Prä­parat zu erhal­ten, die aus Per­spek­tive der alchemistis­chen Sym­bo­l­ik auch die Ele­mente Wass­er, Luft und Feuer repräsen­tierten und die alchemistis­chen Kar­di­nal­far­ben waren. Das Meis­ter­mit­tel Cagliostros durch­lief die entschei­den­den Farb­sta­di­en, bis es zum roten Elix­i­er wurde, und auch bei den Weißen Tropfen wer­den mehrere Far­ben des Pfauen­rades beobachtet.

Alchemie — Ein­fluss der Gestirne — Anrufung von spir­ituellen Wesen­heit­en:
Willkom­men in ein­er Welt, die unser­er mod­er­nen Gesellschaft völ­lig fremd gewor­den ist!

Darüber mehr am kom­menden Sam­stag, den 3. Juli!

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