2017, kurz nach dem Amts­an­tritt Trumps als ame­ri­ka­ni­scher Prä­si­dent, ver­öf­fent­lich­ten 37 Psych­ia­ter und Fach­ärz­te für psy­chi­sche Gesund­heit in den USA das Buch  “The Dan­ge­rous Case of Donald Trump”, in dem sie ihm jeg­li­che Befä­hi­gung, ein so ver­ant­wor­tungs­vol­les Amt aus­zu­üben, abspra­chen. Das Buch ver­ur­sach­te ziem­lich viel Wir­bel, doch dann mehr­ten sich Stim­men, die davor warn­ten, Fern­dia­gno­sen als Beur­tei­lungs­grund­la­ge sei­nes psy­chi­schen Zustands zu verwenden.

Aber immer wie­der mel­den sich Fach­leu­te aus der Psych­ia­trie und Psy­cho­lo­gie, die sich an einer Ana­ly­se des see­li­schen Innen­le­bens Trumps ver­su­chen. Dazu gehört auch Mary L. Trump, ihres Zei­chens die ein­zi­ge Nich­te von Donald Trump und eine sei­ner vehe­men­tes­ten Geg­ne­rin­nen. Bekannt wur­de sie v.a. mit ihrem 2020 erschie­nen Buch “Too much and never enough. How my fami­ly crea­ted the world’s most dan­ge­rous man”. Der Titel steht für die typisch ame­ri­ka­ni­sche Lust nach Über­zeich­nung, aber es lohnt sich ihr — sozu­sa­gen als einem abtrün­ni­gen “Clan-Mit­glied” mit fami­liä­rem Insi­der­wis­sen — den­noch zuzu­hö­ren. Der fol­gen­de Arti­kel “A black hole of need” (auf dt. viel­leicht am bes­ten mit “Ein Schwar­zes Loch der/von Bedürf­tig­keit” über­setzt) erschien vor weni­gen Tagen auf ihrem Blog. Aus­lö­ser war die reich­lich kin­di­sche Art Trumps, abseits jeg­li­cher Rea­li­tät mit den gros­sen Men­schen­mas­sen zu prah­len, die ihm zuju­beln. Hier eini­ge Auszüge:

Wie Sie wahr­schein­lich wis­sen, hat Donald die Grö­ße sei­ner Anhän­ger­schaft mit sei­ner Wahl­kraft, ja sogar mit sei­nem Wert als Mensch gleich­ge­setzt. Eben­so hat er jeden ver­un­glimpft, der sei­ner Mei­nung nach kei­ne gro­ßen Men­schen­men­gen anzie­hen kann — so wie er Prä­si­dent Biden vor­warf, dass er 2020 nicht in der Lage war, eine Rede zu hal­ten, obwohl wir uns mit­ten in einer glo­ba­len Pan­de­mie befan­den. Wir wis­sen, dass dies einer sei­ner größ­ten Vor­wür­fe gegen Prä­si­dent Biden war, bevor er anfing, Prä­si­dent Biden anzu­grei­fen, weil er drei Jah­re älter ist als er selbst. (…)

Er berief sich sogar auf den 6. Janu­ar und sag­te mit erns­ter Mie­ne, dass an die­sem Tag mehr Men­schen anwe­send waren … als bei der „I have a dream“-Rede von Mar­tin Luther King Jr. Las­sen wir für den Moment ein­mal außer Acht, wie belei­di­gend und beschä­mend es ist, dass er es wag­te, Mar­tin Luther Kings gera­de erst gehal­te­ne tief­grün­di­ge Rede über Eth­nie in Ame­ri­ka mit Donalds Auf­wie­ge­lung zu ver­glei­chen, und kon­zen­trie­ren wir uns auf eine Lüge, die so unge­heu­er­lich und leicht zu wider­le­gen ist, dass sie an Wahn­vor­stel­lun­gen grenzt — die Grö­ße der Menge. (…)

War­um also ist die Grö­ße der Men­schen­men­ge so wich­tig für Donald? Weil er glaubt, sie sei ein Maß­stab für den Wert einer Per­son? Nun, es stellt sich her­aus, es liegt dar­an, dass Donald über­haupt kei­nen Sinn für Selbst­wert hat. Ich habe ihn oft als ein schwar­zes Loch vol­ler Bedürf­nis­se beschrie­ben. Er muss stän­dig Kom­pli­men­te bekom­men. Er muss stän­dig beru­higt wer­den. Aber das Licht die­ser Kom­pli­men­te oder Zusi­che­run­gen wird sofort ein­ge­saugt und ver­schwin­det. Damit er gestützt wer­den kann, müss­te der Fluss kon­stant sein. Es ist nie genug. Und er braucht die­se exter­ne Unter­stüt­zung, weil er es selbst nicht kann.

