Matthew Fox ist einer der heute führenden christlichen Theologen und Mystiker. Er hat am Institut Catholique de Paris mit summa cum laude in Geschichte und Theologie der Spiritualität promoviert und widmet sich seit 45 Jahren der Entwicklung und Lehre der Tradition der Schöpfungsspiritualität, die in der alten jüdisch-christlichen Lehre verwurzelt ist und die heutige Wissenschaft und die spirituellen Traditionen der Welt einbezieht. (aus einer Kurzbiographie).
Der 84-jährige kann auf eine lange Reihe von erfolgreichen Publikationen zurückschauen. Eine Auswahl:
Man könnte meinen, dass er sich jetzt zur wohlverdienten Ruhe setzt, — aber weit gefehlt: Mit seinem neuesten Buch “Trump & and the MAGA movement as ANTI-CHRIST” stürzt er sich mitten in den Kampf um die Rettung der amerikanischen Demokratie.
Anti-Christ … tönt das nicht etwas gar reisserisch!? Eine grosse Mehrheit der Evangelikalen in den USA sieht in Trump ja ein von Gott auserwähltes Werkzeug mit dem Auftrag, die gottlosen Vereinigten Staaten wieder zu einer wahrhaft christlichen Nation zu machen. Und jetzt sollen Trump/MAGA das genaue Gegenteil sein!?
Hat Matthew Fox recht? Um diese Frage zu beantworten, gilt es zuerst einmal die Begriffe “Christ” und “Anti-Christ” zu klären. Genau damit beginnt der Autor auch sein Buch, wir wir noch sehen werden.
Auslöser für sein neues Projekt war der Besuch einer Kirche in Orvieto mit den berühmten Fresken von Luca Signorelli. Als Fox vor dessen Gemälde “Antichrist” stand, hatte er die Intuition: Trump und die MAGA-Bewegung sind Teil davon!
Man könnte lächelnd über diese Eingebung hinweggehen — was sind schon Intuitionen!? — wenn das Bild nicht eine andere berühmte Persönlichkeit, die Entscheidendes zum Verständnis der Komplexität der menschlichen Existenz beitrug, ebenfalls in seinen Bann geschlagen hätte: Sigmund Freud.
Freud besuchte Orvieto dreimal, das erste Mal 1897, kurz nach dem Tod seines Vaters. Er kehrte 1902 und 1907 zurück. Dass er die Stadt Wien tatsächlich dreimal verließ, um nach Orvieto zu reisen (eine Stadt mit heute nur 20.000 Einwohnern, obwohl sie im Mittelalter 30.000 Einwohner hatte), um die Gemälde eingehender zu studieren, wirft die Frage auf: „Warum sollte Freud das tun wollen?“
Seine Erfahrung der Kapelle mit den Fresken wurde als ‚Bombe‘ für Freuds Psyche bezeichnet, und einige haben angedeutet, dass seine Theorie der Psychoanalyse dort als Ergebnis geboren wurde. Freuds Briefe aus Orvieto von seiner ersten Reise enthalten den ersten Hinweis auf seine Theorie der Psyche, und mindestens ein Biograf sagt, dass der Schock, Gut und Böse, Eros und Thanatos, so lebendig auf den gegenüberliegenden Wänden der Kapelle dargestellt zu sehen, in ihm einen Aufruhr auslöste, aus dem seine gesamte Vision des Menschen hervorging. (…) Freuds Begegnung mit dem, was Weber „Signorellis Meisterwerk“ nennt, wurde zu „einer der bedeutendsten Pilgerfahrten seines Lebens“ und sollte „seine Arbeit tiefgreifend prägen“.
Es lohnt sich also durchaus, den Gedankengängen von Matthew Fox zu diesem Bild zu folgen. Genau das tun wir auch in der nächsten Folge am kommenden Donnerstag, den 3. Oktober.
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