Don­ald Trump erstürmte die amerikanis­che Präsi­dentschaft am 20. Jan­u­ar 2025 mit einem Batail­lon von Dekreten („exec­u­tive orders“), die viele Gewis­sheit­en des amerikanis­chen Ver­fas­sungssys­tems zer­störten. Unter nor­malen Umstän­den sind exec­u­tive orders das schwäch­ste aller rechtlichen Instru­mente – sie ste­hen unter­halb der Ver­fas­sung, unter­halb von Geset­zen und sog­ar unter­halb von Verord­nun­gen. Würde das amerikanis­che Ver­fas­sungssys­tem funk­tion­ieren, dann wären die meis­ten dieser exec­u­tive orders durch höher­rangiges Recht außer Kraft geset­zt und damit wirkungs­los. Doch die amerikanis­che Ver­fas­sung­sor­d­nung ist im Wan­del.

Hin­weg mit dembirthright cit­i­zen­ship“, das im 14. Ver­fas­sungszusatz garantiert ist! Weg mit mehr als 60 Jahren Bürg­er­rechts­be­we­gung und Jahrzehn­ten ver­fas­sungsrechtlichen Fortschritts in der Geschlechterg­erechtigkeit! Weg mit den Kli­maschutzge­set­zen! Friert die vom Kongress genehmigten Mit­tel für nahezu alle Bun­de­spro­gramme ein, und zwar ohne Vor­war­nung! Macht aus tausenden Beamten­stellen poli­tis­che Posten, die Loy­al­ität zum Präsi­den­ten erfordern! Stampft die inter­na­tionalen Verträge ein, been­det die inter­na­tionalen Hil­f­sleis­tun­gen und unter­grabt langjährige inter­na­tionale Bünd­nisse und Vere­in­barun­gen! Schießt die nationale Sicher­heit in den Wind! Unter nor­malen Umstän­den wäre es rechtlich schlicht unmöglich, all dies im Wege von exec­u­tive orders umzuset­zen. Doch die Umstände sind nicht nor­mal.

So analysiert Kim Lane Schep­pele, Pro­fes­sorin für Sozi­olo­gie und Inter­na­tion­al Affairs an der Uni­ver­sität Prince­ton, USA, die aktuelle Lage der Dinge auf dem Verfassungsblog.de. (Der ganze Artikel find­et sich hier)

Die Umstände sind tat­säch­lich über­haupt nicht mehr nor­mal. Es ist ein poli­tis­ches Erd­beben, und wir dürften am Anfang von gewalti­gen Umbrüchen ste­hen. Die Tat­sache, dass die wäh­ler­stärk­ste Partei in der Schweiz diese Umbrüche enthu­si­astisch begrüsst (“Trump und Musk: Frei­heit­sorkan aus dem West­en!”) macht es mehr als wahrschein­lich, dass auch die Eidgenossen­schaft früher oder später nolens volens in den poli­tis­chen Strudel hineinge­zo­gen wird.

Vor nicht allzu langer Zeit galt die amerikanis­che Ver­fas­sung noch als Boll­w­erk gegen sämtliche autoritären Gelüste. Und sie stand — dank dem uner­müdlichen jahrzehn­te­lan­gen Ein­satz des Arztes, Philosophen, Päd­a­gogen und Poli­tik­ers Ignaz Trox­ler — auch der Schweiz­erischen Bun­desver­fas­sung zu Gevat­ter.

Was ist da schief gegan­gen?

Die renom­mierte amerikanis­che Jour­nal­istin Kather­ine Stew­art meint dazu in ihrem vor kurzem erschiene­nen Buch “Mon­ey, Lies and God”:
Darauf gibt es keine ein­fache Antwort. Aber ich möchte den Ball mit ein­er Beobach­tung zu den Zeiträu­men ins Rollen brin­gen. Manch­mal kann es so ausse­hen, als hätte sich die anti­demokratis­che Reak­tion an uns herangeschlichen und wäre plöt­zlich in unseren Wohnz­im­mern explodiert. Ich muss zugeben, dass mir die Eskala­tion der Bedro­hung atem­ber­aubend erscheint, wenn ich auf die anderthalb Jahrzehnte zurück­blicke, in denen ich über dieses The­ma berichtet habe. (…)

