Mit der »Milchkuh-Ini­tia­tive« wollen die Autoim­por­teure ange­blich mehr Kosten­wahrheit im Verkehr erre­ichen. Aber der Ver­dacht ist begrün­det: Die Kühe wollen noch mehr Subventionen.

Der Frust der Aut­o­fahrer scheint zunächst berechtigt: Nur ger­ade 30 Prozent der Strassen- und Autos­teuern wer­den auch für die Strasse ver­wen­det. Die restlichen 70 Prozent fliessen in die Bun­deskasse und in den öffentlichen Verkehr – auf den ersten Blick ein klar­er Ver­stoss gegen das Verur­sacher­prinzip. Die Milchkuh-Ini­tia­tive des Ver­ban­des der Auto­mo­bil-Impor­teure will dies ändern. Gemäss sein­er Volksini­tia­tive sollen die Ben­zin­s­teuern auss­chliesslich der Strasse zugute kom­men – heute sind es 50 Prozent – und neue Abgaben nur mit einem Bun­des­ge­setz einge­führt wer­den kön­nen. Gegen ein solch­es kön­nte dann das Ref­er­en­dum ergrif­f­en werden.

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Typ­isch!

Der grösste Teil des auto­mo­bilis­tis­chen Ärg­ers müsste bei der Betra­ch­tung der Strassen­rech­nung allerd­ings ver­fliegen, die das Bun­de­samt für Sta­tis­tik alljährlich erstellt, um die zweck­ge­bun­dene Ver­wen­dung der Min­er­alöl­s­teuer sicherzustellen. Gemäss dieser the­o­retis­chen Rech­nung ste­hen den Ein­nah­men aus Min­er­alöl­s­teuer, Motor­fahrzeug­s­teuer, Auto­bah­n­vi­gnette etc. von 8,37 Mrd. Aus­gaben von 7,25 Mrd. für die Strasse gegenüber, also ein Gewinn zu Gun­sten der Aut­o­fahrer von 1,12 Mrd. oder 20 Prozent (Stand 2010, Quelle: Bun­de­samt für Sta­tis­tik). Die Real­ität ist also weit ent­fer­nt von der Behaup­tung von »Strasse Schweiz«, nach der 70 Prozent aller auto­mo­bilis­tis­chen Steuern in der all­ge­meinen Bun­deskasse ver­sick­ern. Weil die Strassen­rech­nung aber ein Mod­ell ist und keine effek­tiv­en Geld­flüsse misst, ist sie umstrit­ten. Sie soll dem­nächst rev­i­diert wer­den – allerd­ings zu Ungun­sten der Autofahrer.

Die Strassen­rech­nung enthält nur Kosten für Bau, Unter­halt und Finanzierung der Strassen und nicht die exter­nen Kosten für Unfälle, Lärm, Luftver­schmutzung etc. Gemäss ein­er Studie des Bun­de­samtes für Rau­men­twick­lung ARE sind dies rund 9 Mrd. pro Jahr, also mehr als die eigentlichen Strassenkosten. Diese wer­den bis jet­zt von der Gesamtheit der Steuerzahler bezahlt, also nicht nur von den Auto­mo­bilis­ten. Gemolken wer­den nicht die Aut­o­fahrer, son­dern die Steuerzahler. Sie sub­ven­tion­ieren nicht nur die Milchkühe; sie müssen auch noch mit ihrem Mist fer­tig werden.

Die offizielle Rech­nung der exter­nen Kosten hat allerd­ings gravierende Lück­en. Die Aut­o­fahrer nehmen näm­lich gratis eine Rei­he von öffentlichen Gütern in Anspruch, die auch ihren Preis haben, wie der ETH-Pro­fes­sor Anton Gun­zinger in ein­er Über­schlagsrech­nung zusam­mengestellt hat: Raum, Luft, Ruhe (bzw. deren Störung) und Sicher­heit (bzw. deren Gefährdung). Wer­den diese Güter angemessen bepreist, kom­men erkleck­liche Beträge zusam­men, die die All­ge­mein­heit den Aut­o­fahrern als ver­steck­te Sub­ven­tion zur Ver­fü­gung stellt.

