Da wird immer vom flo­rie­ren­den Birs­fel­der Hafen erzählt. Schaut man die Ton­na­gen an, die im Birs­fel­der Hafen anka­men, so hat sich seit 1970 kaum etwas geän­dert. Die zum Teil gros­sen Dif­fe­ren­zen erklä­ren sich wohl meist durch Hava­rien und spe­zi­el­le Wasserstände:

1970 kamen in Birs­fel­den 2’494’694 Ton­nen an,
1990 kamen in Birs­fel­den 2’935’959 Ton­nen an,
2010 kamen in Birs­fel­den 1’186’204 Ton­nen an,
2012 kamen in Birs­fel­den 2’023’006 Ton­nen an.
(Quel­le Schwei­ze­ri­sche Rhein­hä­fen, Ankünf­te nach Hafenanlagen)

Die Birs­fel­der fin­den den Hafen aber über­haupt nicht flo­rie­rend. In einer Inter­pel­la­ti­on stellt Land­rat und Gemein­de­prä­si­dent Chris­tof Hilt­mann fest, dass der Hafen, einen Fünf­tel des Gemein­de­banns aus­macht, der erwirt­schaf­te­te Steu­er­ertrag in die­ser Zone aber über drei­mal tie­fer ist als im rest­li­chen Gebiet Birsfeldens

Dar­um zitiert er aus dem gel­ten­den Staats­ver­trag:
»Der Regie­rungs­rat wird ver­pflich­tet, sich für eine mög­lichst effi­zi­en­te, d.h. flä­chen­op­ti­mie­ren­de Bewirt­schaf­tung der Hafen­area­le der Ver­trags­kan­to­ne ein­zu­set­zen. Bei Area­len, die län­ger­fris­tig nicht mehr für Hafen- und Logis­tik­be­dürf­nis­se benö­tigt wer­den, ver­stän­digt sich der Regie­rungs­rat mit dem Regie­rungs­rat des Ver­trags­kan­tons über eine all­fäl­li­ge Aus­glie­de­rung aus dem Hafenperimeter.«

Und er fragt den Regie­rungs­rat:
»1. Was wur­de im Hin­blick auf eine effi­zi­en­te, flä­chen­op­ti­mie­ren­de Bewirt­schaf­tung der Hafen­area­le Birs­fel­den und Auha­fen bis­her unter­nom­men? Sind Erfol­ge vor­zu­wei­sen? Wenn ja, wel­che?
2. Sind die Häfen des Kan­tons BL als attrak­ti­ve und inves­ti­ti­ons­be­rei­te Gewer­be­ge­bie­te Bestand­teil der im Regie­rungs­pro­gramm 2012–2015 erwähn­ten stra­te­gi­schen Ent­wick­lungs­ge­bie­te zur Wert­schöp­fungs­stei­ge­rung? Falls ja: wie gedenkt die Regie­rung die­se Gebie­te zu ent­wi­ckeln resp. wie sieht das Gebiets­mar­ke­ting-Kon­zept aus? Falls nein: wie­so sind die­se Gebie­te nicht auf dem Entwicklungs-Radar?«

