Darum geht es:
Christoph Meury und Franz Büchler haben folgenden Antrag gestellt, der an der Gemeindeversammlung vom 21. Juni 2021 behandelt werden soll:
Der Gemeinderat beschliesst die Parzelle 1550 aus der Spezialzone Kraftwerk zu nehmen und die Zone als reine Erholungs- und Grünzone zu deklarieren. Die zukünftige Entwicklung der Parzelle 1550 soll im STEK präzisiert werden. Die Parzelle 1550 steht für Wohnnutzung zukünftig nicht mehr zur Verfügung. Die Gemeindeversammlung soll abschliessend darüber befinden.
Jedes Areal hat seine Geschichte, so auch die Parzelle 1550 neben der Schleusenanlage des Kraftwerks Birsfelden.
Wem gehört denn nun eigentlich die Parzelle 1550?
Nun, sie gehört laut Grundbuch der Kraftwerk Birsfelden AG. Die Eigner des Kraftwerks sind die Kantone Basel-Stadt (IWB) zu 50%, dem Kanton Basel-Landschaft zu 25%, der Genossenschaft Elektra Birseck (EBM) zu 15% (56’000 Mitglieder) und der Genossenschaft Elektra Baselland zu 10% (12’000 Mitglieder).
Also sind die Besitzer eigentlich alles öffentlichrechtliche Anstalten und somit das Volk der beiden Kantone. Und wenn sich die Kraftwerk Birsfelden AG als private Besitzerin gebärdet, ist das nach meiner Meinung etwas gar arrogant … (dies nur ganz am Rande).
In diesem Artikel möchte ich Ihnen eine Geschichte vorlegen, die aus der Chronik des Natur- und Vogelschutzvereins Birsfelden stammt. Es ist viel und alles zu lesen vielleicht zu anstrengend. Ich habe darum die wichtigsten Teile rubriziert (gebläut). So können Sie, wenn Sie wollen, durch den Text hüpfen …
Die Parzelle 1550 im Laufe der Jahre (Auszug aus der Chronik
des Natur- und Vogelschutzvereins Birsfelden NVVB):
1980, 25. Juni: Einreichung der Petition der „Aktion 1550“ mit 1100 Unterschriften. Die „Aktion 1550“ möchte die ganze Kraftwerkparzelle unverbaut lassen und daraus einen Naturgarten entstehen lassen für die Allgemeinheit.
1980, 23. April: Einwohnerrat Birsfelden befindet über die Zonenplan „Kraftwerk“. Änderung zu „Spezialzone Kraftwerk und Erholungseinrichtungen“.
1980, 12. August: Regierungsratsbeschluss, Inkrafttreten der Zonenplanänderung „Kraftwerk“ für die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit der Parzelle 1550. Weiterhin bleibt die Zonenordung von 1949 rechtsgültig.
1980, 19. September: Einwohnerratsbeschluss. Die Gestaltung der Parzelle 1550 gemäss Nutzungsplan.
1980, 22. Oktober: Einwohnerratsbeschluss Birsfelden, betreffend „Erschliessung und Nutzung desAreal Kraftwerk (Parzelle 1550). „Aktion 1550“ ergreift gegen diesen Beschluss erfolgreich das Referendum, sie setzt sich für die Erhaltung des Areals als Grünfläche ein.
1980: Unterzeichnung Pachtverträge zwischen den zukünftigen nutzenden Vereinen (Tennisclub Birsfelden u. Familiengartenverein Birsfelden), der Gemeinde Birsfelden und der Kraftwerk Birsfelden AG (KWB). Für das Biotop „Am Stausee“ gab’s nie einen Pachtvertrag!
1981, 5. April: Abstimmung Gegenvorschlag zum Einwohneratsbeschluss der „Aktion 1550“. Der Einwohnerratsbeschluss wird mit 2226 Stimmen angenommen, der Gegenvorschlag von der „Aktion 1550“ abgelehnt.
1982, September: Quartierverein Sternenfeld Einladung Gemeinderat Birsfelden zur Sitzung für die Gestaltung der Parzelle 1550.
1983: Entstehung Grünanlage mit Blumenwiese, Hecken, Trockenmauer, Trockenbiotop und 600 m² grossem Teich mit Sumpfgebiet und einer max. Tiefen von ca. 1.90m, durch Natur- und Vogelschutzverein (NVVB) u. Quartierverein Sternenfeld.
1986: Der Froschbrunnen wird von der Gemeinde Birsfelden der Allgemeinheit geschenkt. Und seitdem vom Birsfelder Brunnenmeister gepflegt und gehegt.
