Am 20. Oktober 2019 sind Nationalratswahlen. Im Proporzwahlverfahren (Verhältniswahlrecht). Und dies verdanken wir dem Landesstreik von 1918.
Der Landesstreik habe, noch heute wird das von den »lieben Rechten« der »böse Linken« unterschoben, einen Umsturz der Regierung geplant. Eine unterstellte Verbindung zur damals »Bolschewistischen Botschaft« in Bern konnte jedoch nie nachgewiesen werden.
Natürlich erhoffte sich, zumindest ein grosser Teil der geschundenen Bevölkerung, etwas weniger Sorgen mit einer linken Regierung. Genauso wie sich die Rechte, und damit die Reichen, mehr Vorteile von einer rechten Regierung erhofften und bis dahin natürlich auch erhielten.
Die Hintergründe dieses Generalstreiks waren schlicht und einfach die schlechte Ernährungslage, die Verarmung der Bevölkerung und die ungeheure Bereicherung der Kriegsgewinnler. Die sozialen Probleme kulminierten im Landesstreik von 1918.
Betrachtet man die neun Forderungen, die das Oltener Aktionskomitee aufstellte, sind darunter weder weltbewegende noch umstürzlerische Sachen — ausser für die bürgerlichen Profiteure des ersten Weltkrieges.
An erster Stelle der neun Forderungen stand: Die Neuwahl des Nationalrates nach dem Proporzsystem.
1919 wurde der Nationalrat erstmals nach dem Proporzsystem gewählt, also vor hundert Jahren.
Am 13. Oktober 1918 stimmte das Volk im dritten Anlauf einer Volksinitiative über die Proporzwahl des Nationalrates mit 66,8% Ja-Stimmen deutlich zu. Die Einführung des Verhältniswahlrechts war für das politische System sehr bedeutend. Das zeigten die vorgezogenen Nationalratswahlen, die ein Jahr später, im Oktober 1919 stattfanden. Die parteipolitische Zusammensetzung des Nationalrates veränderte sich infolge dieser Wahlen massiv.
Deutlich erkennbar: Die Sozialdemokratem konnten ihre Sitze verdoppeln und die BGB hatte siebmal mehr Sitze als zuvor. Der Freisinn büsste 43 Sitze ein.
Der Freisinn und die Liberalen wurden in ihrem Einfluss stark gedämpft. Wenn wir allerdings heute FDP und SVP (früher BGB) zusammenzählen scheinen sich die Verhältnisse wieder der Majorzzeit anzunähern.
Bemerkenswert bei der Ausgestaltung der Proporzwahlregeln ist die den Wählerinnen und Wählern gewährte Freiheit, Kandidatinnen und Kandidaten zu streichen, doppelt aufzuschreiben (kumulieren) oder von anderen Parteilisten zu übernehmen (panaschieren). Damit bestimmen nicht vor allem die Parteien, sondern das Schweizervolk, welche Personen in den Nationalrat gewählt werden.
Dazu etwas später mehr …
Und die Weisheit zur Sache:
Gerechtigkeit ohne Stärke ist Ohnmacht,
Stärke ohne Gerechtigkeit ist Tyrannei.
Blaise Pascal
Elisabeth Hischer
Sep 10, 2019
Proproz dank Landesstreik
Da zeigt es sich wieder einmal, wie wichtig es ist, zu wissen, wie es früher wirklich war. Auszeigezeichnet, dein Artikel, lieber Franz.
Die Karikatur zu Regime maiorité und Regime proportionell ist grandios. Beim ersteren schämt sich Frau ob der patriarchalen Machtfülle, beim zweiten verteilt Frau gerecht(er). Scheint immer noch aktuell zu sein.