
Alle wollen die Schweiz nach ihren Vorstellungen gestalten. Möglichst still und leise. Aber wenn es nicht anders geht laut und schrill, mit Drohungen. Die Rede ist von den Wirtschaftsverbänden, den Bauernverbänden, den Patriotinnen und Patrioten, von politischen Gruppierungen bis zu gestandenen Parteien.
Ich wage hier einen Versuch, die Gefahren zu skizzieren.
Einstiegsthema für die ersten Folgen: Wie Faschismus beginnt.
Jason Stanley beschreibt in seinem Buch »Wie Faschismus funktioniert« (Westend Verlag) zehn Merkmale des Faschismus. So quasi ein Merkblatt, mit dem man Faschismus eruieren könnte. Ich gehe die einzelnen Punkte in den noch folgenden Artikeln mit Beispielen durch. Nicht jeder dieser Punkte führt zu Faschismus, aber all diese Punkte »auf einem Haufen«, z.B. bei einer Bewegung oder Partei, ist möglicherweise der Beginn von Faschismus.
Neuntens: Der Faschismus hasst die Städte.
Es sind Orte der Dekadenz, der Eliten, der Einwanderer, der Kriminalität.
Beispiele
Stadt-Land-Graben anheizen, gegen Sozialhilfeempfänger und IV-Betrüger, Migration, …
Die Städte Sodom und Gomorrha sind Gegenstand einer Erzählung im Tanach, Bezeichnungen für die Hebräische Bibel. In Gen 18 + 19 EU werden die Städte von Gott unter einem Regen aus Feuer und Schwefel begraben, weil sie der Sünde anheimgefallen waren.
Im Koran wird nicht die Stadt Sodom, sondern nur das „Volk des Lot“ erwähnt. Mit der Geschichte um den Propheten Lot wird das Verbot von Homosexualität im Islam begründet.
Städte hassen
• Marco Chiesa, der damalige SVP-Präsident, polemisierte gegen die Städte in einem Text zum ersten August.
Die NZZ dazu in einem Kommentar: »Die SVP-Polemik gegen die Städte ist gewagt – wer Gemeinden finden will, die wirklich am Tropf hängen, muss auf dem Land suchen, in den Hochburgen der Volkspartei.
Die SVP wirft den Städten vor, auf Kosten der ländlichen Regionen ein Luxusleben zu führen. Über die Zentrumslasten lässt sich streiten. Doch eine Auswertung der Bundestransfers und des Finanzausgleichs zeigt: Die grössten Bezüger sind auf dem Land zu suchen, vorab in Graubünden, im Jura und in Uri.
“Schmarotzer”: Der Duden rät, das Wort wegen dessen Karriere unter den Nazis nicht unüberlegt zu gebrauchen. Was sich der SVP-Präsident Marco Chiesa genau überlegt hat, ist nicht bekannt, jedenfalls hat er das Kunststück geschafft, das Wort in seiner 1.-August-Brandrede gegen die Schweizer Städte in vier Sätzen sechsmal unterzubringen. Chiesa beteuert indes, er habe nicht die Städter gemeint, sondern die Politik der Städte.«
Aus der Chiesa Rede:
»Ich muss es so klar sagen: Die Politik der linken Städte ist Schmarotzer-Politik. Sie sind Weltmeister darin, das Geld auszugeben, das andere verdient haben. Sie setzen sich für Sozialschmarotzer ein und hofieren die Schweiz-Schmarotzer, die massenhaft in unser Land strömen.
Die SVP will keine Sozialschmarotzer und keine Schweiz-Schmarotzer – sie will überhaupt keine Schmarotzer.«
Dabei hat er wohl übersehen, was die Landregionen aus dem Ressourcenausgleich, finanziert von Bund und Kantonen bekommen, z.B. 2025 pro Kopf der Bevölkerung:

Und wenn wir schon am Stadt-Land-Graben rütteln:
Bund und Kantone bezahlen der Landwirtschaft rund 3 Milliarden. Berechnet man alle »Nebenkosten/Folgekosten« wie avenir suisse, dann kommt man allerdings auf rund 20 Milliarden.
Wie ist das nun mit den »Stadtschmarotzern«? Wer bezahlt wen?
• Betrachtet man das Städtebashing der SVP etwas genauer, sieht man in der Broschüre »Die Schmarotzer-Politik der links-grünen Städte« wohl sämtliche Vorurteile bestätigt. Ein paar Beispiele:
»Neun der zehn grössten Schweizer Städte haben eine linke Regierung.
Die Landbewohner schufteten also immer schon für die Städter.
Ein Gewerbetreibender in der Waadt steht seinen Berufskollegen in der Deutschschweiz oder im Tessin weltanschaulich und politisch viel näher als der verbeamtete Cüpli-Sozialist in der Stadt Lausanne.
Alle grossen Schweizer Städte sind mittlerweile stabil links.
«Urban, divers, kosmopolitisch, individualistisch – links ist für viele heute vor allem eine Lifestylefrage»
«Lifestyle-Linke treiben die Gesellschaft auseinander.»
Gegenteil einer offenen und lebendigen, demokratischen Debatte.
Die wirklichen Probleme der Menschen rücken in den städtischen Blasen immer mehr in den Hintergrund.