2000: Alle Pachtverträge werden durch die KWB AG nach 20 Jahren gekündigt.
2001, 10. Dezember: Der Quartierplan 19 und damit der Bau eines Hochhauses an der Schleuse wird mit 251 zu 278 Stimmen abgelehnt.
2001, 20. Dezember: Stimmrechtsbeschwerde gegen den GVS-Beschluss vom 10. Dezember 2001 erheben K.H., H.F. und Konsorten, J.N. sowie der Gemeinderat Birsfelden beim Regierungsrat.
2002, 5. Februar: Regierungsratentscheid BL: Gutheissung der Beschwerden von K.H., H. F. und Konsorten sowie des Gemeinderates Birsfelden und diejenige von J.N. teilweise gut; der Gemeindeversammlungsbeschluss vom 10. Dezember 2001 betreffend Quartierplan 19 wird aufgehoben und der Gemeinderat Birsfelden wird angewiesen, den Quartierplan 19 der Gemeindeversammlung Birsfelden nochmals zur Beschlussfassung zu unterbreiten.
2002, 17. Februar: Erheben gegen den Regierungsratsentscheids BL Beschwerde beim Kantonsgericht BL; H.L. T.W, M.H., H.L., A.M., und E.H. sowie C.Z., I.M., H.M., und A. R.
2002: Kantonsgerichtsentscheid BL, wegen vielen Ungereimtheiten muss die Abstimmung über den Quartierplan 19 nochmals wiederholt werden.
2003, 24. März: GVS-Wiederholungsabstimmung. Der Quartierplan 19 und damit der Bau eines Hochhauses an der Schleuse wird mit 462 zu 398 Stimmen abgelehnt. Nach dem Scheitern der Hochhauspläne wird der bestehende Pachtvertrag zwischen der Kraftwerk Birsfelden AG (KWB) und der Gemeinde Birsfelden (Nutzer: Gemeinde, Familiengärtnerverein und Tennisclub) auf Ende der Laufzeit durch die KWB definitiv gekündigt. Trotz diesen Kündigungen und der ungelösten Perspektive für das „Biotop Am Stausee“, pflegt der NVVB Birsfeldens einziges Naturschutzgebiet in gemeinnütziger Fronarbeit weiter.
2003: Kündigung der 2 Wohnungen im alten Verwaltungsgebäude der KWB AG.
2006, 23. Oktober: Ortsplanrevision, Parzelle 1550 bleibt in der Spezialzone Kraftwerk und Erholungszone. Das „Biotop Am Stausee“ ist also weiterhin zonenkonform!
2008, 16. Oktober: Erscheinen des BAZ-Artikel „Luxuswohnungen und einen Park“ Neue KWB AG Pläne, das alte Verwaltungsgebäude soll um eine Etage aufgestockt werden, unten sollen Räume für Büros und Praxen entstehen, im oberen Stock vier grosszügige Wohnungen. Die Umgebung soll zu einem schönen Park umgestaltet werden. Pläne eines Landschaftsarchitekten liegen bereits vor, bei dem das 26 Jahre alte Biotop mit Weiher einmal mehr auf dem Spiel steht.
2009, 22. Juni: GVS-Abstimmung über die Mutation Zonenreglement Siedlung, damit die KWB AG Birsfelden ihr altes Verwaltungsgebäude aufstocken und umbauen können, mit gleichzeitig Neuerstellung von 8 oberirdischen Garagen, Neugestaltung eines Parks, evtl. mit Spielplatz, was das Aus für das Biotop mit dem Teich, der artenreihen Blumenweisen und Hecken bedeuten würde. Nach langen Diskussion und mehreren Anträgen, nimmt eine Mehrheit diese Mutation Zonenreglement Siedlung an.
2009, Juli: In der Ferienzeit wird das fakultativen Referendums gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung vom 22. Juni 2009, betreffend Mutation Zonenreglement Siedlung von SP, Grünen, Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden ergriffen.
2009, August: Gemeinde Birsfelden bestätigt Zustandekommen des Referendums mit 574 gültigen Unterschriften.
2009, 29. November: Urnenabstimmung über die Mutation Zonenreglement Siedlung. Das Referendum wird mit 1637 Ja-Stimmen gegen 1342 Nein-Stimmen abgelehnt. Nun steht die Zukunft des Hecken-Wiesen-Teich-Biotop am Stausee auf wackeligen Beinen.