Abra­ham Lin­coln hat­te Recht, als er sagte, dass die Vere­inigten Staat­en einem bes­timmten Grund­satz verpflichtet sind. Die amerikanis­che Idee, wie er sie sah, ist die bekan­nte, die in der Präam­bel der Unab­hängigkeit­serk­lärung zum Aus­druck kommt. Sie besagt, dass alle Men­schen gle­ich geschaf­fen sind; dass ein freies Volk in ein­er plu­ral­is­tis­chen Gesellschaft sich selb­st regieren kann; dass es dies durch Geset­ze tut, die in der Öffentlichkeit berat­en wer­den, auf Appellen an die Ver­nun­ft beruhen und für alle gle­icher­maßen gel­ten; und dass es diese Geset­ze durch demokratis­che Vertre­tung in der Regierung fes­tlegt. In den Jahrhun­derten nach 1776 exportierten die Vere­inigten Staat­en in ihren besseren Momenten dieses rev­o­lu­tionäre Cre­do und inspiri­erten Men­schen auf der ganzen Welt, sich ihre Frei­heit zu eigen zu machen.

Doch in den let­zten Jahren ist eine poli­tis­che Bewe­gung ent­standen, die grund­sät­zlich nicht an die amerikanis­che Idee glaubt. Sie behauptet, dass Ameri­ka nicht einem Vorhaben, son­dern ein­er bes­timmten Reli­gion und Kul­tur verpflichtet ist. Sie behauptet, dass eine heimtück­ische und fremde Elite das heilige Erbe der Nation ver­rat­en und aufgegeben hat. Sie schlägt vor, Ameri­ka „zu erlösen“, und han­delt nach der extremen Überzeu­gung, dass bei einem so bedeu­ten­den Pro­jekt jedes Mit­tel gerecht­fer­tigt ist. Sie geht davon aus, dass bes­timmte Arten von Amerikan­ern ein Recht auf Herrschaft haben und der Rest die Pflicht, zu gehorchen. Sie sieht die Vere­inigten Staat­en nicht mehr als Leucht­feuer der Frei­heit und exportiert dieses kon­ter­rev­o­lu­tionäre Cre­do durch Allianzen mit Führern und Aktivis­ten, die selb­st demokratiefeindlich sind. Diese Bewe­gung hat eine der bei­den großen poli­tis­chen Parteien des Lan­des in ihren Bann gezo­gen, und einige ihrer führen­den Köpfe ori­en­tieren sich in ihren Ambi­tio­nen aus­drück­lich an kor­rupten und illib­eralen Reg­i­men im Aus­land, die Bil­dung, Medi­en und den Unternehmenssek­tor einem autoritären Ein­parteien­staat unter­w­er­fen.

Wie kon­nte eine solche anti­amerikanis­che Bewe­gung in Ameri­ka Fuß fassen? Das ist die Frage, mit der ich mich in diesem Buch befassen möchte. Es ist …  eine Samm­lung von Bericht­en von der Front des aktuellen Angriffs auf die amerikanis­che Demokratie. Mein Ziel war es, festzuhal­ten, was ich von den Anführern und Unter­stützern der anti­demokratis­chen Bewe­gung in den Audi­to­rien und Break­out-Räu­men auf nationalen Kon­feren­zen, am Tisch bei informellen Tre­f­fen von Aktivis­ten, in den Wohnz­im­mern der Basis und auf den Kirchen­bänken von Kirchen mit har­ter Lin­ie gese­hen und gehört habe. Die Geschichte zeigt eine wilde Mis­chung von Per­sön­lichkeit­en: „Apos­tel“ Jesu, athe­is­tis­che Mil­liardäre, reak­tionäre katholis­che The­olo­gen, pseu­do-pla­tonis­che Intellek­tuelle, frauen­has­sende Geg­n­er der „Gynokratie“, hochkarätige evan­ge­likale Net­zw­erk­er, jüdis­che Anhänger von Ayn Rand, Prona­tal­is­ten, die sich mit einem Man­gel an (weißen) Babys beschäfti­gen, COVID-Wahrheitssuch­er und Batail­lone von „Geistkriegern“, die anscheinend einen neuen Reli­gion­sstil erfind­en, während sie die Demokratie in ihren Grund­festen unter­graben.

Ein Blick in die neue glo­riose Trump/­Musk-Welt gefäl­lig? Hier ent­lang 🙂

Wir bleiben auch in der übernäch­sten Folge am kom­menden Do, den 6. März bei  Kather­ine Stew­art.

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Mattiello am Mittwoch 25/9
Trump Dämmerung 54

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