Auf dem Weg in die links-grüne Ökodiktatur: Das Beispiel der Klima- und Energiestrategie der Stadt Luzern
Die links-grüne Kampfansage an den motorisierten Individualverkehr.
Die verschwiegene Umverteilung: Städter zocken Landbevölkerung ab.«
Usw.
• Dass in vielen Schweizer Städten sehr viele Menschen keine (Bundes)steuern bezahlen, hat auch etwas mit der Landbevölkerung zu tun. Wer zu arm ist, um Steuern zu bezahlen, wandert sehr oft vom Land in die Stadt ab. »Auf dem Dorfe« sind Arme, Einkommenlose sehr schnell geächtet.
• Nein, es ist nicht nur die SVP, die sich derart äussert. Auch Parteien von FDP über EVP und EDU bis Mitte schwenken immer mehr auf die rechte Linie (nicht die richtige) ein.
Dazu aus einem Leitartikel von Daria Wild (WOZ Nr. 42 – 17. Oktober 2024):
»Vom Auspacken der Peitsche
‘Jede Ordnung’, sagte Walter Benjamin einst, sei ’nichts als ein Schwebezustand überm Abgrund’.
Tatsächlich wirken sie abgründig, die tausend kleinen Ordnungstheater, die hierzulande gerade aufgeführt werden: Man soll wieder richtig leiden in der Schule, den Finanzhaushalt wieder richtig straffen, Geschlechter wieder richtig einsortieren, auf dem Fussballplatz wieder richtig attackieren (es fehle das Feuer, findet Valon Behrami); man soll Landschaften wieder richtig zubauen, Mieter:innen wieder richtig an die Kandare nehmen, Menschen wieder richtig ausschaffen. Tausend kleine Ordnungstheater, eine pausenlose Darbietung sinnloser Strenge – im Asylwesen, in der Bildungs‑, Wohn‑, Sozial- und Finanzpolitik.
Da ist die Ausschaffung zweier Afghanen nach Kabul – Motto: ‘Was Deutschland kann, kann die Schweiz auch’. Die Abschiebungen aus dem Nachbarland hätten bei uns ‘Begehrlichkeiten geweckt’, hiess es im Blick, Stolz schwang mit in den Berichten über diesen Verwaltungsakt zur Aussortierung von Menschen, über die man nichts weiss, ausser dass sie ’schwer kriminell’ seien, eine ‘Gefahr für die innere Sicherheit’, wie der soeben zum Direktor des Staatssekretariats für Migration ernannte Vincenzo Mascioli sagte. ‘So schnell wie möglich’ sollen ihnen weitere folgen. Ordnung, Härte, Disziplin.« … »Man kann es als Hinweis sehen auf die Angst vor der Disziplinlosigkeit, den Rissen in den eigenen Reihen. Man kann es auch als Erinnerung nehmen: an die Bedeutsamkeit der Unordnung, an die Möglichkeiten im Schwebezustand.
Die rechten Kräfte erweitern ihren Radius, aber sie vergrössern damit auch die Angriffsfläche: Wo Pferde dressiert werden, kann man auch welche stehlen.«
• Jason Stanley stellt fest:
»Die faschistische Ideologie lehnt Pluralismus und Toleranz ab. Ihr zufolge haben alle Mitglieder der auserwählten Nation genau eine Religion und Lebensweise und üben sich in einer Reihe von Bräuchen, die nur ihnen zu eigen sind. Die Diversität und die damit einhergehende Toleranz im Umgang mit kulturellen Differenzen in den Grossstädten stellen somit eine Gefahr für ihre Politik dar. Der Faschismus richtet sich gegen Finanzeliten, “Kosmopoliten”, Liberale sowie religiöse, ethnische und sexuelle Minderheiten. In vielen Ländern handelt es sich hierbei um typisch urbane Bevölkerungsgruppen. Aus diesem Grund bieten sich Städte hervorragend als Platzhalter für die klassischen Feinde der faschistischen Politik an.«
• Und da wir ja immer aus der Geschichte lernen sollen (— und manchmal sogar auch wollen), Benito Mussolini:
»Von einem bestimmten Punkt an beginnt die Stadt auf eine kranke, pathologische Weise zu wachsen, und zwar nicht durch eigene Ressourcen, sondern durch externe Unterstützung. Die zunehmende Unfruchtbarkeit der Bürger steht in direktem Zusammenhang mit dem schnellen und monströsen Wachstum der Städte. Die Metropole breitet sich aus und zieht die Bevölkerung vom Lande an, die, sobald sie urbanisiert ist, genauso steril wird wie die bereits dort lebende Bevölkerung. Die Stadt stirbt, die Nation besteht nun aus alten und degenerierten Menschen, die sich nicht gegen ein jüngeres Volk verteidigen können, das die nun unbewachten Grenzen angreift.«
• Noch einmal Jason Stanley:
»Gemäß der faschistischen Politik kann die Faulheit der Minderheiten in den Städten nur dadurch geheilt werden. dass man sie zur Tätigkeit zwingt. In der Nazi-Ideologie kam harter Arbeit eine bemerkenswerte Macht zu: Sie vermochte es, eine von Natur aus faule ‘Rasse’ zu läutern.«

