Die Inves­tiga­tiv-Jour­nal­istin Kather­ine Stew­art vere­int eine scharfe Beobach­tungs­gabe mit mit einem Blick für “das grosse Ganze”. Sie zeigt auf, dass die Erk­lärungsver­suche für den Auf­stieg Trumps, die lediglich auf wirtschaftliche Fak­toren und die riesige Schere zwis­chen Arm und Reich in den USA ver­weisen, zwar dur­chaus rel­e­vant sind, aber let­ztlich zu kurz greifen.

Hier deshalb ein weit­er­er Pas­sus aus der Ein­leitung zu ihrem Buch “Mon­ey, Lies and God” über die Hin­ter­gründe, die vielle­icht das Ende der amerikanis­chen Demokratie ein­läuten:

Diese Bewe­gung (die MAGA-Bewe­gung) stellt eine ern­sthafte Bedro­hung für das Über­leben der amerikanis­chen Demokratie dar. Selb­st zu diesem späten Zeit­punkt höre ich immer noch wohlmeinende Vorschläge, dass die poli­tis­chen Konflik­te des Augen­blicks das Ergeb­nis von Unhöflichkeit, Stammes­denken, „affek­tiv­er Parteilichkeit“ oder einem anderen unglück­lichen Trend in den Umgangs­for­men sind, der alle Seit­en der poli­tis­chen Debat­ten gle­icher­maßen betrifft. Alles wird gut, so die Denkweise, wenn sich die roten und die blauen Men­schen ein­fach zu ein­er Gespräch­s­ther­a­pie zusam­menset­zen und der anderen Seite ein wenig ent­ge­genkom­men wür­den. In früheren Zeit­en mag dies ein weis­er Rat gewe­sen sein. Heute ist es eine Illu­sion. Die amerikanis­che Demokratie scheit­ert, weil sie direkt ange­griffen wird, und der Angriff kommt nicht von bei­den Seit­en gle­icher­maßen. Die in diesem Buch beschriebene Bewe­gung sucht keinen Platz am laut­en Tisch der amerikanis­chen Demokratie, sie will das Haus in Schutt und Asche leg­en. Sie ist nicht das Pro­dukt von Missver­ständ­nis­sen; sie treibt ihre anti­demokratis­che Agen­da voran, indem sie aktiv Spal­tung und Desin­for­ma­tion fördert. (…)

Die anti­demokratis­che Bewe­gung ist nicht das Werk ein­er einzel­nen sozialen Gruppe, son­dern das mehrerer Grup­pen, die zusam­me­nar­beit­en. Sie stützt sich zum Teil auf den Narziss­mus und die Para­noia ein­er Unter­gruppe der Super­re­ichen, die diese Bewe­gung finanzieren und beschlossen haben, ihr Ver­mö­gen in die Zer­störung der Demokratie zu investieren. Sie scheinen von der zynis­chen Überzeu­gung auszuge­hen, dass die Manip­u­la­tion der Massen durch Desin­for­ma­tion ihren eige­nen Wohl­stand steigern wird. Die Bewe­gung zieht auch einen Teil der Beruf­s­gruppe an, die ihre soziale Ver­ant­wor­tung weit­ge­hend aufgegeben hat. Ein Großteil der Energie der Bewe­gung kommt auch von unten, von der Wut und dem Groll, die das Leben der­er kennze­ich­nen, die mehr oder weniger genau wahrnehmen, dass sie ins Hin­tertreffen ger­at­en.

Während diese Grup­pen in ein­er sich schnell verän­dern­den Welt um Sta­tus rin­gen, entste­ht eine Poli­tik der Wut und des Unmuts. Die Reak­tion mag ver­ständlich sein. Aber sie ist deshalb nicht vernün­ftig oder kon­struk­tiv. Obwohl die anti­demokratis­che Bewe­gung zum Teil aus mas­siv­en struk­turellen Konflik­ten in der amerikanis­chen poli­tis­chen Ökonomie her­vorge­gan­gen ist, zusam­men mit Investi­tio­nen anti­demokratis­ch­er Kräfte in die Infra­struk­tur ihrer Bewe­gung, stellt sie keinen echt­en Ver­such dar, die Prob­leme anzuge­hen, aus denen sie ent­standen ist. Die neue Poli­tik strebt nach Ergeb­nis­sen, die nur wenige Men­schen tat­säch­lich wollen und die let­ztlich allen schaden. Der neue amerikanis­che Faschis­mus, der auf Ressen­ti­ments und Unver­nun­ft beruht, ist eher eine poli­tis­che Patholo­gie als ein poli­tis­ches Pro­gramm.

Was sind die Haupt­merk­male dieser Patholo­gie? In Ameri­ka, genau wie in insta­bilen poli­tis­chen Ökonomien der Ver­gan­gen­heit, ent­laden sich die Missstände, die durch die täglichen Ungerechtigkeit­en eines ungle­ichen Sys­tems entste­hen, unweiger­lich auf einen ver­meintlich frem­den „Anderen“, der ange­blich für all unsere Übel ver­ant­wortlich ist. Amerikas Dem­a­gogen haben jedoch einen beson­deren Vorteil. Sie kön­nen sich auf die bar­barische Geschichte des Ras­sis­mus in der Nation und die Angst stützen, dass der „Amer­i­can Way of Life“ durch eine real­itäts­fremde Elite ver­loren geht. Die Geschichte dieser Bewe­gung kann nicht los­gelöst von den ras­sis­chen und eth­nis­chen Spal­tun­gen erzählt wer­den, die sie kon­tinuier­lich aus­nutzt und ver­schärft.
Die psy­chis­che Beloh­nung, die der neue, anti­demokratis­che religiöse und rechts­gerichtete Nation­al­is­mus seinen Anhängern bietet, ist das Ver­sprechen der Zuge­hörigkeit zu ein­er priv­i­legierten „In-Group“, die zuvor mit dem Sta­tus eines weißen christlichen Kon­ser­v­a­tiv­en, eines ver­meintlichen „echt­en Amerikan­ers“, ver­bun­den war, mit der Wen­dung, dass diese Priv­i­legien nun auch von Nicht-Weißen beansprucht wer­den kön­nen, voraus­ge­set­zt, sie beten und wählen auf die „richtige“ Weise. Gle­ichzeit­ig werde ich auch zeigen, dass die Bewe­gung das Ergeb­nis der geziel­ten Kul­tivierung ein­er Rei­he von Äng­sten ist, die tiefe und weitre­ichende Wurzeln haben.

Fort­set­zung am kom­menden Don­ner­stag, den 13. März

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