Fort­set­zung des Arti­kels aus der NewYork Times vom 21. Juli:

V. Die Rechts­staat­lich­keit ist wichtig

Die Gefahr, die von die­sen grund­le­gen­den Män­geln aus­geht — von Moral und Cha­rak­ter, von prin­zi­pi­en­treu­er Füh­rung und rhe­to­ri­schen Exzes­sen — wird nie deut­li­cher als in Donald Trumps Miss­ach­tung der Rechts­staat­lich­keit, sei­ner Bereit­schaft, der Inte­gri­tät der ame­ri­ka­ni­schen Sys­te­me lang­fris­ti­gen Scha­den zuzu­fü­gen, um sich kurz­fris­tig per­sön­lich zu bereichern.

Wie wir bereits fest­ge­stellt haben, zeig­te sich Trumps Miss­ach­tung der Demo­kra­tie am deut­lichs­ten in sei­nen Ver­su­chen, die Ergeb­nis­se der Wah­len 2020 zu kip­pen und zur Gewalt zu ermu­ti­gen, um die fried­li­che Macht­über­ga­be zu ver­hin­dern. Was ihm im Weg stand, waren die vie­len patrio­ti­schen Ame­ri­ka­ner auf allen Regie­rungs­ebe­nen, die sei­ne Ver­su­che zurück­wie­sen, sie zu zwin­gen, sei­nen For­de­run­gen nach einer Ände­rung der Wahl­er­geb­nis­se nach­zu­kom­men. Statt­des­sen hiel­ten sie sich an die Regeln und befolg­ten das Gesetz. Die­ser Respekt vor der Rechts­staat­lich­keit und nicht vor der Herr­schaft der Men­schen hat es der ame­ri­ka­ni­schen Demo­kra­tie ermög­licht, seit mehr als 200 Jah­ren zu überleben.

In den vier Jah­ren seit sei­ner Wahl­nie­der­la­ge ist Donald Trump nur noch ent­schlos­se­ner gewor­den, die Rechts­staat­lich­keit zu unter­gra­ben, weil sei­ne gan­ze Theo­rie des Trum­pis­mus dar­auf hin­aus­läuft, ohne Kon­se­quen­zen zu tun, was er will. Die Ame­ri­ka­ner sehen dies, wäh­rend Donald Trump ver­sucht, zahl­rei­che Straf­an­zei­gen abzu­weh­ren. Er begnügt sich nicht damit, sich im Rah­men des Geset­zes zu ver­tei­di­gen, son­dern wen­det sich statt­des­sen an wohl­wol­len­de Rich­ter — dar­un­ter zwei Rich­ter des Obers­ten Gerichts­hofs mit offen­sicht­li­chen Kon­flik­ten im Zusam­men­hang mit den Wah­len 2020 und dem Rechts­streit um den 6. Janu­ar. Der Plan: Die Straf­ver­fol­gung auf Bun­des­ebe­ne so lan­ge hin­aus­zö­gern, bis er die Wahl gewin­nen und die Rechts­fäl­le been­den kann. Sei­ne Visi­on einer Regie­rung ist eine, die tut, was er will, und nicht eine Regie­rung, die gemäß der Rechts­staat­lich­keit arbei­tet, wie sie von der Ver­fas­sung, den Gerich­ten und dem Kon­gress vor­ge­schrie­ben ist.

So gespal­ten Ame­ri­ka auch ist, die Men­schen quer durch das poli­ti­sche Spek­trum schre­cken im All­ge­mei­nen vor mani­pu­lier­ten Regeln, Günst­lings­wirt­schaft, Selbst­be­trug und Macht­miss­brauch zurück. Unser Land ist auch des­halb so lan­ge so sta­bil geblie­ben, weil die meis­ten Ame­ri­ka­ner und die meis­ten ame­ri­ka­ni­schen Poli­ti­ker die Regeln befol­gen oder die Kon­se­quen­zen tra­gen müssen.