2009, 09. Dezember: Einreichung der Interpellation von Jürg Wiedemann, Grüne Fraktion: Biotop als Ausgleichsfläche für den Bau der zweiten Schleuse, Amphibienschutz laut NHG Art. 18., usw.
2010, 12.März: Birsfelder Anzeiger- Artikel über „Die Naturschützer ziehen sich aus dem Biotop zurück“, betr. dem offenen Brief des Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden, an den Gemeinderat Birsfelden und des Verwaltungsrates der Kraftwerk Birsfelden AG (KWB). Der NVVB möchte schweren Herzens sein 27-jähriges Engagement und Pflege für das Biotop bei der Schleuse bis auf weiteres pausieren und an den Gemeinde Birsfelden und der KWB zurückgeben. Da nach der verlorenen Abstimmung vom 29. November 2010, die Zukunft ungewisser den je ist und dieser 27 Jahre alte Naturgarten, zerstört werden könnte, möchte der NVVB seine Mitglieder nicht mehr unnötig Aufbieten für die Pflege eines artenreichen Lebensraumes (= Biotop). Der NVVB erwartet eine eindeutige
Stellungsnahme vom Gemeinderat Birsfelden und dem Verwaltungsrat der KWB AG, für den Erhalt dieser „schutzwürdigen“ Naturoase im unmittelbaren Siedlungsraum.
2011: Das alte Verwaltungsgebäude der Kraftwerk Birsfelden AG auf der Parzelle 1550, wird zu 4 grossen Wohnungen und Büros umgebaut. Die Bauzeit geht bis Ende 2011. Die Parzelle 1550 wird momentan von der Gemeinde Birsfelden gepflegt, da die Mittel leider knapp sind nur sporadisch. Die artenreiche Blumenwiese wurde 2‑mal gemäht, leider wurde der Teich seit dem Pflegerückzug des NVVB von Anfangs 2010 nicht mehr gepflegt. Die Folgen, der Teich verlandet immer mehr. Es gilt weiterhin für den Teich des Biotop den nationale Amphibienschutz inkl. deren Brutstätte!
2011, Ende April: Treffen der Naturfreunde die sich weiterhin für das „Biotop Am Stausee“ stark machen wollen. Sie laufen unter dem Namen der Intressensgruppe: Die Freunde des „Biotop Am Stausee“. Ideengeber und Federführung Fritz Raschdorf und Judith Roth.
2011: Gesprächaufnahme der Freunde des „Biotop Am Stausee“ mit Kraftwerk Direktor Meyer. Ort: Kraftwerk Birsfelden AG, Büro Herr Meyer. Die Freunde des „Biotop Am Stausee“ würden gerne eine Art Pachtvertrag erhalten für den Teil der Parzelle 1550 wo sich das „Biotop Am Stausee“ befindet. Von Seite des Direktor Meyer wird zwar gesagt, dass dies wohl kaum machbar sei, doch verspricht er dies vor den Verwaltungsrag der Kraftwerk Birsfelden AG zu tragen.
2012, 23 April: Erscheinung des BAZ-Artikels: „Wieder Hoffnung für das Biotop am Stausee“. Dieser Artikel stimmt Zuversichtlich, besonders dass der neue Direktor – Herr Sascha Jäger der Kraftwerk Birsfelden AG einen neuen Weg einschlagen möchte. Damit es für die einmalige, wilde und deshalb artenreiche Naturoase Birsfeldens einen Lösung geben kann, ist ein sehr positives Zeichen.
2012, 11. Oktober: Erstes Gespräch der Freunde des „Biotop Am Stausee“ (Fritz Raschdorf u. Judith Roth), Naturschutzfachfrau Rita Rufener, Gemeinderat Grüne Birsfelden Jürg Wiedemann und Vogelexperte Georges Preiswerk mit dem neuen Kraftwerk Direktor Herrn Sascha Jäger betr. einer Pflegelösung fürs „Biotop Am Stausee“. Es wird beschlossen eine Art Pflegevereinbarung ins Auge zu fassen und diverse Naturschutzgesetzlichkeiten abzuklären. Weiter wird abgemacht, dass man sich wieder im Januar 2013 zu einem weiteren Gepräch trifft.
2012, 10. November: Da wir das OK vom Kraftwerk Direktor Herr Sascha Jäger erhalten haben, konnte eine erste Teichpflege-Aktion nach 3 Jahren Pflegepause, durchgeführt werden. 12 Helferinnen und Helfer der Freunde des „Biotop am Stausee“ Birsfelden und einige Mitglieder des Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden nahmen bei ströhmenden Regen daran teil.