Regie­rungs­rä­tin Pegor­a­ro ant­wor­tet sehr umfang­reich und ver­ne­belnd auf die Inter­pel­la­ti­on:
»Gemäss §2 des ein­gangs zitier­ten Staats­ver­tra­ges ver­bleibt das Grund­ei­gen­tum an den kan­to­na­len Hafen­ge­bie­ten bei den Ver­trags­kan­to­nen. Gemäss § 5 zeich­nen die Schwei­ze­ri­schen Rhein­hä­fen für die Ent­wick­lung, die Bewirt­schaf­tung und die Ver­mark­tung der Hafen­ge­bie­te ver­ant­wort­lich.«
Sie schiebt die Ver­ant­wor­tung also an die Schwei­ze­ri­schen Rhein­hä­fen ab, die durch den Staats­ver­trag zur allei­ni­gen Bau­rechts­ver­wal­te­rin im Auf­trag des Kan­tons Basel-Land­schaft gewor­den sind. Wei­ter sagt sie:
»Nach wie vor im Eigen­tum und in der direk­ten Ver­ant­wor­tung des Kan­tons Basel-Land­schaft liegt die Par­zel­le Nr. 1339 Grund­buch Birs­fel­den, für die der Kan­ton BL kei­ne Ver­mö­gens­steu­er bezahlt*, in direk­ter Nach­bar­schaft zum Hafen­ge­biet, die­se umfasst 48’658 m2. Auf die­sem Gebiet hat der Kan­ton Basel-Land­schaft fünf selb­stän­di­ge Bau­rech­te abge­schlos­sen, wel­che schwer­ge­wich­tig der Ansied­lung neu­er indus­tri­el­ler Wert­schöp­fung im Ver­bund mit was­ser­sei­ti­ger Logis­tik die­nen. Die­se Bau­rechts­ver­trä­ge haben unter­schied­li­che Fris­ten­läu­fe (2030 bis 2051). Erst nach Ablauf der Bau­rech­te kann der Kan­ton BL über die­se Grund­stü­cke verfügen.«

1339

Im zweit­letz­ten Satz kommt der Begriff »was­ser­sei­ti­ge Logis­tik« vor. Und genau dar­auf bezieht sich auch die Zonen­ord­nung der Gemein­de Birs­fel­den:
»Art.42, Abs.2: Die Indus­trie­zo­ne liegt im wei­te­ren Peri­me­ter des Hafens. Es sind nur Bau­ten und Anla­gen zuläs­sig, wel­che auf Schiff­fahrts­we­ge und/oder Eisen­bahn­ver­bin­dun­gen ange­wie­sen sind.«

Beispiel für schwergewichtige Ansiedlung neuer industrieller Wertschöpfung im Verbund mit wasserseitiger Logistik

Bei­spiel für schwer­ge­wich­ti­ge Ansied­lung neu­er indus­tri­el­ler Wert­schöp­fung
im Ver­bund mit was­ser­sei­ti­ger Logistik

Befasst man sich ein biss­chen mit der gan­zen Hafen­ge­schich­te, so fällt auf, dass prak­tisch auf jede Fra­ge zur Hafen­be­wirt­schaf­tung an den Regie­rungs­rat, gera­de auf im Gan­ge befind­li­che Ana­ly­sen und Kon­zepter­ar­bei­tun­gen hin­ge­wie­sen wird:

1997 Moti­on Koh­ler­mann
2001 Ant­wort RR zur Inter­pel­la­ti­on »Zukunft der Rhein­hä­fen Birs­fel­den und Mut­tenz» 

2002 Kan­to­na­ler Nut­zungs­plan Rhein­hä­fen
2003 Moti­on Peter Mesch­ber­ger »Mehr Mit­spra­che der Gemein­den in Rhein­hä­fen«
2005 Pos­tu­lat Abbruch Zusam­men­le­gung der Rhein­hä­fen
2006 Chris­toph Rudin, Pos­tu­lat »Tri­na­tio­na­ler Mas­ter­plan Rhein­ha­fen« (Beant­wor­tung 2010!)
Obwohl Chris­toph Rudin im Pos­tu­lat anspricht: »Die Gemein­de Birs­fel­den möch­te ihr Wohn­ge­biet ver­grös­sern, wozu sich ein­zig das Hafen­are­al anbie­tet, das rund 1/3 des Gemein­de­are­als aus­macht.«, geht der Regie­rungs­rat in sei­ner Beant­wor­tung mit kei­nem Wort dar­auf ein, resp. erwähnt nur die hohe Nach­fra­ge nach was­ser­sei­ti­ger Logis­tik.
2009 Die Ver­wal­tung der Schwei­ze­ri­schen Rhein­hä­fen publi­ziert eine Hafen­ent­wick­lungs­stra­te­gie
2014 Die Ver­wal­tung der Schwei­ze­ri­schen Rhein­hä­fen publi­ziert ein Papier »Hafen­ent­wick­lung 2020«

Die tol­le Visi­on für Birs­fel­den 2020: Ver­bes­se­rung der was­ser­sei­ti­gen Erreich­bar­keit des Hafen­are­als Süd: Prü­fung einer Zulas­sung von 135 Meter lan­gen Schif­fen (bis Anfang 2013) und einer punk­tu­el­len Kor­rek­tur des Fluss­bet­tes, um mehr Tief­gang zu ermög­li­chen (2013 / 2014). Aus­bau des Clus­ters Hafenlogistik/Produktion (2014 – 2016).