In den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten wur­den die­se Nor­men in unse­rer Gesell­schaft auf die Pro­be gestellt — die Inva­si­on des Irak unter fal­schem Vor­wand, die Feh­ler, die zur Finanz­kri­se 2008 und der dar­auf fol­gen­den Rezes­si­on führ­ten, die Pan­de­mie und all die Brü­che und Unge­rech­tig­kei­ten, die sie zuta­ge brach­te. Wir brau­chen eine Rück­be­sin­nung auf die Rechts­staat­lich­keit und die Wer­te des Fair Play. Die­se Wahl ist ein Moment, in dem die Ame­ri­ka­ner ent­schei­den müs­sen, ob wir die­se Idea­le wei­ter­hin anstre­ben wollen.

Mr. Trump lehnt sie ab. Wenn er wie­der­ge­wählt wird, steht Ame­ri­ka vor einer neu­en und unsi­che­ren Zukunft, auf die es mög­li­cher­wei­se nicht vor­be­rei­tet ist. Es ist eine Zukunft, in der die Geheim­diens­te nicht danach beur­teilt wer­den, ob sie die natio­na­le Sicher­heit bewah­ren, son­dern danach, ob sie der poli­ti­schen Agen­da von Donald Trump die­nen. Es bedeu­tet, dass Staats­an­wäl­te und Straf­ver­fol­gungs­be­am­te nicht danach beur­teilt wer­den, ob sie das Gesetz befol­gen, um die Sicher­heit der Ame­ri­ka­ner zu gewähr­leis­ten, son­dern danach, ob sie sei­nen For­de­run­gen nach einer “Ver­fol­gung” poli­ti­scher Fein­de nach­kom­men. Das bedeu­tet, dass Staats­be­diens­te­te nicht nach ihrem Enga­ge­ment oder ihren Fähig­kei­ten beur­teilt wer­den, son­dern danach, ob sie ihm und sei­ner MAGA-Agen­da gegen­über aus­rei­chend loy­al sind.

Selbst wenn die vage poli­ti­sche Agen­da von Donald Trump nicht erfüllt wür­de, könn­te er durch Angst regie­ren. Die Lek­ti­on ande­rer Län­der zeigt, dass die bes­ten Staats­be­diens­te­ten die Flucht ergrei­fen, wenn eine Büro­kra­tie poli­ti­siert oder unter Druck gesetzt wird.

Dies ist bereits in Trumps Repu­bli­ka­ni­scher Par­tei gesche­hen, wo prin­zi­pi­en­treue Füh­rungs­kräf­te und Beam­te in den Ruhe­stand gehen, kün­di­gen oder mit ihrer Abset­zung rech­nen müs­sen. In einer zwei­ten Amts­zeit will er das mit der gesam­ten Regie­rung machen.

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Der Wahl­tag ist weni­ger als vier Mona­te ent­fernt. Die Argu­men­te gegen Donald Trump sind umfang­reich, und die­ser Aus­schuss for­dert die Ame­ri­ka­ner auf, in einem Wahl­jahr einen ein­fa­chen Akt der Bür­ger­pflicht zu erfül­len: Hören Sie zu, was Donald Trump sagt, ach­ten Sie dar­auf, was er als Prä­si­dent getan hat, und machen Sie sich ein Bild von dem, was er ver­spro­chen hat, wenn er wie­der ins Amt kommt.

Wäh­ler, die von Infla­ti­on und Ein­wan­de­rung frus­triert sind oder von der Kraft von Herrn Trumps Per­sön­lich­keit ange­zo­gen wer­den, soll­ten inne­hal­ten und sei­ne Wor­te und Ver­spre­chen zur Kennt­nis neh­men. Sie haben wenig mit Ein­heit und Hei­lung zu tun und viel damit, die Spal­tun­gen und den Ärger in unse­rer Gesell­schaft noch grö­ßer und inten­si­ver zu machen, als sie ohne­hin schon sind.

Die Repu­bli­ka­ni­sche Par­tei hat ihre Wahl getrof­fen; bald wer­den alle Ame­ri­ka­ner in der Lage sein, ihre eige­ne Wahl zu tref­fen. Was wür­de Mr. Trump in einer zwei­ten Amts­zeit tun? Er hat den Ame­ri­ka­nern gesagt, wer er ist, und ihnen gezeigt, wel­che Art von Füh­rer er sein würde.

Wenn jemand bei so vie­len grund­le­gen­den Tests ver­sagt, soll­te man ihm nicht den wich­tigs­ten Job der Welt geben.

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