Legislative Versammlungen mit über 5 Personen sind eine von noch wenigen erlaubten Veranstaltungen. Alles andere als überraschend, dass nur gut 40 Stimmberechtigte den Weg in die Sporthalle gefunden haben, um dieses Recht auszuüben. Überraschen würde höchstens, wenn sich der Anlass trotzdem als Superspreader-Event entpuppen würde.
Mit der Verschiebung des Traktandums 2 “Antrag auf Nichterheblicherklärung: Antrag auf Umzonung Parzelle 1550” überraschend ein Rückzug eines Traktandums. Und als zweite Überraschung kein Einspruch von Patrick Rüegg, obwohl das Gemeindegesetz es in diesem Fall wohl verboten hätte:
§ 61 Bereinigung des Geschäftsverzeichnisses
1Nach der Genehmigung des Protokolls stellt der Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin das Geschäftsverzeichnis zur Diskussion. *
2 Wird ein Antrag auf Änderung der Reihenfolge gestellt, so lässt der Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin darüber abstimmen. *
3 Der Gemeinderat kann bei der Bereinigung des Geschäftsverzeichnisses ein Geschäft zurücknehmen, wenn wichtige Gründe dies erfordern. Die Rücknahme ist unzulässig, wenn dadurch die Fristen gemäss den §§ 54 Absatz 3 oder 68 Absätze 4 oder 5 verletzt würden. *
4 Das bereinigte Geschäftsverzeichnis ist für die Versammlung verbindlich und kann nicht mehr geändert werden. Vorbehalten bleibt der vorzeitige Versammlungsschluss wegen vorgeschrittener Zeit.
…
§ 68 Selbständige Anträge von Stimmberechtigten *
1 Nach der Behandlung der angekündigten Geschäfte kann der oder die Stimmberechtigte zu Gegenständen, die nicht im Geschäftsverzeichnis stehen, Anträge stellen, sofern diese in die Befugnis der Gemeindeversammlung fallen. *
2 Solche Anträge können auch vor der Versammlung schriftlich dem Gemeinderat eingereicht werden. Ist dies geschehen, so setzt der Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin die Versammlung hievon in Kenntnis. *
3 … *
4 Der Gemeinderat arbeitet eine Vorlage über die Anträge aus. Er kann auch vorerst auf eine Vorlage verzichten und die Anträge an der folgenden Gemeindeversammlung zur Erheblicherklärung unterbreiten. *
4bis Beim Geschäft über die Erheblicherklärung sind Anträge auf Nicht-Eintreten, auf Verschieben, auf Rückweisung an den Gemeinderat oder auf Überweisung an eine Kommission unzulässig. *
5 Er unterbreitet die Vorlage über die Anträge oder über die erheblich erklärten Anträge innerhalb eines halben Jahres der Gemeindeversammlung zur Beschlussfassung. Die Vorlage ist so rechtzeitig zu unterbreiten, dass ihr Zweck nicht vereitelt wird. *
6 Er kann zu jedem Antrag einen Gegenvorschlag unterbreiten. *
Der Antrag wurde im Juli eingereicht. Die nächste Versammlung im April 2021 liegt also nicht mehr innerhalb dieses halben Jahres. Es würde aber trotzdem überraschen, gäbe es hier nachträglich noch eine Beschwerde, denn der gemeinderätliche Pragmatismus ist hier vermutlich im Sinne der meisten.
Der Zweckverband für die Alters-Versorgungsregion Rheintal darf aus Birsfelder Sicht gegründet werden. Pratteln ist auch dafür, aber die verschobene Muttenzer Versammlung könnte noch überraschen, meinen die kundigen Gemeinderäte.
Das Konzertverbot beim tiefroten Budget wurde eingehalten: Kein Streichkonzert und auch keine überraschten Gesichter bei der nüchternen Präsentation. Zudem über-rasche Beratung der Globalbudgets, weil auf das Durchblättern der (von den meisten wohl ungelesenen Aufgabenbereiche) leider verzichtet wurde.
Und zum Schluss der braven Versammlung noch ein Stantichlaus-Moment: Tadel für fehlende Beleuchtung, Lob für pünktliche Strassenbauer. So geht das Birsfelder Politjahr 2020 mit dem üblichen Wort zum Montag von Henzi ganz gwohnt zu Ende. Etwas Normalität tut schliesslich auch mal wieder gut.
Christoph Meury
Dez. 15, 2020
Wie schräg muss man denn drauf sein, wenn man jetzt eine GV durchzieht. Theater schliessen, oder spielen noch vor knapp 15 ZuschauerInnen. Beizen werden vollständig geschlossen. Aber der Birsfelder Gemeinderat verantwortet eine GV mit rund 40 BürgerInnen. Derweilen fabuliert unser Florian Dettwiler über die korrekte Abwicklung von Anträgen und Feinheiten von Reglementen, welche schon lange kein Mensch mehr checkt. Kurzum: Eine Gemeindeversammlung mit 40 Nasen ist in einer Gemeinde mit 10’000 EinwohnerInnen definitiv keine ordentliche GV, sondern die Karikatur einer Gemeindeversammlung. Einziger realer Fakt: Sie hat stattgefunden. Konsequent weitergedacht kann eine GV auch mit Null BürgerInnen stattfinden. Das wäre wohl aktuell im Sinne des Gemeinderates. Eine GV ohne Volk ist Effizienz pur. Und der Beweis: Man kann offensichtlich locker vom Hocker auch ohne Volk regieren.
