Überfüllt begegnete mir in den letzten Tagen mein digitaler Posteingang. Es war einiges am Laufen, Emails wurden fleissig getippt und Pläne geschmiedet. Jetzt sind wir soweit: Gegen den Quartierplan für die Parzelle 707 an der Ecke Rheinfelderstrasse/Wartenbergstrasse wird das Referendum ergriffen.
Über ein Dutzend Personen sind in dieser ersten Gruppe mit dabei. Vor allem Betroffene aus der Nachbarschaft, aber auch Personen aus anderen Quartieren engagieren sich über die kommenden Tage, um den Mini-Quartierplan zu bekämpfen.
Ziel des Referendums ist es, eine breite Diskussion über die Stadtentwicklung und den Quartierplan im Speziellen zu führen. Das war leider nicht möglich an der Gemeindeversammlung. Auch waren nur ungefähr drei Prozent der Stimmberechtigten anwesend. Bei einer Urnenabstimmung ist die Beteiligung ein Vielfaches grösser.
Es geht hauptsächlich um ein politisches Problem: Hier wird ein mittelmässiges Einzelprojekt als Startschuss für die Zentrumsentwicklung genutzt. Hier wird der Wunsch eines Investors umgesetzt, ohne Rücksicht auf Zonenpläne, Stadtbild und die weitere Entwicklung der Gemeinde.
Statt wie in der W3-Zone normalerweise erlaubt nur einen Viertel der Parzelle zu bebauen, plant der Investor gleich drei Viertel. Die verbleibende Grünfläche ist damit ein Drittel so gross, wie bei den Nachbarn nötig. Auch bei der Höhe überschreitet das Gebäude die weiteren Häuser in diesem Block. Ein Stockwerk mehr und das Erdgeschoss ist noch höher, damit die Garage Platz findet.
Schliesslich geht es um die Frage, was Birsfelden von diesem Deal hat. Denn eine solche Ausnahmebewilligung, die dieser Quartierplan ja ist, bedingt eine Gegenleistung. Und da stellt sich bei mir das grösste Fragezeichen: Was hat die Gemeinde von diesem konkreten Projekt?
Ich stelle mir ein besseres Projekt vor, idealerweise im Rahmen der W3-Zone. Eine architektonische Visitenkarte für unsere Stadt, ein mutiger Schritt für die Stadtentwicklung. Eine Überbauung, die sich ins Quartier einfügt und gleichzeitig städtebaulich etwas hermacht.
http://4127wohnqualitaet.ch/
Referendum gegen den Quartierplan jetzt unterschreiben!
hasira
Dez. 23, 2017
Also:
Das Haus ist archtektonisch mindestens so sensibel wie das Frank-Ghery-Treppenhaus bei der Tramhaltestelle …
rugeli
Dez. 23, 2017
Kunst im öffentlichen Raum?
Kunst am Bau?
Ihr hattet doch da mal so eine Serie.…
Meury Christoph
Dez. 24, 2017
Sich alternativlos gegen das vorliegende Bauprojekte zur Wehr zu setzen ist Widerstand ins Leere. Die Initianten verteidigen offensichtlich den Status Quo, das ist plumper Eigennutz. Natürlich profitiert die Gemeinde Birsfelden von zusätzlichen SteuerzahlerInnen und einer entsprechend Mehrwertabgabe durch eine höhere Nutzung.
Verdichtung ist eben nicht nur ein gängiges (linkes) Schlagwort zur Schonung der Ressource Land/Bauland, nein verdichtetes Bauen hat real auch Konsequenzen.
Die SP Basel-Stadt und die Grünen BS haben sich bemüht Rahmenbedingungen für die verdichtete Nutzung zur Diskussion zu stellen. Es lohnt sich diese Papiere zu konsultieren: SP Basel-Stadt: https://sp-bs.ch/sites/sp-bs.ch/files/documents/positionspapier_wohnen.pdf
Grüne BS: http://www.gruene-bs.ch/dokumente/positionspapiere/171117%20Positionspapier%20Wohnbaupolitik_web.pdf
florian
Dez. 24, 2017
1. Ich bin nicht Architekt, darf aber trotzdem ein Projekt kritisieren, weil es politisch schlecht ist. Eine neue Bebauung kann sich ja an die W3-Regeln halten. Wieso eigentlich nicht?
