Fort­set­zung des Arti­kels aus der NewYork Times vom 21. Juli:

III. Der Cha­rak­ter ist wichtig

Cha­rak­ter ist die Eigen­schaft, die einer Füh­rungs­per­sön­lich­keit Glaub­wür­dig­keit, Auto­ri­tät und Ein­fluss ver­leiht. Wäh­rend des Wahl­kampfs 2016 lie­ßen Trumps klein­li­che Angrif­fe auf sei­ne Geg­ner und deren Fami­li­en vie­le Repu­bli­ka­ner zu dem Schluss kom­men, dass es ihm an einem sol­chen Cha­rak­ter fehlt. Ande­re Repu­bli­ka­ner, dar­un­ter auch die­je­ni­gen, die die Poli­tik des ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten im Amt unter­stützt haben, sagen, dass sie ihn nicht mehr guten Gewis­sens für das Prä­si­den­ten­amt unter­stüt­zen kön­nen. “Es ist ein Job, der einen Cha­rak­ter erfor­dert, den er ein­fach nicht hat”, sag­te Paul Ryan, ein ehe­ma­li­ger repu­bli­ka­ni­scher Spre­cher des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses, im Mai über Donald Trump.

Die­je­ni­gen, die Donald Trumps Cha­rak­ter am bes­ten ken­nen — die Per­so­nen, die er für die wich­tigs­ten Posi­tio­nen im Wei­ßen Haus ernannt hat — haben ernst­haf­te Zwei­fel an sei­ner Eig­nung für das Amt geäußert.

Sein ehe­ma­li­ger Stabs­chef John Kel­ly, ein pen­sio­nier­ter Vier-Ster­ne-Gene­ral des Mari­ne Corps, beschrieb Donald Trump als “eine Per­son, die Auto­kra­ten und mör­de­ri­sche Dik­ta­to­ren bewun­dert. Eine Per­son, die nichts als Ver­ach­tung für unse­re demo­kra­ti­schen Insti­tu­tio­nen, unse­re Ver­fas­sung und die Rechts­staat­lich­keit übrig hat”. Bill Barr, den Trump zum Gene­ral­staats­an­walt ernannt hat, sag­te über ihn: “Er wird immer sein eige­nes Inter­es­se und die Befrie­di­gung sei­nes eige­nen Egos über alles ande­re stel­len, auch über das Inter­es­se des Lan­des.” James Mat­tis, ein pen­sio­nier­ter Vier-Ster­ne-Mari­n­ege­ne­ral, der als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter dien­te, sag­te: “Donald Trump ist der ers­te Prä­si­dent in mei­nem Leben, der nicht ver­sucht, das ame­ri­ka­ni­sche Volk zu ver­ei­nen — er gibt nicht ein­mal vor, es zu versuchen.”

Mike Pence, Trumps Vize­prä­si­dent, hat ihn des­avou­iert. Kein ande­rer Vize­prä­si­dent in der moder­nen ame­ri­ka­ni­schen Geschich­te hat dies getan. “Ich glau­be, dass jeder, der sich selbst über die Ver­fas­sung stellt, nie­mals Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten sein soll­te”, sag­te Pence. “Und jeder, der jemand ande­ren gebe­ten hat, sich über die Ver­fas­sung zu stel­len, soll­te nie wie­der Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten werden.”

Dies sind kaum Aus­nah­men. In jeder ande­ren ame­ri­ka­ni­schen Regie­rung ist ein ein­zel­ner Abgang auf Kabi­netts­ebe­ne sel­ten. Aber eine noch nie dage­we­se­ne Anzahl von Trumps Mit­ar­bei­tern haben öffent­lich sei­ne Füh­rung kri­ti­siert, sich sei­ner Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur 2024 wider­setzt oder sind Fra­gen über sei­ne Eig­nung für eine zwei­te Amts­zeit aus­ge­wi­chen. Mehr als ein Dut­zend sei­ner rang­höchs­ten Mit­ar­bei­ter — die­je­ni­gen, die er aus­ge­wählt hat, um mit ihm zusam­men­zu­ar­bei­ten, und die sei­ne Leis­tun­gen am genau­es­ten beob­ach­ten konn­ten — haben sich gegen ihn aus­ge­spro­chen und bezeu­gen damit, was für eine Art von Füh­rungs­kraft er ist.

