Aus aktuellem Anlass erfol­gt die Weit­er­führung der Besprechung von Thom Hart­manns Buch “The Last Amer­i­can Pres­i­dent” erst in der näch­sten Folge.
The Atlantic” gehört zu den renom­miertesten und ältesten Zeitschriften der USA, gegrün­det 1857 in Boston. Ralph Wal­do Emer­son, Mark Twain oder Mar­tin Luther King kon­nten dort ihre Texte veröf­fentlichen. Sie ist immer wieder mal für einen jour­nal­is­tis­chen “Scoop” gut, kür­zlich mit der Veröf­fentlichung eines Grup­pen-Chats mit Angriff­s­plä­nen von (neuerd­ings) “Kriegsmin­is­ter” Pete Hegseth. Sie ste­ht für eine lib­erale, jour­nal­is­tisch hochste­hende Medi­en­poli­tik, die sich an den Grund­sätzen der amerikanis­chen Ver­fas­sung von 1776 ori­en­tiert. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sich der Atlantic-Redak­tor George Pack­er vehe­ment gegen die Ver­harm­lo­sung der Chat-Kom­mentare von Mit­gliedern der “Young Repub­li­cans” stellte. Hier einige Auszüge aus seinem Artikel

Die Tiefe des moralis­chen Zusam­men­bruchs von MAGA
Wenn Anführer von Grup­pen der Jun­gre­pub­likan­er im ganzen Land Texte aus­tauschen, in denen es heißt: “Ich liebe Hitler”, die Witze über Gaskam­mern und Verge­wal­ti­gun­gen machen, die Sklaverei gutheißen, sich über “Wasser­mel­o­nen­men­schen” und Affen in Zoos lustig machen und mit Wörtern wie Schwuch­tel und zurück­ge­blieben um sich wer­fen, ent­lar­ven sie nicht nur ihren eige­nen Anti­semitismus, Ras­sis­mus, Homo­pho­bie und Frauen­feindlichkeit. Wenn man nur die Big­ot­terie sieht, mit der wir schmer­zlich ver­traut sind, verken­nt man die Tiefe des moralis­chen Zusam­men­bruchs von MAGA. Die Liebe zu Hitler zu bekun­den, ist mehr als anti­semi­tisch — es ist anti­hu­man. Es ist eine stolze Weigerung, sich an die grundle­gend­ste Norm des Guten zu hal­ten, ein bewusster Aus­druck der Ver­ach­tung für alles Anständi­ge. Die Texte entwürdi­gen uns alle.

Und sie sind kaum über­raschend. Grausamkeit und Demü­ti­gung sind zur gemein­samen Währung der Trump-Admin­is­tra­tion gewor­den. Mit der Erlaub­nis von Präsi­dent Don­ald Trumps grober Rhetorik und Has­ss­chwüren, Elon Musks Nazi-Gruß, Tuck­er Carl­sons Flirt mit Holo­caust-Leug­nung und Stephen Millers wutent­bran­nten Dro­hun­gen sprachen die jun­gen Loy­al­is­ten, die die Texte schrieben, die Sprache der Leute, die sie am meis­ten bewun­dern. Es war auch nicht über­raschend, als am Tag, nach­dem Politi­co die Exis­tenz der Texte aufgedeckt hat­te, das Bild ein­er amerikanis­chen Flagge, die in die Form eines Hak­enkreuzes verän­dert wurde, an der Kabi­nen­wand hin­ter einem Mitar­beit­er im Büro eines MAGA-Kon­gress­ab­ge­ord­neten auf dem Capi­tol Hill erschien. In dieser Kul­tur war die Reha­bil­i­tierung des Mannes, der für das Schlimm­ste in der Men­schheit ste­ht, unver­mei­dlich.

