Vor wenigen Tagen zog die NZZ Bilanz zur “Causa Trump”. Betreffend die Wiederwahlchancen Ende Jahr meinte die Journalistin:
Da ist Skepsis angebracht. Er verfehlte 2020 als Amtsinhaber und mit grösster medialer Aufmerksamkeit eine Mehrheit. Als er aus dem Weissen Haus auszog, waren seine Zustimmungswerte auf den tiefsten Punkt der gesamten Amtszeit gefallen. Prominente republikanische Strategen wie Karl Rove oder Frank Luntz sind überzeugt, dass Trump die Wahl verpassen würde, weil er zum einen gemässigte Wähler in den Swing States vergrault und zum anderen seine Behauptungen über Wahlbetrug demotivierend wirken.
Eigentlich ein durchaus nachvollziehbarer Schluss, auch gestützt durch die diversen Prozesse, die Trump hinter sich oder noch vor sich hat und die ein verheerendes Bild von seinen Charakterdefiziten zeichnen. Untermauert auch durch das Fazit der überparteilichen Untersuchungskommission zum 6. Januar 2021:
Die Kommission hat mehr als 1000 Personen befragt und neun öffentliche Anhörungen abgehalten. Mehrere Dutzend Zeugen, unter ihnen prominente Mitglieder der Administration Trump und Organisatoren der damaligen Demonstration vor dem Capitol, wurden vorgeladen. Sie zeichneten teilweise ein verheerendes Bild des ehemaligen Präsidenten, der alles daran setzte, seine Wahlniederlage abzuwenden, und sich angeblich auch selbst am Sturm auf das Capitol beteiligen wollte.
In ihrem Abschlussbericht Ende 2022 bewertete die Kommission den Angriff auf das Capitol als Teil von Trumps «mehrstufigem Plan» zur Rückkehr an die Macht und empfahl, ihn für zukünftige Ämter zu sperren. Zudem schlug sie dem Justizministerium strafrechtliche Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten vor. (…)
Gravierender noch ist die Enthüllung mehrerer Journalisten, dass sich die amerikanische Militärführung nach der Wahlniederlage Trumps auf das Szenario eines Putschversuchs des Präsidenten vorbereitete. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, General Mark Milley, traf mit anderen Mitgliedern der Militärführung Absprachen für den Fall, dass sie rechtswidrige oder widersinnige Befehle erhalten sollten. (NZZ)
Angesichts dieses düsteren Bildes ist es doch ziemlich erstaunlich, dass sich — nebem dem blinden evangelikalen Support in den USA — auch in der Schweiz Stimmen finden, die einen Sieg Donald Trumps im November freudig begrüssen würden. An erster Stelle natürlich unser alter Bekannter, Weltwoche Chefredaktor Roger Köppel, der schon bei dessen ersten Sieg ausgelassen in seinem Büro herumtanzte. Und so beglückte er uns in einem WW-Editorial anfangs Jahr — unabhängig, kritisch und gut gelaunt — mit seiner Warnung:
Vielleicht liege ich falsch, aber das anschwellende Trump-Bashing in unseren Medien und in der Politik lässt aufhorchen. Einige befürchten schon das Allerschlimmste, sollte der “Orangenmann” ins Weisse Haus zurückkehren. Liest man die Berichte und Prognosen, könnte man meinen, Europa sei während der Amtszeit Trumps von der Beulenpest verwüstet worden. Das Gegenteil war der Fall.
Unter Trump ging Europa, ging es der Welt, ging es der Schweiz besser. (…)
Die unbeschwerten Tage sind vorbei. Mit dem Amtsantritt von Trumps Nachfolger Joe Biden begann das Unheil. (…)
Und dann folgt natürlich das beliebte “SVP-Linken-Bashing”:
Bis heute haben die Linken nicht verwunden, dass es Trump jemals ins Weisse Haus schaffte. Fast jeden miesen Trick probierten sie, um den rechtmässig Gewählten aus dem Amt zu kegeln. Wen wundert es, wenn nach wie vor Millionen von Amerikanern felsenfest davon überzeugt sind, bei den letzten Wahlen seien Trump und dessen Wähler massiv betrogen worden? Zuzutrauen wäre es den Demokraten allemal. (…)
… wer ausser Trump hätte den Punch und die reptilienhafte Aussenhaut, um den links-grün verkrusteten Westen wieder freizuhämmern? In der Polemik seiner Gegner offenbart sich nur Verzweiflung. Trump ist ein brutaler Realist. Vielleicht ist er das, was unsere wankende Zivilisation derzeit am meisten braucht.
Was soll man dazu sagen? Höchstens, dass sich seine Begeisterung für Trump nahtlos deckt mit seinem wohlwollenden Verständnis für Putin, für Orban und für rechtsradikale Figuren wie Björn Höcke.
Und seine Partei, die SVP? Sie hat Orban kürzlich einen rauschenden Empfang bereitet, und die junge SVP ist gerade daran, endgültig in das rechtsradikale Lager abzurutschen.
Unsere Demokratie funktioniert — noch. Aber die Warnung: “Hütet euch am Morgarten” gewinnt an Aktualität — nur geht es diesmal nicht gegen die Habsburger …
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