Am 18. Juni 1936 brach in Spa­ni­en der Bür­ger­krieg zwi­schen der recht­mäs­sig gewähl­ten demo­kra­ti­schen Regie­rung, den “Repu­bli­ka­nern”, und den rechts­ge­rich­te­ten Put­schis­ten unter Gene­ral Fran­co aus, die der Repu­blik eine“jüdisch-freimaurerisch-bolschewistische Ver­schwö­rung” unter­stell­ten. Im öffent­li­chen Bewusst­sein bleibt der Krieg heu­te noch dank des berühm­ten Bil­des von Pablo Picas­so, “Guer­ni­ca”, das die Bom­bar­die­rung des Städt­chens durch die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche “Legi­on Con­dor” anklagt.

Am 8. August über­quer­te Simo­ne Weil die spa­ni­sche Gren­ze bei Port Bou, um den Kampf der Repu­bli­ka­ner zu unter­stüt­zen. Doch schon zwei Mona­te spä­ter war sie wie­der in Paris, — zutiefst ernüch­tert und ent­täuscht. Was war geschehen?

Als Mit­glied der anar­chis­ti­schen Miliz Dur­ru­tis, dem legen­dä­ren Anfüh­rer, hoff­te sie an den Kampf­hand­lun­gen teil­neh­men zu kön­nen, erwies sich aber dafür völ­lig unge­eig­net, — sie lan­de­te im Küchen­dienst, wo sie wegen ihrer Kurz­sich­tig­keit mit einem Fuss in einen Kes­sel sie­den­den Öls geriet und prompt in ein Laza­rett kam.

Anfangs hat­te sie noch eupho­risch in ihrem Tage­buch fest­ge­hal­ten: “Die Macht gehört dem Volk. Die Män­ner in blau­en Arbeits­an­zü­gen befeh­len. Gegen­wär­tig ist es einer der sel­te­nen, bis­her nie lan­ge wäh­ren­den Augen­bli­cke, da jene, die immer nur gehorch­ten, die Lei­tung über­neh­men.

Doch schon bald ver­merk­te sie kri­tisch: “Orga­ni­sa­ti­on: gewähl­te Dele­gier­te. Kei­ne Sach­kennt­nis. Kei­ne Auto­ri­tät. Beach­ten nicht die Zustän­dig­keit des Mili­tär­tech­ni­kers.” Viel belas­ten­der aber waren für sie die Erfah­run­gen einer all­ge­mei­nen Bru­ta­li­tät und Mord­lust, von der auch Anar­chis­ten nicht immer gefeit waren: “Wenn man weiss, dass es, ohne Sün­de oder Rüge zu erlei­den, zu töten mög­lich ist, dann tötet man … Es besteht eine Ver­füh­rung, eine Trun­ken­heit, der unmög­lich zu wider­ste­hen ist ohne eine wah­re See­len­grös­se, die ich für unge­wöhn­lich hal­ten muss, da ich ihr nir­gends begeg­net bin.” Scho­ckiert schrieb sie an Geor­ge Ber­na­nos, einem fran­zö­si­schen Schrift­stel­ler: “Sie ste­hen mir unver­gleich­lich näher als mei­ne Miliz­ge­nos­sen in Ara­go­ni­en — jene Genos­sen, die ich lieb­te.

Die­ser Satz ist inso­fern bemer­kens­wert, als es sich bei Ber­na­nos um einen Mon­ar­chis­ten han­del­te — poli­tisch gese­hen also auf einem ande­ren Pla­ne­ten. Doch Ber­na­nos hat­te den Putsch Fran­cos scharf ver­ur­teilt. Simo­ne Weil, Wan­de­rin zwi­schen den Welten …

Die Erfah­run­gen in Spa­ni­en führ­ten dazu, dass sie sich ab sofort einem radi­ka­len Pazi­fis­mus ver­schrieb. “Die dau­ern­de und fast sys­te­ma­ti­sche Ent­wür­di­gung ist ein wesent­li­cher Fak­tor unse­rer Gesell­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on im Frie­den wie im Krieg, aber im Krieg in einem weit höhe­ren Grad.” Auch der “revo­lu­tio­nä­re Krieg” führt in eine Sack­gas­se. In einem Kom­men­tar zum marx’schen Klas­sen­kampf hielt sie fest, Marx habe über­se­hen, “dass die inter­nen Kämp­fe zwi­schen Unter­drück­ten und ande­rer­seits zwi­schen Unter­drü­ckern genau­so bedeu­tend sind wie die Kämp­fe zwi­schen Unter­drück­ten und Unter­drü­ckern, und dass im übri­gen der­sel­be Mensch sowohl das eine wie das ande­re ist.

Sie war ange­sichts der zuneh­men­den Bedro­hung durch das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land sogar bereit, bei einem all­fäl­li­gen Angriff für einen Nicht-Wider­stand zu plä­die­ren und “einen zeit­wei­li­gen Vasal­len­zu­stand” zu ertra­gen. Es lohn­te sich nicht, Frank­reich ange­sichts deren Kolo­ni­al­po­li­tik zu ver­tei­di­gen. Nach einem Auf­stand in Viet­nam hat­te sie schon 1930 geschrie­ben: “Seit jenem Tag schä­me ich mich mei­nes Lan­des. Seit jenem Tag kann ich kei­nem Indo­chi­ne­sen, kei­nem Alge­ri­er oder Marok­ka­ner begeg­nen, ohne ihn um Ver­zei­hung zu bit­ten. Um Ver­zei­hung für alle Schmer­zen, alle Ernied­ri­gun­gen, die man ihm, die man sei­nem Volk antut. Denn ihr Unter­drü­cker ist der fran­zö­si­sche Staat … ”

Als aller­dings die­ser fran­zö­si­sche Staat im Mai 1940 von der deut­schen Wehr­macht ange­grif­fen wur­de, gab sie ihre radi­kal-pazi­fis­ti­sche Hal­tung auf. Ihr Pro­jekt, sich mit einer “Kran­ken­schwes­ter-Bri­ga­de” an der Front zu enga­gie­ren, wur­de aller­dings nach dem über­ra­schend schnel­len mili­tä­ri­schen Zusam­men­bruch gegen­stands­los. Sie emi­grier­te zusam­men mit ihren Eltern nach Mar­seil­le und enga­gier­te sich in der Résistance.

Es war kein Zufall, dass sie 1936 mit dem Mon­ar­chis­ten Geor­ge Ber­na­nos in einen Brief­wech­sel getre­ten war. Er mar­kiert den Beginn einer tie­fen inne­ren geis­ti­gen Wand­lung. Die nächs­te Fol­ge wird sich damit aus­ein­an­der­set­zen, und dies wie immer am kommenden

Sams­tag, den 3. Oktober

 

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