Der Chefredaktor der Weltwoche lässt in seinem neuesten Editorial wieder einmal die Alarmglocken schrillen:
In der Schweiz wankt, wackelt der Rechtsstaat. Die Unterlage erodiert. Das Treibsandgefühl ist da. Gesetze gelten nur noch wahlweise und nicht für alle gleich!
Da muss man angesichts des leise hochsteigenden Panikgefühls zuerst einfach mal leer schlucken. Was um Himmels Willen bringt den Mann dazu, den Untergang des Schweizer Rechtsstaats zu beschwören!?
Hier die Fakten:
Da gab es doch kürzlich in Bern eine grosse illegale Klima-Demo. “Die Manifestanten installierten sich unbehelligt mit Heuballen, riesigen Überdachungen und Gratisstrom der Stadt Bern. Passanten mussten weichen. Zeitweise waren die Strassen von den Klima-Extremisten blockiert. Auf Befehl von oben durfte die Polizei das widerrechtlich besetzte Gelände nicht räumen.”
Nun, das Gelände ist inzwischen nach einem massiven Polizeieinsatz samt Wasserwerfer geräumt. Fast 100 Besetzer müssen mit Anzeigen rechnen. Soweit, so gut, — aber Roger Köppel stösst massiv sauer auf, dass vorher eine Kundgebung für die Begrenzungsinitiative verboten worden war. Die SVPler hielten sich brav daran, — und jetzt kommen diese “Klima-Extremisten”, skandieren “Klimaschützen ist kein Verbrechen” und haben sogar die Frechheit zu behaupten: “Eine andere Welt ist möglich, und wir werden nie aufgeben!” — Na, sowas.
In einem Spiegel-Interview schildert der berühmte amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle einen Spaziergang mit seinem Hund samt Maske, — aber nicht wegen Corona, sondern weil er sich sonst eine Rauchvergiftung eingehandelt hätte. Wir sind in Kalifornien.
Die New York Times hat vor kurzem einen langen Artikel veröffentlicht mit dem Titel “Die Klimazerstörung ist in vollem Gange. Die nächsten Schritte werden entscheidend sein.” Ein paar Auszüge:
Amerika wird nun vom Klimawandel in einer Weise betroffen, vor der Wissenschaftler seit Jahren gewarnt haben. Aber es gibt noch einen zweiten Teil ihrer Mahnung: Jahrzehnte wachsender Krisen sind bereits in das globale Ökosystem eingeschlossen und können nicht mehr rückgängig gemacht werden.
“Man hat mich als Panikmacher bezeichnet”, sagte Peter Kalmus, Klimaforscher in Los Angeles, wo er und Millionen andere seit Wochen gefährlich hohe Rauchmengen einatmen. “Und ich glaube, es fällt den Menschen jetzt viel schwerer zu sagen, dass ich ein Panikmacher bin”.
Ihre (Klimaexperten) ernüchterndste Botschaft war, dass die Welt das Schlimmste noch nicht gesehen hat. Vorbei ist das Klima von gestern, und es gibt kein Zurück mehr. Die heute erkennbaren Auswirkungen des Klimawandels sind das Ergebnis von Entscheidungen, die Länder vor Jahrzehnten getroffen haben, um trotz der Warnungen von Wissenschaftlern über den zu zahlenden Preis immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre zu pumpen, die Wärme einschließen.
“Was wir heute, in diesem Jahr, sehen, ist nur ein kleiner Vorbote dessen, was wir wahrscheinlich bekommen werden”, sagte Jonathan Overpeck, Klimawissenschaftler an der Universität von Michigan. Die Dinge sind auf dem besten Weg, “doppelt so schlimm” zu werden, wie sie jetzt sind, sagte er, “wenn nicht sogar noch schlimmer”.
Experten haben … auch einen Punkt angesprochen, von dem sie sagen, dass er oft unterschätzt wird: Selbst wenn wir heute damit beginnen, die Emissionen radikal zu reduzieren, könnte es Jahrzehnte dauern, bis diese Veränderungen die Geschwindigkeit, mit der sich die Erde erwärmt, spürbar verlangsamen. In der Zwischenzeit müssen wir uns mit Auswirkungen auseinandersetzen, die sich weiter verschlimmern.