2. Wohnraum schaffen geht auch besser, ohne Tankstellenshop und passend zum Quartier. Beispiel: Genossenschaft am Fröschenweg.
3. Die Infrastrukturabgabe (nicht Mehrwertabgabe) ist ja kaum der Rede wert. Das Budget 2018 plant mit einem dreimal so grossem Überschuss. Ausserdem ist ihre Berechnung intransparent.
4. Das Papier der SP BS kenne ich, aber ausser einem Ziel entspricht dieser Quartierplan keinem Anliegen.
Franz Büchler
Dez. 24, 2017
Ja, liebe/s Rugeli, das wäre ja gerade ein Musterbeispiel für einen Leuchtturm am Eingang von Birsfelden:
https://www.birsfaelder.li/wp/lokal/sehenswert-in-birsfelden-1vitra-center/
Und in diesem Artikel könnte der/die unbedarfte »hasira« auch gerade lernen wie man Frank Gehry richtig schreibt …
Vielleicht könnte man ja die Vitra auf die grosse Matte zwischen Restaurant Hard und Kestenholz locken, dann wäre vielleicht nicht nur die Postadresse, sondern auch die Steueradress Birsfelden. Voraussetzung wäre allerdings, dass Frank Gehry das Gebäude designt.
Aber leider besteht ja auf dieser Parzelle, die der Gemeinde Birsfelden gehört, ein Bauverbot. Was dazu die Gründe sind, ist mir schleierhaft!
Peter Meschberger
Dez. 24, 2017
Zu Franz: Dort auf dem Areal, begrenzt durch Hauptstrasse-Wartenbergstrasse-Florastrasse-Burenweg, gibt es eben seit etwa den 1980-iger Jahren einen Quartierplan. Die Eigentümerschaft hätte zusammen mit dem damaligen Neubau einen Spielplatz erstellen müssen. Durch Verhandlungen hat damals der Gemeinderat ereicht, dass dieses Stück Land ins Eigentum der Gemeinde überging, zum Zweck, dass die Gemeinde einen öffentlichen Spielplatz errichtete. Weil die Baunutzung des ganzen Areals auf den überbauten Teil konzentriert wurde, ist dieses Stück Land für’s Bauen tabu. Das war eben der Preis dafür, dass dieser Platz heute der Gemeinde gehört und auch heute m.E. noch rege benützt wird. Obwohl ich damals mit dabei war, finde ich das Vorgehen des Gemeinderates zu jenem Quartierplan echt weitsichtig, da dieser grüne Flecken Land am Eingang unseres Dorfes einen schönen Akzent setzt und erst noch öffentlich zugängig ist, fast ein kleiner Park…
Übrigens hat gemäss der Vorlage der Gemeinderat bei der Durchführung des Quartierplan auf der Parzelle 707 auch ein angemessenes Entgelt für die Mehrnutzung zugute. Das könnte die Gemeine sinnvollerweise auch zur Verschönerung des betroffenen Dorfteils verwenden…
Franz Büchler
Dez. 24, 2017
Danke Peter für deine Aufklärung.
Leider sind die Quartierpläne auf der Gemeinde-Website nicht zugänglich, ebenso nicht im öffnetlich zugänglichen Teil des Grundbuchs. Und das Grundbuch ist auch ein bisschen komisch, müsste ich doch tatsächlich dem Grundbuch einen Recherchierbeitrag bezahlen, um zu wissen, was in meinem Grundbucheintrag der Vermerk »Kolonie Scheuerrain« bedeutet …
Also wurde auch hier die Übernutzung durch einen nicht erstellten Spielplatz erkauft?
Meury Christoph
Dez. 24, 2017
@florian
1. Inwiefern ist das Projekt politisch schlecht? Entweder nehmen wir eine verdichtet Bebauung und Nutzung des Bodens ernst, oder wir begnügen uns mit Floskeln.