Es gibt vie­le Mög­lich­kei­ten, den Cha­rak­ter einer Füh­rungs­per­sön­lich­keit zu beur­tei­len; eine davon ist, ob sie die Ver­ant­wor­tung für ihre Hand­lun­gen über­nimmt. In der Regel ver­ab­scheut Donald Trump die Ver­ant­wor­tung. Wenn er ver­liert, ist die Wahl gefälscht. Wenn er ver­ur­teilt wird, dann nur, weil die Rich­ter es auf ihn abge­se­hen haben. Wenn er sich bei einer Eini­gung nicht durch­set­zen kann, wie es in sei­ner Amts­zeit mehr­fach mit dem Kon­gress geschah, legt er die Regie­rung lahm oder droht damit.

Die Ame­ri­ka­ner erwar­ten nicht, dass ihre Prä­si­den­ten per­fekt sind; vie­le von ihnen haben Hybris, Selbst­ge­fäl­lig­keit, Arro­ganz und ande­re cha­rak­ter­li­che Schwä­chen an den Tag gelegt. Aber das ame­ri­ka­ni­sche Regie­rungs­sys­tem besteht aus mehr als nur dem Prä­si­den­ten: Es ist ein Sys­tem der gegen­sei­ti­gen Kon­trol­le und ver­lässt sich dar­auf, dass jeder in der Regie­rung ein­greift, wenn die per­sön­li­chen Schwä­chen eines Prä­si­den­ten das Gemein­wohl gefähr­den könnten.

Donald Trump hat die­se Gren­zen als Prä­si­dent getes­tet, und in den vier Jah­ren, seit er die Wie­der­wahl ver­lo­ren hat, hat sich wenig an ihm geän­dert. Er ver­sucht, jeden ein­zu­schüch­tern, der die Frech­heit besitzt, als Zeu­ge gegen ihn aus­zu­sa­gen. Er greift die Inte­gri­tät von Rich­tern an, die ihre Pflicht tun, um ihn vor dem Gesetz zur Rechen­schaft zu zie­hen. Er ver­spot­tet die­je­ni­gen, die er nicht mag, lügt über die­je­ni­gen, die sich ihm wider­set­zen, und zielt auf Repu­bli­ka­ner, die er besie­gen will, wenn sie nicht in die Knie gehen.

Es mag für die Ame­ri­ka­ner ver­lo­ckend sein, zu glau­ben, dass eine zwei­te Trump-Prä­si­dent­schaft ähn­lich ver­lau­fen wür­de wie die ers­te, mit dem Rest der Regie­rung, der gestählt ist, um das Land zu schüt­zen und sei­nen schlimms­ten Impul­sen zu wider­ste­hen. Aber ein star­ker Mann braucht ande­re, die schwach sind, und Donald Trump umgibt sich mit Ja-Sagern.

Die ame­ri­ka­ni­sche Öffent­lich­keit hat das Recht, von ihrem Prä­si­den­ten und den­je­ni­gen, die ihm unter­stellt sind, mehr zu verlangen.

V. Auf die Wor­te eines Prä­si­den­ten kommt es an

Als Ame­ri­ka im Jahr 2017 sah, wie wei­ße Natio­na­lis­ten und Neo­na­zis durch die Stra­ßen von Char­lot­tes­ville (USA) mar­schier­ten und Akti­vis­ten gegen Ras­sis­mus demons­trier­ten, sprach Donald Trump von “sehr guten Men­schen auf bei­den Sei­ten”. Als er wäh­rend einer Debat­te im Jahr 2020 auf die “White Supre­macist Proud Boys” ange­spro­chen wur­de, for­der­te Trump sie auf, “zurück­zu­tre­ten und sich bereit­zu­hal­ten” — eine Auf­for­de­rung, die sie wört­lich nah­men, als sie beschlos­sen, den Kon­gress zu stür­men. In die­sem Win­ter for­der­te der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent die Ein­woh­ner von Iowa auf, für ihn zu stim­men und einen Sieg über ihre ame­ri­ka­ni­schen Mit­bür­ger zu errin­gen — “all die Lüg­ner, Betrü­ger, Schlä­ger, Per­ver­sen, Betrü­ger, Gau­ner, Freaks und Wider­lin­ge”. Und in einer Rede zum Tag der Vete­ra­nen in New Hamp­shire benutz­te er das Wort “Unge­zie­fer”, ein Begriff, mit dem er sowohl Ein­wan­de­rer als auch poli­ti­sche Geg­ner bezeichnete.

Was ein Prä­si­dent sagt, wirft ein Licht auf die Ver­ei­nig­ten Staa­ten und die Art von Gesell­schaft, die wir anstreben.

