Alea iac­ta est — Don­ald Trump wurde von amerikanis­chen Stimm­bürg­erin­nen und Stimm­bürg­ern eine zweite Amt­szeit zuge­sprochen, — und der birsfaelder.li-Schreiberling denkt sich wie wei­land Aster­ix und Obelix: Ils sont fous, ces Amer­i­cains …

Mit diesem Gefühl ste­ht er selb­stver­ständlich nicht allein. David Frum, Autor bei der renom­mierten Monat­szeitschrift “The Atlantic”, 1857 von Ralph Wal­do Emer­son mit­be­grün­det, schreibt:
Don­ald Trump hat gewon­nen und wird zum zweit­en Mal Präsi­dent wer­den. Diejeni­gen, die für ihn ges­timmt haben, wer­den nun ihren Sieg feiern. Der Rest von uns muss sich darauf vor­bere­it­en, in einem anderen Ameri­ka zu leben: einem Land, in dem Mil­lio­nen unser­er Mit­bürg­er für einen Präsi­den­ten ges­timmt haben, der wissentlich Hass und Spal­tung fördert; der lügt — offenkundig und scham­los — jedes Mal, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt; der ein Kom­plott geschmiedet hat, um eine Wahl im Jahr 2020 zu kip­pen, und der, hätte er nicht gewon­nen, geplant hätte, es 2024 erneut zu ver­suchen.
Vor allem aber müssen wir ler­nen, in einem Ameri­ka zu leben, in dem eine über­wälti­gende Zahl unser­er Mit­bürg­er einen Präsi­den­ten gewählt hat, der die grundle­gend­sten Werte und Tra­di­tio­nen unser­er Demokratie, unser­er Ver­fas­sung und sog­ar unseres Mil­itärs ver­achtet. In den let­zten zehn Jahren haben die Mei­n­ung­sum­fra­gen gezeigt, dass das Ver­trauen der Amerikan­er in ihre Insti­tu­tio­nen schwindet. Doch keine Mei­n­ung­sum­frage kon­nte diesen Werte­wan­del deut­lich­er machen als diese Wahl. Diese Wahl wird dazu führen, dass die Vere­inigten Staat­en ein anderes Land wer­den.

Das Edi­to­r­i­al Board der NYT — ein Zusam­men­schluss erfahren­er Jour­nal­is­ten — hält unter dem Titel “Ameri­ka trifft eine gefährliche Wahl” u.a. fest:
Zum jet­zi­gen Zeit­punkt kann es keine Illu­sio­nen darüber geben, wer Don­ald Trump ist und wie er zu regieren gedenkt. Er hat uns in sein­er ersten Amt­szeit und in den Jahren nach seinem Auss­chei­den aus dem Amt gezeigt, dass er keinen Respekt vor dem Gesetz hat, geschweige denn vor den Werten, Nor­men und Tra­di­tio­nen der Demokratie. Als er die Führung des mächtig­sten Staates der Welt über­nahm, ging es ihm offenkundig nur um das Streben nach Macht und die Aufrechter­hal­tung des Per­so­n­enkults, den er um sich selb­st aufge­baut hat. Diese nüchter­nen Ein­schätzun­gen sind zum Teil deshalb so bemerkenswert, weil sie nicht nur von seinen Kri­tik­ern, son­dern auch von den­jeni­gen geteilt wer­den, die am eng­sten mit ihm zusam­mengear­beit­et haben.

Und die SPIEGEL-Jour­nal­istin Julia Amalia Hey­er meint:
Die Amerikan­er haben zum zweit­en Mal einen Mann gewählt, der von sich sagt, er sei »die Vergel­tung«. Das Zitat lautet im Ganzen: »Ich bin euer Krieger, ich bin eure Gerechtigkeit. Und allen, denen Unrecht getan wurde und die bet­ro­gen wur­den, sage ich: Ich bin eure Vergel­tung.«

Der alttes­ta­mentlich anmu­tende Furor in diesem Satz ist kein Verse­hen und kein Aus­rutsch­er. Don­ald Trump war der Kan­di­dat, der von sich sagte, er führe eine schwarze Liste. Der all jenen, die nicht sein­er Mei­n­ung sind, offen dro­ht. Der sich vorstellen kann, das Mil­itär auf unbeugsame Bürg­er loszu­lassen. Er ist auch: ein vielfach verurteil­ter Krim­ineller, dem jede Menge sex­uelle Über­griffe vorge­wor­fen wer­den.
Die älteste Demokratie der Welt bekommt damit – zum zweit­en Mal – einen Mann an der Spitze, der die Gewal­tenteilung aushe­beln will. Sein ehe­ma­liger Stab­schef hat ihn vor Kurzem als Faschis­ten beze­ich­net.

Was man nicht weiß und was erst mal unerk­lär­lich scheint, ist, warum Trump wiedergewählt wurde. Trotz allem.

Das bleibt nach all den Analy­sen von Grün­den, an denen es wirk­lich nicht man­gelte, tat­säch­lich ein Rät­sel.

