Auf der Website der Bankiervereinigung kann man unter den Titel »Abschaffung der Stempelabgaben und Reform der Verrechnungssteuer« lesen:
»Der Bankenplatz Schweiz gehört international zu den besten. Insgesamt werden hierzulande Vermögen in der Höhe von rund CHF 7,3 Billionen verwaltet. Davon stammt rund die Hälfte von Kunden im Ausland. Bei der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung ist der Finanzplatz Schweiz – mit einem Marktanteil von 27% – weltweit die Nummer eins. Das ist ein klares Zeichen für ein hohes Vertrauen in die Arbeit der Schweizer Banken. Diese Stellung verdankt die Schweiz zudem den attraktiven Standortbedingungen sowie der hohen Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Branche.
Ein starker Wirtschafts- und Finanzplatz braucht einen starken Kapitalmarkt. Heute fährt der Schweizer Kapital‑, Geld und Kreditmarkt vor allem aufgrund steuerlicher Hürden jedoch mit angezogener Handbremse. So erhebt der Bund eine Emissionsabgabe auf Aktien von 1%. Zudem ist auf Käufen und Verkäufen inländischer und ausländischer Wertschriften jedes Mal eine Umsatzabgabe von 0,15 beziehungsweise 0,3% abzuliefern. Diese beiden Stempelabgaben stellen eine Emissions- und eine Handelsbremse dar.
Zusätzlich werden die Wertschriften mit einer Verrechnungssteuer belastet. Auf Zinsen und Dividenden von inländischen Wertschriften müssen die Emittenten 35% an der Quelle belasten und dem Fiskus überweisen. Der Investor erhält somit nur 65% vom Ertrag. Je nach Wohnsitzland kann er die restlichen 35% zwar teilweise oder ganz zurückfordern. Dies ist aber mit Kosten und Risiken verbunden, die Verrechnungssteuer und die mit ihr verbundenen aufwendigen Rückforderungsverfahren machen schweizerische Titel daher international unattraktiv.«
Was man sich fragen darf:
• Wie kommt es denn, dass ein derart unattraktiver Bankenplatz 27% der weltweit grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungen anziehen kann. Sind denn die Vermögen anlegenden Leute derart dumm?
• Dass die 35% Verrechnungssteuer nicht anderes sind als eine Hürde der Steuerhinterziehung, dass diese also zurückbezahlt wird, wenn der Ertrag versteuert wird, wird natürlich nicht erwähnt.
Und schon sind wir wieder beim abgeschöpften, unverdienten Geld!
Dass dieses Begehren der Abschaffung der Stempelsteuer in einer Zeit kommt, in der der Bund viele Millionen an »Coronakrediten« und À‑fonds-perdu-Beiträgen für Coronageschädigte zu verdauen hat, ist schlicht und einfach eine Frechheit der bürgerlichen Lobbyisten! Dazu passt, wenn Petra Gössi FDP-Präsidentin sagt: »Wir brauchen ein nationales Fitnessprogramm … Wir müssen den Arbeitsmarkt flexibilisieren, das Arbeitsrecht der Zeit anpassen …« Und wen sie im Blick hat, ist unschwer auszumachen — sicher nicht den Finanzplatz Schweiz.
Und auch economie suisse bläst ins gleiche Horn: »Eigenkapital nicht bestrafen – erst recht nicht in der Krise: Die eidgenössischen Räte machen den Weg frei für die längst überfällige Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital. Nun ergreift die SP Schweiz das Referendum und schädigt so krisenbetroffene Unternehmen ganz direkt. Nach Verlusten müssen zahlreiche Firmen gerade jetzt ihr Eigenkapital aufstocken. Die wirtschaftliche Erholung darf nicht durch eine anachronistische Abgabe belastet werden.«
Dass diese Steuerabschaffer die krisenbetroffene Schweiz direkt schädigen, scheinen sie nicht zu merken. Und so muss ich innert kurzer Zeit den Spruch ein zweites Mal bringen: »Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.«
Die NZZ kann in der Stempelsteuer durchaus auch positive Seiten sehen:
»Stempelsteuer befeuert das Geschäft.
Weltweit wird argumentiert, konventionelle Anlagefonds seien wegen der strengen Regulierung für viele Anwendungen zu teuer. Immer mehr neues Anlagegeld fliesst in Index-Investments wie ETF oder Indexfonds. Diese investieren genau so, wie ein Finanzmarktindex aufgebaut ist, und stellen ein diversifiziertes Investment zu tiefen Kosten dar. Sie sind hochgradig skalierbar: Es ist also gut, wenn es eher wenige, aber möglichst grosse solche Fonds gibt, weil deren Kosten dann besonders tief sind. Warum also werden in der Schweiz noch Unmengen kleiner Fonds aufgelegt?
Der Hauptgrund dürfte die Stempelsteuer sein. Fonds sind von dieser befreit, und zwar sowohl bezüglich der Wertschriftentransaktionen, die sie selber tätigen, als auch der Ausgabe und der Rücknahme von Fondsanteilen. Für Versicherer, Family-Offices und Pensionskassen ist es darum lukrativ, ihre Investments in Fonds-Form zu fassen (z. B. Eineinleger-Fonds von Pensionskassen). Die Branche blickt denn auch mit einer gewissen Sorge auf die Bestrebungen zur Abschaffung der Stempelsteuer, so positiv ein solcher Schritt für den Finanzplatz insgesamt wäre.«
Aus dem Argumentarium der Referendumsinitianten:
»Die Abschaffung der Emissionsabgabe ist erst der Anfang der bürgerlichen Salamitaktik.
Mit der USR III (Unternehmenssteuerreform III) wollten die Bürgerlichen Grosskonzerne und Aktionär:innen massiv bevorzugen. Damit sind sie in der Volksabstimmung hochkant gescheitert. Nun wollen sie das scheibchenweise nachholen. Die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital macht als erste Etappe den Anfang. Die zweite Etappe der Stempelsteuer-Abschaffung ist in der zuständigen Kommission bereits beschlossen und die dritte Etappe in der Pipeline. Gesamtkosten: 2,2 Milliarden Franken.«
Vielleicht denken Sie anlässlich der Abstimmung im September wieder an diesen Artikel!
Danke!
max feurer
Sep. 6, 2021
Gute Analyse, danke! Es ist nachgerade obszön, wie immer noch mit allen Mitteln versucht wird, uns Sand in die Augen zu streuen, damit wir das Grundprinzip des heutigen Wirtschaftens nicht erkennen können: Gewinnmaximierung um jeden Preis, — auf dem Buckel von wem?
Hans-Jörg Beutter
Dez. 22, 2021
unser »veralteter und schädlicher« schellen-ueli will also die »stempelsteuer« abschaffen (oder so ähnlich):
er sollte einfach altersgemäss (praesenil) weitertrychlen … schlimm genug.