Beispiel Raum: In der Schweiz beträgt die für Auto­mo­bil­ität benutzte Fläche 581 km², zum Teil an allerbester Lage. Zum Ver­gle­ich: Die für Wohnen, Arbeit­en und Freizeit ins­ge­samt genutzte Gebäude­grund­fläche beträgt nur 400 km². Wir brauchen also rund 50 Prozent mehr Fläche zum Herum­fahren als zum Leben. Der Grossteil dieser Flächen wird den Aut­o­fahrern umson­st zur Ver­fü­gung gestellt. Bei einem

Quadrat­meter­preis von durch­schnit­tlich 500 Fr./m2 ergibt dies einen Wert des Mobil­ität­sraumes von 290 Mrd. Franken, bzw. (bei einem Umwand­lungssatz von 8 Prozent ) ungedeck­te 23,2 Mrd. Franken pro Jahr.

Beispiel Ruhe: Lärm macht nicht nur Stress, son­dern entwertet auch die Liegen­schaften, an stark befahre­nen Strassen um bis zu 50 Prozent. Bei ein­er geschätzten Entwer­tung von durch­schnit­tlich zehn Prozent auf allen Liegen­schaften im Wert von total 2500 Mrd. ergibt dies 250 Mrd, bzw. 20 Mrd. jährlich (bei einem Umwand­lungssatz von 8 Prozent).

Beispiel Luft: Allein um die Kli­maschä­den des CO2 zu kom­pen­sieren, müsste der Strassen­verkehr pro Jahr 10,4 Mrd. Franken aufbringen.

Wird die bis jet­zt kosten­lose Nutzung dieser Geme­ingüter in den Ben­z­in­preis ein­gerech­net, kommt Anton Gun­zinger auf einen Liter­preis von Fr. 11.62, sechs mal mehr als heute.

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Die Aut­o­fahrer sind also nicht die »Milchkühe der Nation«, wie »Auto Schweiz«-Präsident Max Nöt­zli sagt, son­dern sie melken die Geme­ingüter gnaden­los aus. Von ein­er Abgel­tung extern­er Kosten hält er »weniger als gar nichts« und gibt zu bedenken, dass der Verkehr auch einen exter­nen Nutzen erbringe. Nur: Dieser Nutzen ist pri­vat. Aber auch er erken­nt: »Alles aufs Pen­deln auszuricht­en, war ein Fehler«. Aber der sei nicht rück­gängig zu machen. Wirk­lich nicht?

Wenn sich die ständi­ge Herum­fahrerei in weni­gen Jahrzehn­ten entwick­eln kon­nte, dann sollte sie in einem ähn­lichen Zeitraum auch zurück­zu­bilden sein – mit wahren Preisen. Denn auch die öV-Mobil­ität wird enorm sub­ven­tion­iert und müsste zweiein­halb mal teur­er wer­den. Kosten­wahrheit würde zu ein­er nach­halti­gen Ver­hal­tensän­derung führen. Wir wür­den Effizienz-Strate­gien kon­se­quent fördern, von der fos­silen auf elek­trische Mobil­ität mit einem wesentlich höheren Wirkungs­grad umsteigen, das Lokale pfle­gen und vieles mehr. Anstatt das Geld in die Wüste, d.h. den Erdöl­liefer­an­ten zu schick­en, wür­den wir es bei uns im Land in Effizienz investieren. Unter dem Strich wäre es vielle­icht nicht bil­liger, aber wesentlich lebenswert­er und die Schweiz würde in zwanzig Jahren zu einem Wun­der­land der Nach­haltigkeit mit einem Schatz an Tech­nolo­gien, die die ganze Welt früher oder später drin­gend braucht.

Der Artikel von Christoph Pfluger ist in der Zeitschrift ZEITPUNKT erschienen und passt hier aus aktuellem Anlass bzw. als kleines “Spin-off” unser­er Verkehrsserie. Wir haben den Artikel mit fre­undlich­er Genehmi­gung des Ver­lags abge­druckt. Die Zeitschrift ZEITPUNKT ist für ab und zu Ander­s­denkerIn­nen sehr spannend.

 

Und dazu die Weisheit zum Artikel:

»So geht es nicht mehr weit­er, wenn es so weit­er geht.«
Mot­to des »Zeit­punkt« von Erich Kästner

Er kommt, er kommt nicht, er
kommt, er kommt nicht, er kommt,
er kommt nicht, ... ad lib.
Alle Jahre wieder...

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