Ein Beitrag zu des Rät­sels Lösung kommt vielle­icht von dem amerikanis­chen Psy­cholo­gen Dan P. McAdams. Er hat sich in ein­er Rei­he von Büch­ern mit der Entwick­lung der men­schlichen Per­sön­lichkeit auseinan­derge­set­zt:

Sein neuestes 2020 erschienenes Buch heisst: The Strange Case of Don­ald Trump. A psy­cho­log­i­cal reck­on­ing. Eine Zusam­men­fas­sung der zen­tralen Aus­sagen darin find­en sich in dem im Feb­ru­ar 24 im New Lines Mag­a­zin erschiene­nen Artikel “The Mass Psy­chol­o­gy of Trump­ism”. Sie sind aus der Sicht des birsfaelder.li-Schreiberlings aus zwei Grün­den inter­es­sant:
In sein­er Analyse trifft er sich mit den Überzeu­gun­gen des inter­na­tion­al bekan­nten The­olo­gen Matthew Fox, der in der von Trump ange­führten MAGA-Bewe­gung antichristliche Züge find­et.
Der Buchti­tel weckt die Assozi­a­tion zum Buch “Die Massenpsy­cholo­gie des Faschis­mus” des Freud-Schülers Wil­helm Reich, der 1957 in einem US-Gefäng­nis starb.

Hier und in den bei­den näch­sten Fol­gen deshalb der inte­grale Artikel von Dan P. McAdams vom Feb­ru­ar 2024:

Die Amerikan­er sehen heute zwei wider­sprüch­liche Zukun­ftsszenar­ien auf sich zukom­men: In einem Szenario wird Don­ald Trump wegen schw­er­er Ver­brechen verurteilt und ins Gefäng­nis gesteckt. Im zweit­en kehrt er 2025 in das Präsi­den­te­namt zurück.

Die drin­gende Unsicher­heit in all dem kön­nte ein Grund dafür sein, dass Trump in den let­zten Wochen einige der aufrührerischsten Reden gehal­ten hat, die je von einem amerikanis­chen Präsi­dentschaft­skan­di­dat­en gehal­ten wur­den. Er hat die Hin­rich­tung des ehe­ma­li­gen Vor­sitzen­den der Joint Chiefs of Staff gefordert. Er fordert die Polizei nun auf, auf Ladendiebe zu schießen. Er hat damit begonnen, seine poli­tis­chen Geg­n­er als unter­men­schlich­es „Ungeziefer“ zu beze­ich­nen, das „aus­gerot­tet“ wer­den muss. Trump plap­pert das Dritte Reich nach und behauptet (in diesem Fall zweifel­los wahrheits­gemäß), er habe „Mein Kampf“ nie gele­sen. Er hat erk­lärt, dass Ein­wan­der­er aus Lateinameri­ka, Afri­ka und Asien „das Blut“ der Vere­inigten Staat­en „vergiften“.

Und den­noch steuert Trump auf eine dritte Nominierung für die Präsi­dentschaft­skan­di­datur der Repub­likan­er in Folge zu, und viele nationale Umfra­gen zeigen, dass er Joe Biden im Novem­ber schla­gen wird. Mit unheil­voller Vorah­nung war die gesamte Jan­u­ar/Feb­ru­ar-Aus­gabe des Mag­a­zins The Atlantic ein­er bedeut­samen Frage gewid­met: „Was wäre, wenn Trump gewin­nt?“ Jef­frey Gold­berg, der Her­aus­ge­ber des Mag­a­zins, charak­ter­isiert Trump als einen „anti­demokratis­chen Dem­a­gogen“, der „völ­lig ohne Anstand“ ist. Wenn Trump erneut gewin­nt, warnt Mark Lei­bovich, Autor von „Thank You for Your Servi­tude: Don­ald Trump’s Wash­ing­ton and the Price of Sub­mis­sion“ (2022), dann müssen wir Amerikan­er uns von der tröstlichen Vorstel­lung ver­ab­schieden, dass „das nicht zu uns passt“.

„Wer ist über­haupt ‘wir’?„, fragt Lei­bovich. ‚Denn es scheint, als würde ein Großteil dieses ‘wir’ weit­er­hin für Trump stim­men.“

Wie ist es möglich, dass ein zweimal angeklagter ehe­ma­liger Präsi­dent, der sich 91 Strafanzeigen gegenüber­sieht, nun für eine Rück­kehr ins Oval Office favorisiert wird? Warum schreck­en seine Anhänger nicht zurück, wenn Trump ver­spricht, als Präsi­dent ein autoritäres Regime zu ent­fes­seln und am ersten Tag die Rolle des Dik­ta­tors zu übernehmen? Was erk­lärt seine anhal­tende Anziehungskraft?

Fra­gen wie diese wer­den seit Don­ald Trumps poli­tis­chem Auf­stieg Anfang 2016 gestellt. Damals behauptete er vorauss­chauend, er könne jeman­den auf der Fifth Avenue in New York City erschießen und würde keine einzige Stimme ver­lieren. Seit­dem haben sich unzäh­lige Beobachter über die uner­schüt­ter­liche Macht gewun­dert, die er auf einen Großteil der amerikanis­chen Wäh­ler­schaft ausübt. Viele Fak­toren – wirtschaftliche, poli­tis­che, kul­turelle, psy­chol­o­gis­che – spie­len sicher­lich eine Rolle bei der Gestal­tung von Trumps anhal­tender Beziehung zu seinen Anhängern.

Mein Argu­ment, so selt­sam es auch klin­gen mag, ist, dass Trumps anhal­tende Anziehungskraft auf der Wahrnehmung – sein­er eige­nen und der ander­er – beruht, dass er keine Per­son ist. In den Köpfen von Mil­lio­nen ist Trump mehr als eine Per­son. Und er ist auch weniger als eine Per­son.

Fort­set­zung am kom­menden Don­ner­stag, den 14. Novem­ber

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