Im letzten Jahr der Trump-Präsidentschaft veröffentlichte die Investigativ-Journalistin Katherine Stewart das Buch “The Power Worshippers. Inside the Dangerous Rise of Religious Nationalism”. Im Vorwort dazu definiert sie, was sie unter “christlichem Nationalismus” versteht:
Der christliche Nationalismus ist kein religiöses Bekenntnis, sondern … eine politische Ideologie. Er fördert den Mythos, dass die amerikanische Republik als christliche Nation gegründet wurde. Er behauptet, dass eine legitime Regierung nicht auf der Zustimmung der Regierten beruht, sondern auf dem Festhalten an den Doktrinen eines bestimmten religiösen, ethnischen und kulturellen Erbes. Sie fordert, dass unsere Gesetze nicht auf den vernünftigen Überlegungen unserer demokratischen Institutionen beruhen, sondern auf bestimmten, eigenwilligen Auslegungen der Bibel. Seine größte Angst ist, dass sich die Nation von den Wahrheiten entfernt hat, die sie einst groß gemacht haben. Der christliche Nationalismus blickt zurück auf eine fiktive Geschichte der angeblich christlichen Gründung Amerikas. Er blickt auf eine Zukunft, in der seine Versionen der christlichen Religion und ihre Anhänger zusammen mit ihren politischen Verbündeten außergewöhnliche Privilegien und Machtpositionen in der Regierung und im Gesetz genießen.
Der christliche Nationalismus ist auch ein Mittel, um große Teile der Bevölkerung zu mobilisieren (und oft zu manipulieren) und die Macht in den Händen einer neuen Elite zu konzentrieren. Er spiegelt nicht nur die religiöse Identität wider, die er zu verteidigen vorgibt, sondern arbeitet aktiv daran, neue Varianten der Religion zu konstruieren und zu fördern, um Macht zu erlangen. Sie erzeugt oder nutzt aktiv kulturelle Konflikte, um ihre Zielbevölkerung besser im Griff zu haben.
Vier Jahre später ist klar, dass dieser christliche Nationalismus definitiv auf dem Vormarsch ist, — und er könnte Donald Trump im November zum Siege verhelfen. Trump weiss das, weshalb er und seine Berater schon jetzt den Boden dafür bereiten, sein Image als makellosen Christen zu festigen.
Erinnern wir uns: Während der Covid-Epidemie und den George Floyd-Manifestationen konnte man ihn bewundern, wie er sich vor einer Kirche als bibelfesten Präsidenten präsentierte. Dass er anlässlich eines Interviews — abgesehen von “Auge um Auge, Zahn um Zahn” — keinen einzigen Vers aus seinem “Lieblingsbuch” zitieren konnte, war lediglich eine Fussnote wert …
Doch jetzt macht er Nägel mit Köpfen: Willkommen beim neuesten “Trump-Bible-Project”!
Man höre und staune: Auf der Webseite “God Bless the USA Bible” heisst es, es sei die einzige Bibel, die von Präsident (!) Trump empfohlen werde. Durchaus verständlich, denn sie wird immerhin für 60 $ verhökert, und Trump kann angesichts des Zivilprozesses wegen Betrugs im Bundesstaat New York jeden Cent gebrauchen ;-). Zwar wurde die Kaution von ursprünglich 464 Millionen Dollar auf 175 Millionen heruntergesetzt, aber das hinderte ihn nicht, seine rechtliche Notlage mit der Verfolgung von Jesus Christus zu vergleichen. Zum Glück gab es aber einen Trump-Fan, der ihn mit einem Vers aus Psalm 109 tröstete:
... und reden giftig wider mich allenthalben und streiten wider mich ohne Grund. 4 Dafür, dass ich sie liebe, feinden sie mich an; ich aber bete. 5 Sie erweisen mir Böses für Gutes und Hass für meine Liebe,
— worauf Trump auf Truth Social schrieb: “Heute Morgen erhalten — wunderschön, danke! Es ist eine Ironie, dass Christus seine größte Verfolgung genau in der Woche erlebt hat, in der man versucht, dir dein Eigentum zu stehlen. …’ ”.
So ist es nicht verwunderlich, dass sein Slogan “Make America great again” neuerdinsg mit “Make America pray again” ergänzt wird. Man darf auf die weitere Entwicklung des pseudo-christlichen Trump-Kults in den kommenden Monaten gespannt sein …
Die nächste Folge erscheint wegen Ferienabwesenheit des Schreiberlings am Donnerstag, den 11. April. Allen birsfälder.li Leserinnen und Lesern wünscht er besinnliche Ostern.
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