Es konn­te nicht aus­blei­ben, dass die Ansich­ten Weils über Chris­tus und sei­ne Gegen­wart auch in ver­schie­dens­ter “nicht-christ­li­cher Ver­hül­lung” auf Wider­spruch und schar­fe Kri­tik sties­sen. So meint etwa der öster­rei­chi­sche Phi­lo­soph Peter Stras­ser, sie wür­den in einen dif­fe­renz­lo­sen reli­giö­sen Plu­ra­lis­mus enden: “Was ist das für ein Glau­be, der von Pro­me­theus über Schnee­witt­chen bis zum Tao reicht? Die rich­ti­ge Ant­wort lau­tet, dass es gar kein Glau­be ist und dass Weils mons­trö­ser Sym­bol­mix­tur kei­ne Glau­bens­pra­xis ent­spre­chen kann.”

Rei­ner Wim­mer, Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Tübin­gen, setzt die­ser Ansicht in sei­nem Buch “Simo­ne Weil, Inter­kul­tu­rell gele­sen” in Bezug auf reli­giö­se Sym­bo­le und Prak­ti­ken ent­ge­gen: “Sie sol­len auf “etwas” ver­wei­sen, und trotz ihrer Unter­schied­heit von­ein­an­der sol­len sie sogar auf “das­sel­be” ver­wei­sen. Die Fra­ge ist: auf wel­ches Etwas, das in allen Ver­wei­sen zudem Das­sel­be sein soll? … Das­sel­be mag im Juden­tum und ich Chris­ten­tum Ver­schie­de­nes bedeu­ten — es ist dann bedeu­tungs­mäs­sig nicht mehr Das­sel­be. Ande­rer­seits kann in ein und dem­sel­ben reli­giö­sen Ver­ste­hens­ho­ri­zont Unter­schied­li­ches “das­sel­be” bedeu­ten — dies ist der Fall bei Simo­ne Weils Lis­te.

Anders gesagt: Simo­ne spür­te, dass Kirche(n) nicht die gan­ze christ­li­che Wahr­heit ver­kör­pern und nicht aner­ken­nen wür­den, “was sich an reli­gi­ös Wah­rem, ja eigent­lich und wesent­lich Christ­li­chem in ande­ren Reli­gio­nen und Kul­tu­ren finde.”

Die­se Tat­sa­che wur­de mir vor vie­len Jah­ren deut­lich vor Augen geführt, als ich im Rah­men von INCOMINDIOS inten­si­ve Kon­tak­te mit nord­ame­ri­ka­ni­schen indi­ge­nen Dele­ga­tio­nen hat­te, die regel­mäs­sig nach Genf reis­ten, um bei der Men­schen­rechts­ko­mis­si­on der UNO Hil­fe für ihren Kampf um Land­rech­te und kul­tu­rel­le Auto­no­mie zu erbit­ten. Beson­ders ein­drück­lich in Erin­ne­rung geblie­ben ist mir die Begeg­nung mit den Hau­deno­saunee, von den Fran­zo­sen Iroquois/Irokesen genannt. Die Dele­ga­ti­on, ange­führt von dem inzwi­schen 90-jäh­ri­gen “Faith­kee­per” des Sene­ca-Turt­le-Clans Oren Lyons, reis­te jeweils nicht mit USA-Päs­sen, son­dern mit ihren eige­nen Päs­sen in die Schweiz ein.

Eige­ne Päs­se!? — Ja, durch­aus, denn ihr vor Jahr­hun­der­ten geschaf­fe­nes Bünd­nis zwi­schen fünf Natio­nen (spä­ter sechs) konn­te im 18. Jahr­hun­dert weder von den Eng­län­dern, noch von den Fran­zo­sen oder den ame­ri­ka­ni­schen Sied­lern zer­stört wer­den und exis­tiert bis heu­te. Die Iro­ke­sen bean­spru­chen, eines der ältes­ten Demo­kra­tie­mo­del­le geschaf­fen zu haben, und sie tun es zu Recht. Die Grün­der­vä­ter der USA, allen vor­an Ben­ja­min Fran­k­lin, pfleg­ten inten­si­ven Kon­takt zum indi­ge­nen Bünd­nis und lies­sen sich davon für die ame­ri­ka­ni­sche Ver­fas­sung inspirieren.

Aber was hat die­ser Hin­weis nun mit Simo­ne Weil zu tun? — Nun, die­se “League of Five Nati­ons” ent­stand nach blu­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen dank des Ein­grei­fens eines indi­ge­nen Mes­si­as, Degana­wi­dah: Die Legen­de besagt, dass Degana­wi­dah bei den Huro­nen oder Onon­da­ga in einem Ort namens Ka-ka-nah-yenh gebo­ren wur­de. Wei­ter heißt es, dass sei­ner Mut­ter im Traum durch einen himm­li­schen Boten mit­ge­teilt wur­de, dass sie einen Sohn gebä­ren wer­de, der den „Baum des Frie­dens“ im Onon­da­ga­ge­biet pflan­zen wer­de. .… Die jun­ge Frau nann­te ihren Sohn Degana­wi­dah. Als er zum Mann her­an­ge­wach­sen war, mach­te er sich auf, die Mis­si­on zu erfül­len, für die der „Gro­ße Geist“ ihn aus­er­wählt hat­te. Die­se bestand dar­in, den Men­schen die Bot­schaft von Frie­den und Kraft zu ver­kün­den, ihnen auf­zu­zei­gen, wie sie unter­ein­an­der zu Frie­den und Gerech­tig­keit fin­den konn­ten.” (Wiki­pe­dia)

The Gre­at Law of Peace”, die sich im Sym­bol der Weis­sen Kie­fer ver­kö­pert, baut auf drei Pfei­lern auf:
Das Gute Wort, das sich als Gerech­tig­keit in Akti­on äus­sert und Gerech­tig­keit für alle brin­gen soll.
Gesund­heit. Ein gesun­der Geist in einem gesun­den Kör­per ver­mag Frie­den auf die Erde zu bringen.
Poli­ti­sche Macht, die auf einer spi­ri­tu­el­len Grund­la­ge steht und sich am Wil­len des “Meis­ters des Lebens” orientiert.