Als Donald ein klei­nes Kind war, war sei­ne Mut­ter, mei­ne Groß­mutter, sehr krank. Als Donald zwei­ein­halb Jah­re alt war, hat­te er etwa ein Jahr lang kei­ne Haupt­be­zugs­per­son, weil sie ihm kör­per­lich und emo­tio­nal nicht zur Ver­fü­gung stand. Es gab nie­man­den, der die wich­ti­ge elter­li­che Für­sor­ge über­neh­men konn­te, die Kin­der in die­ser äußerst wich­ti­gen Ent­wick­lungs­pha­se brau­chen. Klein­kin­der müs­sen gese­hen wer­den, sie müs­sen besänf­tigt wer­den. Er bekam nichts davon, nicht nur, weil mei­ne Groß­mutter nicht für ihn da war, son­dern weil die Per­son, die sie ersetz­te, mein Groß­va­ter war, ein Sozio­path wie aus dem Lehr­buch. Mein Groß­va­ter hat­te abso­lut kein Inter­es­se dar­an, Kin­der zu erzie­hen. Er küm­mer­te sich um ande­re Men­schen, ein­schließ­lich sei­ner eige­nen Kin­der, nur in dem Maße, wie sie ihm von Nut­zen sein konn­ten. Unter die­sen Umstän­den wuchs Donald auf, was ihm, wie Sie sich vor­stel­len kön­nen, eini­ge ernst­haf­te Pro­ble­me berei­te­te. Er war nie in der Lage, sein eige­nes Selbst­wert­ge­fühl zu entwickeln,

Und um das zu über­ste­hen, ent­wi­ckel­te er eine sehr rigi­de Abwehr­hal­tung gegen die Welt — gegen sei­ne Ein­sam­keit, gegen die Tat­sa­che, dass es nie­man­den gab, der ihn trös­te­te. Mit der Zeit konn­te er die Auf­merk­sam­keit sei­nes Vaters nur noch durch Über­trei­bun­gen erlan­gen. Er muss­te der Bes­te, der Größ­te, der Klügs­te, der Stärks­te sein — was auch immer sein Vater von ihm verlangte.

Das Pro­blem für Donald war, dass er auf einer unbe­wuss­ten Ebe­ne wuss­te, dass nichts von dem, was er von sich gab, der Wahr­heit ent­sprach. Er wuss­te, dass nichts von dem, was er den Leu­ten über sich erzähl­te, stich­hal­tig war. Wenn er mit der Grö­ße sei­ner Anhän­ger­schaft prahlt, bei den Umfra­gen lügt und die Zah­len von Vize­prä­si­dent Har­ris unter­gräbt, dann des­halb, weil es in sei­ner Kind­heit nie­man­den gab, der sich um ihn küm­mer­te und ihm sag­te, dass er etwas wert sei. Und das ist eine Tra­gö­die. Wir soll­ten Mit­ge­fühl für die­ses Kind haben. Aber wir müs­sen akzep­tie­ren, dass die­ser Mann ein Mons­ter ist, das uns allen scha­den will. Den­ken Sie dar­an, dass die Grö­ße der Men­schen­men­ge völ­lig irrele­vant ist, es sei denn, Sie wol­len so ver­zwei­felt bewei­sen, dass Sie etwas bedeu­ten, dass Sie bereit sind, über sie zu lügen.

Mono­kau­sa­le Erklä­run­gen für mensch­li­ches Ver­hal­ten sind gefähr­lich. Kin­der aus zer­rüt­te­ten Fami­li­en haben sich manch­mal zu gesun­den Erwach­se­nen ent­wi­ckelt, und umge­kehrt. Aber als Mosa­ik­stein, der mit­hilft, Trumps oft kin­di­sches Ver­hal­ten zu ver­ste­hen, ist die Beob­ach­tung Mary L. Trumps alle­mal wertvoll.

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