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Da jede GV auch einen politischen Vorlauf hat, frage ich mich: Wo bitteschön will Mensch zur Zeit Meinungsbildung betreiben? Einen öffentlichen Diskurs führen? Wo findet der demokratische Stammtisch statt?
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Der «Birsfelder Anzeiger«, das lokale Medium und Amtsblatt, versucht seit geraumer Zeit auf Teufel komm raus alle politischen Themen zu umschiffen und positioniert sich als politisch-antiseptisches Medium. Mit 1300 Zeichen könnte, wer will, sein politisches Anliegen als Leserbrief abhandeln. Eine Genie wer dazu fähig ist. Daher werden dort auch nur noch politische Parolen, getarnt als Leserbriefe, aufgetischt.
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Ja, wir sollten Sorge tragen zu unserer Demokratie. Auch in coronabedingten Zeiten. Aber so tun, als wäre nichts geschehen und politische Veranstaltungen mit Hängen & Würgen und unter Ausschluss einer Mehrheit der BürgerInnen durchzuführen, ist definitiv nicht die richtige Antwort. Eine Demokratie ohne Diskurs ist eine Nullnummer und ein Abklatsch ihrer selbst.
Hans-Jörg Beutter
Dez. 15, 2020
im amtsblatt steht dann zu lesen:
12/2020 – ferner ist leider kurz vor der impfung auch an corona verstorben:
die gesprächskultur.
(anstelle von blumenspenden gedenke man in aller stille der verstummten einwohnerschaft. Ihr wohlmeinender rat)
Franz Büchler
Dez. 15, 2020
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr’
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum -
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
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Danke trotz allem für die Verschiebung.
Das Nichterklärenkönnen des Antrags war für die beiden vulnerablen Antragsteller leider nicht möglich.
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Man müsste sich einmal fragen, warum es rechtens ist, dass 40 Personen das Gemeindebudget von zig Millionen im Rekordtempo durchwinken. Und ob da nicht ein Einwohnerrat (tschuldigung, schon wieder) nicht eigentlich sinnvoller wäre …
ueli kaufmann
Dez. 15, 2020
Genau. Die Teilnehmenden-Zahl Vierzig an einer Budget GV ist hier vielleicht ein Wink mit dem Gartenhag.
Ist 40 doch exakt die Anzahl Einwohnerräte, welche die ausserordentliche Gemeindeordnung des Kantons Basellandschaft für Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern vorsieht.
Turi Caccivio
Dez. 15, 2020
Da muss ich dich, lieber Ueli, korrigieren. Es braucht keine 10’000 Einwohner mehr, um die ausserordentliche Gemeindeordnung einzuführen und es müssen auch nicht 40 Einwohnerratsmitglieder sein. Im Gemeindegesetz steht:
3.3.2 Die ausserordentliche Gemeindeorganisation
§ 112 *Einführung
1 Durch die Gemeindeordnung können die Einwohnergemeinden die ausserordentliche Gemeindeorganisation einführen.
§ 113 *Einwohnerrat
1 Die Gemeindeordnung bestimmt die Zahl der Einwohnerratsmitglieder.
Christoph Meury
Dez. 15, 2020
Auch ein Ladenhüter aus der Schublade gezaubert, würde in der coronabedingten Sondersituation nicht weiterhelfen. Ob ein GV mit 40 unspezifisch ausgewählten Zaungästen, oder ein Einwohnerrat mit 40 gewählten EinwohnerInnen, die Situation für eine GV ist in beiden Fällen unverantwortlich. Da braucht es keinen Wink mit dem Zaunpfahl, da müsste man lediglich den gesunden Menschenverstand aktivieren. Baselland ist immer noch eine Coronahotspot mit täglich viel zu hohen Ansteckungszahlen und Spitälern, welche am Rande des Kollaps stehen. Wer jetzt immer noch den Kopf in den Sand steckt, hat m.E. einen an der Waffel.
Anton Roth
Dez. 15, 2020
Ja, ja was, ja was denn jetzt Herr Meury?
Da monieren sie sich, über die (zugegeben) lausige Beteiligung der Berechtigten an Gemeindeversammlungen,
stellen den Gemeinderat in Frage, weil dieser gerne den Etat, wie gesetzlich vorgesehen, durch die Einwohner verabschieden will, gleichzeitig bezeichnen sie den Einwohnerrat als Ladenhüter.
Gemeindeversammlung und/oder Einwohnerrat sind derzeit die einzigen Möglichkeiten die Polis der Kommunen in Baselland zu organisieren.
Rundum Motzen ist eine Sache, diskutable Vorschläge machen, ist eine andere Sache.
Auf die andere Sache warten wir noch.
Christoph Meury
Dez. 15, 2020
Vielleicht hat ER’s verpasst: Der Kanton Baselland ist mit seiner Inzidenzgrösse in der Schweiz an 6. Stelle mit 728,9 (Fälle pro EinwohnerInnen in 14 Tagen). Basel-Stadt hat, dank sehr restriktiven Massnahmen), nur 682 Fälle. Birsfelden hatte in den letzten 14 Tagen 120 Covidfälle. Da muss Mensch handeln, sonst landet er schneller im Spital und am Atmungsgerät als ihm lieb ist.
Anton Roth
Dez. 15, 2020
Okay. Einen anderen Vorschlag kann ich in der Antwort nicht erkennen. Gemotz ohne Vorschlag. So bleibt aktuell nur:
Entweder zu Hause bleiben, oder Maseke, oder den Mund und die Luft halten und anhalten. Am besten alle drei, damit man nicht schnell im Spital und am Beatmungsgerät landet.