Nach­dem sie die Erlaub­nis der mächtig­sten Per­son des Lan­des erhal­ten hat­ten, wurde den Jun­gre­pub­likan­ern von der zweit­mächtig­sten Per­son des Lan­des verziehen. Vizepräsi­dent J. D. Vance weigerte sich, ihre Worte zu verurteilen, und erk­lärte: “Ich möchte wirk­lich nicht, dass wir in einem Land aufwach­sen, in dem ein Kind, das einen dum­men Witz erzählt — einen sehr belei­di­gen­den, dum­men Witz — dazu führt, dass sein Leben ruiniert wird.” Aber die Autoren der Texte sind bere­its erwach­sen — sie sind Män­ner in ihren 20ern und 30ern, die die Sprossen der repub­likanis­chen Parteileit­er in Kansas, Ari­zona, Ver­mont und New York erk­lim­men, fest in dem Glauben, dass sie umso höher kom­men, je schlim­mer ihre Sprache ist. Ein­er von ihnen ist bere­its ein Amt­sträger. (…)

Die Abkehr von ein­er uni­versellen Moral ist nicht nur philosophisch falsch — sie ist poli­tisch dumm. Jede erfol­gre­iche Oppo­si­tion gegen Trump muss mit einem klaren Ver­ständ­nis dessen begin­nen, was auf dem Spiel ste­ht: nicht nur der ver­gan­gene und gegen­wär­tige Schaden, der den Aus­ge­gren­zten zuge­fügt wurde, son­dern alles, von dem die Amerikan­er einst glaubten, dass es ihnen wichtig sei, ein­schließlich der Werte, die von der Recht­en vere­in­nahmt wur­den, bevor MAGA sie auf­gab — Respekt vor Gesetz und Sitte, Patri­o­tismus, Fam­i­lien­bande, all­ge­mein­er Anstand. Für einige Lib­erale und Pro­gres­sive klin­gen diese Werte inzwis­chen alt­modisch, abge­droschen und sog­ar gefährlich. Aber jed­er, der sich vor der Abwärtsspi­rale des Lan­des fürchtet, muss daran glauben, dass unsere Gesellschaft diese Werte immer noch teilt und immer noch auf sie reagieren kann, wenn jemand einen Appell an sie richtet.

Wenn die Texte der Jun­gre­pub­likan­er nur als Angriffe auf die Grup­pen, die sie nen­nen, gese­hen wer­den, dann wer­den sie zum Prob­lem von Schwarzen und Schwulen, Juden und Frauen. Aber die Texte ste­hen für eine größere Gräueltat, die ganz Ameri­ka getrof­fen hat. Sobald man moralis­che Urteile auf Grup­peniden­tität und poli­tis­che Bequem­lichkeit stützt, wird es für Men­schen auf der Linken möglich, anti­ras­sis­tisch und anti­semi­tisch zu sein, und für Men­schen auf der Recht­en, Mus­limhas­s­er in Israel und Juden­has­s­er in Deutsch­land zu umar­men. Wenn moralis­che Werte nicht ein­fach und all­ge­me­ingültig sind — wenn sie die Sprache von Sem­i­naren für Hochschu­la­b­sol­ven­ten und den Aktivis­mus für einzelne The­men erfordern -, wer­den sie die immo­bil­isierten, ent­fremde­ten, gefüh­llosen Amerikan­er, die das Ver­sprechen ihres Lan­des noch nicht aufgegeben haben, nicht bewe­gen. Die Ent­men­schlichung ein­er Gruppe ent­men­schlicht alle. Diese Lek­tion wird nie enden.

(neueste Enthül­lun­gen über recht­sradikale Umtriebe von Trump-nahen Per­sön­lichkeit­en hier)

An anderen Serien inter­essiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er  / A Basic Call to Con­scious­ness Leon­hard Ragaz / Chris­ten­tum und Gno­sis / Hel­ve­tia — quo vadis? / Aldous Hux­ley / Dle WW und die Katholis­che Kirche / Trump Däm­merung / Manès Sper­ber /Reinkar­na­tion
.
D Mäss lyttet y, d Mäss lyttet y, wär mer nit gromt, däm schlon y d Schyben y!
Kennsch dy Birsfälde? Nr. 20

Deine Meinung