Bevor es am nächsten Donnerstag mit der Besprechung von Katherine Stewarts Buch “Money, Lies and God” weitergeht, hier ein kleiner Zwischenkommentar zu einer Entwicklung in den USA, die im Moment noch unscheinbar daherkommt, sich auf die Länge aber gravierend auswirken wird: die Säuberung von unerwünschten Wörtern und Begriffen und der Angriff auf das Erziehungswesen.
● Auf Anweisung des neuen Pentagon-Chefs Pete Hegseth nimmt das Verteidigungsministerium derzeit rund 26’000 Bilder aus einer öffentlich zugänglichen Datenbank mit Bildern und Informationen zur Geschichte des US-Militärs. Darunter sind Aufnahmen hochdekorierter Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg aber auch der B‑29-Bomber «Enola Gay», das Atombomben auf Japan geworfen hat. Ziel der Säuberungs-Welle waren laut einer AP-Recherche «Inhalte zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion», Englisch abgekürzt DEI und ein erklärtes Feindbild der Trump-Regierung und damit auch des ex-Fox-Moderators Hegseth,
schreibt das Magazin tachles.
“gay” war zwar der Vorname der Mutter des Flugzeug-Kommandeurs, könnte sich aber laut Hegseth auf Homosexuelle beziehen. Und die hochdekorierten Soldaten waren schwarze Piloten. (Hier geht es zum ganzen Artikel)
● Die New York Times hat eine lange Liste von Wörtern zusammengestellt, die aus offiziellen Dokumenten verschwinden sollen. Dazu gehören zum Beispiel: Aktivismus, Aktivisten, Bekräftigung der Fürsorge, Antirassismus, gefährdet, Vorurteilen gegenüber, Vielfalt in der Gemeinschaft, kulturelle Kompetenz, kulturelles Erbe, Behinderung, diskriminiert, Ungleichheit, viefältig, diversifiziert, Umweltqualität, Chancengleichheit, Ethnizität, Ausgrenzung, Feminismus, Golf von Mexiko, Hassrede, Implizite Voreingenommenheit, Inklusion, Ungerechtigkeiten, marginalisieren, unterprivilegiert, psychische Gesundheit, usw. usw.
Was damit bezweckt werden soll, braucht wohl nicht ausgeführt zu werden …
Ebenfalls in der NYT erschien die Meldung, dass es im Bildungsministerium zu 1300 Entlassungen kommt:
Das Bildungsministerium gab am Dienstag bekannt, dass es mehr als 1.300 Mitarbeiter entlassen wird, wodurch die Behörde, die Bundesdarlehen für Hochschulen verwaltet, die Leistungen der Studierenden verfolgt und die Bürgerrechtsgesetze in Schulen durchsetzt, praktisch entkernt wird. …
Das Büro für Bürgerrechte der Abteilung musste besonders starke Einschnitte hinnehmen, da regionale Zentren geschlossen oder auf eine Notbesetzung reduziert wurden, darunter die in New York, San Francisco und Boston. Das ohnehin unterbesetzte Büro hatte regelmäßig Schwierigkeiten, langwierige Bürgerrechtsuntersuchungen zu bearbeiten. Unter der Biden-Regierung hatte sich ein großer Rückstand an Fällen angesammelt, nachdem im vergangenen Jahr landesweit Proteste an Universitäten stattgefunden hatten.
Die USA sind zum Glück von einem Orwell’schen Wahrheitsministerium noch weit entfernt, aber die Stossrichtung all dieser Massnahmen ist klar: Manipulation des Denkens.
Umso grotesker mutet es an, wenn das SVP-Sprachrohr Roger Köppel unbeirrt von seinem Idol, dem “Veränderungspolitiker Trump, der Präsident des Wandels” schwärmt:
Worin besteht der Wandel? Trump vollzieht die Abkehr von einer Politik des grossen Staates, der steigenden Ausgaben, der höheren Steuern und der ökopolitischen Planwirtschaft, wie man sie in Europa zum Leidwesen der Industrie immer noch durchzieht. Trump setzt auf weniger Staat, mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Er stutzt die Bürokratie und verspricht, den privaten Sektor zu entfesseln. Sicherheit, innere wie äussere, sind bei ihm grossgeschrieben. (Köppel, Weltwoche, 12.3.25).
Wenn mit “weniger Staat, mehr Freiheit und Eigenverantwortung” das gemeint ist, was die Regierung Trump in den USA anhand obiger Beispiele gerade durchexerziert, wird deutlich, wie Begriffe heute ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren und inhaltlich sogar in ihr Gegenteil umgewandelt werden können. Wandel ja, aber leider in eine Richtung, vor der die Eidgenossenschaft hoffentlich noch lange verschont bleiben wird.
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