Im Jahr 2022 schlug die­ses Gre­mi­um ein­dring­lich Alarm über die zuneh­men­de Bedro­hung durch poli­ti­sche Gewalt in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und dar­über, was die Ame­ri­ka­ner tun kön­nen, um sie zu stop­pen. Zu die­ser Zeit berei­te­te sich Donald Trump dar­auf vor, sei­ne Absicht zu erklä­ren, erneut für das Prä­si­den­ten­amt zu kan­di­die­ren, und die Repu­bli­ka­ni­sche Par­tei befand sich mit­ten in einem Kampf um die Kon­trol­le zwi­schen Trump-Anhän­gern und den­je­ni­gen, die bereit waren, sich von sei­ner destruk­ti­ven Füh­rung zu lösen. Die­ser Kampf inner­halb der Par­tei hat Fol­gen für alle Ame­ri­ka­ner. “Eine gesun­de Demo­kra­tie setzt vor­aus, dass sich bei­de poli­ti­schen Par­tei­en unein­ge­schränkt zur Rechts­staat­lich­keit beken­nen und Gewalt oder gewalt­tä­ti­ge Äuße­run­gen nicht unter­stüt­zen oder auch nur still­schwei­gend för­dern”, schrie­ben wir.

Eine gro­ße Frak­ti­on einer Par­tei in unse­rem Land ver­sagt bei die­sem Test, und die­se Frak­ti­on, die MAGA-Extre­mis­ten von Donald Trump, kon­trol­liert nun die Par­tei und ihre Macht­he­bel. Es gibt vie­le Grün­de, war­um sei­ne Erobe­rung der Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei schlecht für die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie ist, aber einer der wich­tigs­ten ist, dass die­se Extre­mis­ten oft gewalt­tä­ti­ge Reden oder den Glau­ben an die Anwen­dung von Gewalt zur Errei­chung ihrer poli­ti­schen Zie­le ange­nom­men haben. Die­se Über­zeu­gung hat zu dem Anschlag auf das Kapi­tol am 6. Janu­ar geführt, und sie hat zu einer stei­gen­den Zahl von Dro­hun­gen gegen Rich­ter, gewähl­te Beam­te und Staats­an­wäl­te geführt.

Die­se Dro­hun­gen sind nicht zu tren­nen von Trumps Sprach­ge­brauch, der zu Gewalt auf­ruft, Men­schen­grup­pen ent­mensch­licht und Lügen ver­brei­tet. Eine Stu­die von For­schern der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia, Davis, die im Okto­ber 2022 ver­öf­fent­licht wur­de, kam zu dem Schluss, dass MAGA-Repu­bli­ka­ner (im Gegen­satz zu den­je­ni­gen, die sich als tra­di­tio­nel­le Repu­bli­ka­ner iden­ti­fi­zie­ren) “mit grö­ße­rer Wahr­schein­lich­keit extre­me und ras­sis­ti­sche Über­zeu­gun­gen ver­tre­ten, poli­ti­sche Gewalt gut­hei­ßen, sol­che Gewalt für wahr­schein­lich hal­ten und vor­her­sa­gen, dass sie unter Umstän­den, in denen sie poli­ti­sche Gewalt für gerecht­fer­tigt hal­ten, bewaff­net sein werden.”

Die Repu­bli­ka­ni­sche Par­tei hat­te die Mög­lich­keit, dem Trum­pis­mus abzu­schwö­ren; sie hat sich ihm unter­wor­fen. Die Füh­rer der Repu­bli­ka­ner hat­ten vie­le Gele­gen­hei­ten, sei­ne gewalt­tä­ti­gen Äuße­run­gen zurück­zu­wei­sen und klar­zu­stel­len, dass sie im poli­ti­schen Leben kei­nen Platz haben soll­ten; sie haben es nicht getan. Eine beträcht­li­che Anzahl von Wäh­lern in den repu­bli­ka­ni­schen Vor­wah­len hat Donald Trump zuguns­ten ande­rer Kan­di­da­ten auf­ge­ge­ben, und unab­hän­gi­ge und unent­schlos­se­ne Wäh­ler haben erklärt, dass Donald Trumps Spra­che sie von sei­ner Kan­di­da­tur ent­frem­det hat.

Aber da sei­ne Nomi­nie­rung durch sei­ne Par­tei so gut wie sicher ist, (sie ist inzwi­schen erfolgt), ist Trump noch rück­sichts­lo­ser gewor­den, indem er sich extre­mer und gewalt­tä­ti­ger Äuße­run­gen bedient, wie z. B. sei­ner Anspie­lung auf die Hin­rich­tung von Gene­rä­len, die Fra­gen zu sei­nem Han­deln auf­wer­fen. Er hat vor dem Obers­ten Gerichts­hof argu­men­tiert, dass er das Recht haben soll­te, einen poli­ti­schen Riva­len zu ermor­den, ohne mit Kon­se­quen­zen rech­nen zu müssen.

Hier geht’s zur Fortsetzung.

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