Sper­ber ist ein Erin­ner­er. Er lässt — abge­se­hen vom Kol­laps der kom­mu­nis­tis­chen Regime — alle Ereignisse und Auseinan­der­set­zun­gen dieses mörderischen und gle­ichzeit­ig hoff­nungsvollen europäis­chen 20. Jahrhun­derts auf­scheinen — gegen Vergessen und Bewusst­losigkeit, gegen Fra­glosigkeit und Gle­ichgültigkeit. Wie kaum ein ander­er erzeugt er his­torisches Bewusst­sein. Aber obwohl die Ober­fläche viel­er Schriften durch die Schilderung von poli­tis­chen Ereignis­sen bes­timmt ist, gibt es doch immer eine zweite Dimen­sion, eine Ebene, in der es um grundle­gende Fra­gen der men­schlichen Exis­tenz geht.

Diese ein­lei­t­ende Charak­ter­isierung von Manès Sper­ber und dessen Werk find­et sich im Vor­wort von “Manès Sper­ber, Zeuge des 20. Jahrhun­derts — eine Lebens­geschichte”, ver­fasst von Rudolf Isler. Isler, ehem. Dozent und Präsi­dent des Sen­ats der Päd­a­gogis­chen Hochschule Zürich, set­zt sich mit dem grossen Europäer seit vie­len Jahren inten­siv auseinan­der und hat eine span­nende und ausseror­dentlich gut les­bare Ein­führung in Leben und Werk dieses her­aus­ra­gen­den Europäers geschrieben. Zusam­men mit dem Filmemach­er Chris­t­ian Lab­hart zeich­net er auch ver­ant­wortlich für den Doku­men­tarfilm “Manès Sper­ber — ein treuer Ket­zer” und ist Ini­tia­tor und Mither­aus­ge­ber der dreibändi­gen Neuaus­gabe “Manès Sper­ber — Aus­gewählte Werke”, erschienen 2023 im Ver­lag Son­derzahl.

Sper­ber ist ein Europäer, fährt Isler weit­er. Mit sein­er Per­son und durch sein Werk repräsen­tiert er Europa — das ger­man­is­che und das lateinis­che, den Osten und den West­en, die religiöse Tra­di­tion und die Mod­erne. Er ste­ht für ein Europa mit ein­er grossen inte­gra­tiv­en Kraft und gle­ichzeit­ig für ein starkes unab­hängiges Europa, das sich für den Frieden engagiert.

Rudolf Isler schrieb dies zu Beginn des 21. Jahrhun­derts. Inzwis­chen hat sich die geopoli­tis­che Sit­u­a­tion für Europa auf drama­tis­che Weise ver­schlechtert, bedro­ht aus dem Osten und neuerd­ings auch aus dem West­en von Autokrat­en, geschwächt von immer stärk­er wer­den­den recht­spop­ulis­tis­chen Bewe­gun­gen in Europa sel­ber: Es tut gut, sich mit einem hellwachen Zeitgenossen auseinan­derzuset­zen, der das Ziel ein­er gerecht­en und men­schen­würdi­gen Gesellschaft nie aus den Augen ver­lor und unberir­rt seinen Weg ging.

Sper­ber ist ein mutiger Men­sch. Ein­er, der sich seit dem Zweit­en Weltkrieg nie gescheut hat, auf jeden Oppor­tunis­mus zu verzicht­en und seine Mei­n­ung gegen jeden noch so mächti­gen Trend zu äussern. (…)
Wenn geschichtlich­es Bewusst­sein in Zukun­ft eine Rolle spie­len und Geschichte also nicht an ihr Ende kom­men soll, brauchen wir Zeu­gen wie Manès Sper­ber. … Es ist Sper­bers Gewis­sheit, dass es sin­nvoll und — trotz aller Rückschläge für die Men­schheit — lohnend ist, sich für eine bessere und gerechtere Welt einzuset­zen:
Ich bin nie ein­er Idee begeg­net, die mich so über­wältigt und die Wahl meines Weges so bee­in­flusst hat wie die Idee, dass diese Welt nicht bleiben kann wie sie ist, dass sie ganz anders wer­den kann und es wer­den wird. Diese einzige, fordernde Gewis­sheit bes­timmt, seit ich denken kann, mein Sein als Jude und Zeitgenosse

In der näch­sten Folge am 8. Feb­ru­ar reisen wir nach Zablo­tow in Ost­gal­izien, wo Sper­ber in ein­er streng chas­sidis­chen Fam­i­lie aufwuchs.

An anderen Serien inter­essiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er  / A Basic Call to Con­scious­ness Leon­hard Ragaz / Chris­ten­tum und Gno­sis / Hel­ve­tia — quo vadis? / Aldous Hux­ley / Dle WW und die Katholis­che Kirche / Trump Däm­merung / Manès Sper­ber

Den Jubiläumsbuch Pin aufgabeln!
Wochenrückblick

Deine Meinung