Die Tat­sa­che, dass die iro­ke­si­sche Gesell­schaft matri­li­ne­ar auf­ge­baut ist, inspi­rier­te sowohl Johann Gott­fried Her­der (“„Die gro­ße Frie­dens­frau der Iro­ke­sen“) wie auch Fried­rich Engels zu des­sen Werk “Vom Ursprung der Fami­lie, des Pri­vat­ei­g­en­t­h­ums und des Staats

Jack D. For­bes, ein nord­ame­ri­ka­ni­scher indi­ge­ner Akti­vist, zitiert in sei­nem Buch “Die Weti­ko-Seu­che” die Kla­ge eines pres­by­te­ria­ni­schen Mis­sio­nars, der im 18. Jahr­hun­dert indi­ge­ne Völ­ker an der Ost­küs­te zum Chris­ten­tum bekeh­ren wollte:
“Ich bin wäh­rend mei­ner Arbeit bei den India­nern auf gro­ße Schwie­rig­kei­ten gesto­ßen … Sie sind nicht nur tie­risch dumm und igno­rie­ren gött­li­che Din­ge, son­dern vie­le von ihnen sind auch starr­sin­nig dem Chris­ten­tum gegen­über. …… Die­se Abnei­gung dem Chris­ten­tum gegen­über rührt teil­wei­se aus einem unmo­ra­li­schen und las­ter­haf­ten Ver­hal­ten, das sie bei vie­len soge­nann­ten Chris­ten antreffen. Sie beob­ach­ten die­se außer­or­dent­li­che Schlech­tig­keit an den angeb­li­chen Chris­ten, die das Licht der Natur (die natür­li­che Ver­nunft) in ihnen selbst ver­dammt. … Sie haben mir gegen­über geäu­ßert, daß Wei­ße lügen, betrü­gen, steh­len und schlim­mer trin­ken als die India­ner, daß sie den India­nern die­se Din­ge bei­gebracht haben, beson­ders das zuletzt genann­te. Vor der Ankunft der Eng­län­der kann­ten die India­ner kei­nen star­ken Alko­hol, und durch die­se Din­ge brach­ten die Eng­län­der ihnen Streit und den Tod unter­ein­an­der: mit einem Wort, sie brach­ten ihnen damit jene Las­ter, die sie heu­te haben. … … Die Wei­ßen sind zu ihnen gekom­men, haben sie um ihr Land betro­gen und von den ange­neh­men Orten an der Küs­te in die Ber­ge zurück­ge­trie­ben. Des­halb haben sie kei­nen Grund anzu­neh­men, daß die Wei­ßen jetzt um ihr Wohl­befin­den besorgt sind, son­dern viel­mehr sei ich von den Wei­ßen unter dem Vor­wand der Freund­lich­keit zu ihnen geschickt wor­den, um sie zu ver­sam­meln, damit die Wei­ßen so Gele­gen­heit hät­ten, sie zu ver­skla­ven, wie sie es mit den armen Negern machen, oder sie an Bord ihrer Schiffe zu brin­gen und sie gegen ihre Freun­de kämp­fen zu lassen.”

Und For­bes hält bit­ter fest: “Yeshwa ben Yusef (Jesus, Sohn Josefs) war ein »India­ner«. Das heißt, er war kein Wei­ßer (brau­ne Haut, schwar­zes und sehr wahr­schein­lich gelock­tes oder gewell­tes Haar), stamm­te aus sehr armen Ver­hält­nis­sen, er arbei­te­te vie­le Jah­re als Hand­wer­ker oder Zim­mer­mann und zog sich in die Wüs­te oder auf Berg­kup­pen zurück, um Visio­nen zu haben. Er bau­te kei­ne Monu­men­te, spar­te kein Geld, for­der­te die Rei­chen und die Mäch­ti­gen her­aus und ver­damm­te öffent­lich Gier, Dog­ma­tis­mus und den Erwerb von Reich­tü­mern. Er hat nichts mit den spä­te­ren Chris­ten gemein­sam, aber es sind die letz­te­ren, die ihn bekannt gemacht haben.”

Simo­ne Weil, der die­se Geschichte(n) sicher unbe­kannt waren, hät­te wohl mit Genug­tu­ung dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich manch­mal bei “Hei­den” mehr “Christ­li­ches” fin­den lies­se als bei nomi­nel­len “Chris­ten” …

Nach die­sem klei­nen Exkurs ist es aber höchs­te Zeit, in der nächs­ten Epi­so­de Simo­ne Weil sel­ber wie­der das Wort zu geben, — und dies wie immer

am kom­men­den Sams­tag, den 7. November

P.S. Oren Lyons ist auch ein begna­de­ter Red­ner. Hier kann man sich davon überzeugen.

 

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