“Was die Reversibilität betrifft, kann ich nur an Dinge aus Science-Fiction-Filmen denken — Superman versucht, die Erde in die andere Richtung zu drehen, damit Lois Lane nicht stirbt”, sagte Juan Declet-Barreto, Sozialwissenschaftler bei der Union of Concerned Scientists. “Im Ernst, es ist nicht umkehrbar.”
Wenn wir die Emissionen rasch reduzieren, wird etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung alle paar Jahre unter schweren Hitzewellen leiden. Gelingt dies nicht, verdoppelt oder verdreifacht sich diese Zahl. Wenn wir jetzt handeln, könnte der Meeresspiegel in diesem Jahrhundert um weitere 1 bis 2 Fuß ansteigen. Wenn wir es nicht tun, könnten sich die Eisschilde der Antarktis unumkehrbar destabilisieren, und der Meeresspiegel könnte über Jahrhunderte hinweg unaufhaltsam weiter ansteigen und die Küstenzivilisation nahezu unkontrollierbar machen.
Jetzt kommt das grosse Problem für den Chefredaktor: All diese jungen “Klima-Extremisten” glauben unbegreiflicherweise tatsächlich, was die Experten sagen, — ganz abgesehen davon dass die NYT sowieso nur Fake-News verbreitet, wie Roger Köppel-Buddy und grosses Vorbild Donald Trump zu betonen nicht müde wird. Die Weltwoche kämpft in der Schweiz allein und mutig gegen all die Klimawandel-Hirngespinste, aber all die jungen irregeleiteten Menschen lesen sie nicht! Und die SVP muss zuschauen, wie die “Klimawandel-Hysterie” überhand nimmt und ihnen die “Begrenzungsinitiative-Show” stiehlt.
Roger Köppel ist empört, — aber vielleicht tut es der Schweiz ja ganz gut, wenn sie mal ein bisschen wackelt ;-)?
P.S. Daniel Binswanger von der REPUBLIK hat einen lesenswerten Kommentar, “Die Rüpel von Bern” , zum Thema geschrieben.
Christoph Meury
Sep 26, 2020
Ich kann nachwievor nicht erkennen, wo die Beschäftigung mit Köppel & Co. einen Mehrwert generiert. Die Empörungsbewirtschaftung, ob Hüben oder Drüben, ist grundsätzlich wenig ergiebig. Nur die serbelnden Medien stürzen sich immer noch blind auf die Schreier und Provokateure der Nation. Sie erhoffen sich dadurch höhere Auflagen und bessere Einschaltquoten.
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Erbärmlich, dass das Schweizer Fernsehen immer noch solchen Empörungswellen hinterherrennt und zu Sendungen «Experten« à la Köppel und Co. einlädt. Damit stellt man Plattformen für Pöbler und Brandstifter aller Art zur Verfügung. Darauf kann ich getrost verzichten. Es wäre an der Zeit, dass sich auch der Staatssender, wenn er uns schon unfreiwillig Gebühren abverlangt, gehaltvolle Sendungen zum Klimadiskurs liefert. Und mit gehaltvoll meine ich, dass wirkliche Fachexperten zu Worte kommen und der Diskurs fundiert und mit Sachverstand geführt und dokumentiert wird. Der Klimawandel ist kein Randthema für Spätsendungen und die Parolendrescherei rund um die Klimapolitik ermüdet. Sendungen, wie auf 3Sat, mit Gert Scobel, zu Themen aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft und Ethik, wären angesagt. Es sind ja nicht alle MedienkonsumentInnen tumbe Zeitgenossen, welche mit Häppchen abgefüttert und öffentlich rechtlich dauerempört werden müssen….
max feurer
Sep 26, 2020
Was Ihren Hinweis auf gehaltvolle Sendungen betrifft, völlig einverstanden.
Betreffend die Frage, ob es sich lohnt, jeweils auf die Kommentare Herrn Köppels in der WW einzutreten, der immerhin inofizielles Sprachrohr der wählerstärkten Partei der Schweiz ist, sind wir nicht der gleichen Meinung. Es lebe die Meinungsvielfalt 🙂
P.S. Teil 2 folgt morgen 😉