Ein zusätzliches Stockwerk ist logischerweise eine optimierte Nutzung und wird zusätzlichen Wohnraum schaffen.
2. Welche gewerbliche Quartiernutzung ist adäquater? Ein Fitness- oder Tattoo-Studio? Oder ein Tante-Emma-Laden? Die gewerbliche Nutzung ist Sache des Investors und kein politischer Entscheid. In diesem Fall eher Polemik.
3. Gemäss Raumplanungsgesetz ist eine Mehrnutzungsabgeltung (das Instrument heisst so) kommunal möglich und soweit ich weiss vorgesehen. Der Betrag ist nicht unerheblich, richtet sich aber nach der real möglichen Mehrnutzung (normalerweise 20% der Mehrnutzung).
4. Es lohnt sich das SP Papier nochmals zu lesen. Das Papier propagiert verdichtete Bauweisen und höhere Nutzungen bestehender Areal und Quartiere.
5. Über Architektur & Ästhetik kann man natürlich streiten. Das ist aber im Wesentlich keine politische, sondern eine Geschmacksfrage. Zudem: Birsfelden strotzt ja vor hervorragender Architektur. Entlang der Haupt‑, respektive Rheinfelderstrasse, konkurrenzieren sich die verschiedenen architektonischen Trouvaillen. Oder wo habe ich ein Vorzeigeprojekt übersehen?
6. In ein paar Jahren wird man das Schulhaus Scheuerrrain abreissen neu bauen. Mit Sicherheit grösser und höher. Auch hier wird man den vorhandenen Platz optimieren.
7. Der Spielplatz ist ein Jammer. Lieblos bis zum Abwinken.
Franz Büchler
Dez. 24, 2017
Mein Google hat unter Mehrnutzungsabgeltung beim Kanton Basel-Landschaft nichts gefunden. Und die Suche auf der BL-Website zeigt »0 Artikel gefunden«.
Wenn im Raumplnungsgesetz steht ist das schön und recht. Dazu bedarf es aber der kantonalen »Ausführungsgesetzgebung«. Aber vielleicht irre ich.
Da gibt es aber ein »Gesetz über die Abgeltung von Planungsmehrwerten«. Das trölt aber seit 13. Dezember 2016 im Landrat herum.
Vielleicht würde es etwas mehr Klarheit schaffen, wenn die Herren und Damen des Landrats etwas weniger Zeit mit Parteigezänk und Egotrips bei den Sparschweinen vergeuden würden und dafür für Mehreinnahmen sorgen.
Die Vorlage an den Landrat finden sie auf der Website des Kantons Basel-Landschaft unter der Nummer 2016–403.
Meury Christoph
Dez. 24, 2017
@franz
»Die Thematik der Mehrwertabschöpfung bei Planungsverfahren ist nicht neu und beschäftigt auch den Kanton Basel-Landschaft schon seit einigen Jahren. Doch während zum Beispiel in Basel-Stadt bereits seit 1977 eine Mehrwertabgabe von 50 Prozent eingefordert wird, existiert im hiesigen Kanton bislang noch keine klare Richtlinie. Das wird sich aber bald ändern: Mit der Revision des Raumplanungsgesetzes sind alle Schweizer Kantone dazu verpflichtet, bis 2019 eine Gesetzesgrundlage zum Einsatz der Mehrwertabgabe festzulegen. In Baselland ist das entsprechende Reglement noch in der Vernehmlassung«.
Es sind also ein paar PolitikerInnen gefordert endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Bis 2019 muss die Mehrwertabgabe gemäss Raumplanungsgesetz auch im BL in trockenen Tüchern sein.
Franz Büchler
Dez. 25, 2017
Die Vernehmlassung ist schon mehr als ein Jahr beendet.
Am 13. Dezember 2016 hat der Landrat die entsprechende Vorlage bekommen.
Darum schrieb ich ja »Das trölt aber seit 13. Dezember 2016 im Landrat herum.«
Genau lesen …