Beispiel für den Ausbau des Clusters Hafenlogistik/Produktion

Bei­spiel für den Aus­bau des Clus­ters Hafenlogistik/Produktion

Was die Par­zel­len des »Indus­trie­ge­biets« betrifft, das ist das Gebiet zwi­schen Hard­stras­se und Din­kel­berg­stras­se, hat der Kan­ton nicht viel zu sagen, denn die dort ange­sie­del­ten Fir­men ste­hen auf ihrem eige­nen Grund und Boden und müs­sen sich nur an die Zonen­vor­schrif­ten hal­ten.
Mit einer Aus­nah­me: Der Par­zel­le 1339, die dem Kan­ton Basel-Land­schaft gehört und etwa einen Drit­tel des »Indus­trie­ge­biets« aus­macht. Die dort ange­sie­del­ten Fir­men soll­ten zur ‘indus­tri­el­len Wert­schöp­fung’ die­nen. Für mich ist es frag­lich, ob Abstell­flä­chen für Mul­den, Hebe­büh­nen­ver­mie­tung, Ent­sor­gungs­cen­ter und rie­si­ge Lager­hal­len wirk­lich der ‘indus­tri­el­len Wert­schöp­fung’ die­nen. 
Da fra­ge mich, ob der beant­wor­ten­de Regie­rungs­rat, respek­ti­ve Frau Pegor­a­ro, über­haupt je ein­mal im Gelän­de waren.

Von den ca. 35 im »Indus­trie­ge­biet« ange­sie­del­ten Fir­men haben ca. 18 ihren Fir­men­sitz in Birs­fel­den. Sie zah­len also auch Steu­ern in Birs­fel­den. Aber wie schon ange­deu­tet bringt Lager­hal­tung wenig Wert­schöp­fung und somit auch weni­ger Steuern …

*Ja, lie­ber Flo­ri­an, es ist ja klar, dass sich der Kan­ton nicht selbst Ver­mö­gen­steu­er bezahlt. Aber: Hät­te nicht die Gemein­de Birs­fel­den den­noch ihren Anteil zugute?

Im bz-Inter­view zur Regie­rungs­rats­kan­di­da­tur wird Chris­tof Hilt­mann wie folgt zitiert:
»Zum ande­ren will er eine für Birs­fel­den akzep­ta­ble Wei­ter­nut­zung des Hafens: Woh­nun­gen an die­ser Lage könn­ten Geld in die lee­re Kas­se spü­len. Im Land­rat will der begeis­ter­te Hob­by­sur­fer dem­nächst einen Fin­ger auf die Hafen­pro­ble­ma­tik legen.«

Viel Glück dabei und … Fort­set­zung folgt …

Fazit:

Qua­li­tät des Vor­schlags: Bes­ser spät als nie
Ein­ge­spar­te Sum­me: ca. CHF 0.— pro Jahr
Gewinn: Steu­er­mehr­ertrag der Par­zel­len 1339
Kom­pe­tenz: Regie­rungs­rat
Umset­zungs­chan­cen: unrea­lis­tisch, da Kan­ton BL zustän­dig
Kom­men­tar der Redak­ti­on: Da der Kan­ton Basel-Land­schaft mit sei­ner gan­zen Opti­mie­rung der Indus­trie­area­le, trotz hoch­ent­löhn­ten ‘Fach­leu­ten’, gros­se Mühe bekun­det und dar­um auch Tei­le der Arbeit out­sour­cen muss, sehen wir in die­sem Teil wenig Potential …

 

Und die Weis­heit zum Artikel:

»Die Haupt­sa­che ist, plump den­ken ler­nen.
Plum­pes Den­ken ist das Den­ken der Gros­sen,
mein­te Brecht.«
Wal­ter Benjamin

21.08.2014
???

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