2012, 13. November: Gemeinderatsbeschluss über die Weiterführung des „Biotops Am Stausee“ wird zwischen der Kraftwerk Birsfelden AG (KWB), der Gemeinde Birsfelden und dem Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden (NVVB) mit einer Vereinbarung der allgemeine Unterhalt und die Pflege des Biotops geregelt.
2013, 21. Januar: Zweites Gespräch der Freunden des „Biotop Am Stausee“ (Fritz Raschdorf
u. Judith Roth), Naturschutzfachfrau Rita Rufener, Gemeinderat Grüne Jürg Wiedemann,
Vogelexperte Georges Preiswerk und NVVB-Präsident Örni Akeret mit dem Kraftwerk Direktor Herrn Sascha Jäger betr. einer Pflegelösung fürs „Biotop am Stausee“. Es wird beschlossen, es soll ein Entwurf für eine Pflege-Vereinbarung zwischen Gemeinde
Birsfelden und NVVB ausgearbeitet werden mit der Unterstützung der Kraftwerk Birsfelden AG, sowie ein Pflegekonzept für die verschiedenen Biotoptypen. Ziel Gemeinderatsbeschluss und längerfristige Pflege-Vereinbarung.
2013, 2. Oktober: Der Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden, die Kraftwerk Birsfelden AG und die Gemeinde Birsfelden unterzeichnen als Probejahr eine Pflege- und Nutzungsvereinbarung des Biotop Am Stausee auf der Parzelle 1550, sowie ein Pflegekonzept.
2013, 28. Oktober: Herr Zopfi (Fischerreiaufseher des Kanton Baselland) und sein Mitarbeiter Herr Sutter haben am Morgen über 200 illegal ausgesetze Fische (Goldfische, Koi-Karpfen, Rotfedern etc.) aus dem Teich elektrisch abgefischt.
2014, 01 April: Der Natur- und Vogelschutzverein Birsfelden (NVVB) vetreten durch Rita Rufener und Judith Roth und Kraftwerkdirektor Herr Sascha Jäger werden vor den Gesamt-Gemeinderat Birsfelden geladen, um über das Pflegejahr 2013 und die zukünftige Pflege des „Biotop Am Stausee“ Bericht zu erstatten. Danach stimmt der Gemeinderat Birsfelden einstimmig einer definitiven Biotop- Pflegevereinbarung plus Pflegekonzept zwischen der Gemeinde Birsfelden, dem NVVB und der Kraftwerk Birsfelden AG zu.
2016, Frühjahr: Sanierung der alten Trockenmauer. Die 33 Jahre alte Trockenmauer ist in den letzten Jahren zerfallen und überwachsen, hatte darum langsam ihren ökologischen Wert verloren. Damit aber Mauereidechsen, Molche und Co. nicht ihren Lebensraum verlieren, haben wir in Zusammenarbeit mit der Grünspecht Gmbh und der finanziellen Unterstützung der Landbesitzerin, diverser Stiftungen, Privatpersonen und unserem Verein, von Ende Märze bis Anfangs Ende April eine neue Trockenmauer aufgebaut.
2016, 27. September: Der Gemeinderat informiert die Bevölkerung, welche vier Entwicklungsgebiete bei der Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts (STEK) im Fokus stehen. Sorgen bereiten uns unter anderem das Entwicklungsgebiet Rheinraum (4). Da der Verlust, des von uns betreuten „Biotop Am Stausee“ mit der neuen Trockenmauer (Mitfianziert durch die Grundstückbesitzerin: Kraftwerk Birsfelden AG), Wildblumenwiese, Hecken, Einzelbäumen, dem grossen Teich, sowie der Ast- und
Steinhaufen einmal mehr drohen könnte.
Vielleicht ist Ihnen im Laufe der Durchsicht dieser Chronik klar geworden, warum viele Menschen auf der Parzelle 1550 keine neuen Immobilien wollen?
Titelbild: Christoph Gloor †
Hans-Jörg Beutter
Juni 3, 2021
es ist kaum hoch genug einzuschätzen, welch wertvollen einwohner*innen-dienste das birsfälder.li (hier büchler/meury) regelmässig/ehrenamtlich leistet!
unabhängige info ist ein seltenes gut – dabei direkte voraussetzung für demokratisch sinnhafte entscheidfindungen.
die gemeinde birsfelden kann sich sehr glücklich schätzen – ob sie es zu würdigen weiss?!
max feurer
Juni 3, 2021
Danke für die ausführliche Information!