Alle wollen die Schweiz nach ihren Vorstellungen gestalten. Möglichst still und leise. Aber wenn es nicht anders geht laut und schrill, mit Drohungen. Die Rede ist von den Wirtschaftsverbänden, den Bauernverbänden, den Patriotinnen und Patrioten, von politischen Gruppierungen bis zu gestandenen Parteien.
Ich wage hier einen Versuch, die Gefahren zu skizzieren.
Einstiegsthema für die ersten Folgen: Wie Faschismus beginnt.
Jason Stanley beschreibt in seinem Buch »Wie Faschismus funktioniert« (Westend Verlag) zehn Merkmale des Faschismus. So quasi ein Merkblatt, mit dem man Faschismus eruieren könnte. Ich gehe die einzelnen Punkte in den noch folgenden Artikeln mit Beispielen durch. Nicht jeder dieser Punkte führt zu Faschismus, aber all diese Punkte »auf einem Haufen«, z.B. bei einer Bewegung oder Partei, ist möglicherweise der Beginn von Faschismus.
Hier so quasi das Inhaltsverzeichnis:
Punkt 1:
Jede Nation hat ihre Mythen, ihre Verklärung einer schönen Vergangenheit. Die faschistische Version eines nationalen Mythos aber braucht Grösse und Macht.
Punkt 2:
Faschistische Propaganda stellt den politischen Gegner als Bedrohung für die eigene Existenz und eigene Traditionen dar.
»Sie« gegen »uns«. Wenn »sie« das Sagen haben, bedeute dies das Ende der Nation.
Punkt 3:
Der Führer legt fest, was wahr und was falsch ist. Wissenschaft und Wirklichkeit fordern seine Autorität heraus.
Komplexe Perspektiven sind eine Bedrohung:
Punkt 4:
Der Faschismus lügt. Die Wahrheit ist das Zentrum der Demokratie. Die Lüge ist der Feind der Freiheit.
Wer belogen wird, kann nicht frei wählen. Wer der Demokratie das Herz herausreißen will, muss die Menschen an die Lügen gewöhnen.
Punkt 5: Faschismus baut auf Hierarchien, und das sind die grössten Lügen.
Rassismus ist eine Lüge, keine Gruppe ist besser als die andere. Keine Religion, keine Ethnie, kein Geschlecht.
Punkt 6:
Wer an die Hierarchien glaubt und an seine eigene Überlegenheit, kann leicht nervös werden und Angst bekommen.
Faschismus erklärt seine Anhänger zu Opfern der Gleichheit. Deutsche Christen sind Opfer der Juden.
Weisse Amerikaner sind Opfer der Gleichberechtigung der schwarzen Amerikaner. Männer sind Opfer des Feminismus.
Punkt 7:
Der Faschismus sorgt für Recht und Ordnung. Was Recht und Ordnung ist, bestimmt der Führer.
Und er bestimmt auch, wer dagegen verstösst.
Punkt 8:
Der Faschismus hat Angst vor Sexualität.
Faschisten schüren Ängste vor trans Menschen, vor Homosexuellen, die nicht einfach nur ihr eigenes Leben führen, sondern das Leben der »Normalen« zerstören wollen und es auf ihre Kinder abgesehen haben.
Punkt 9:
Der Faschismus hasst die Städte. Es sind Orte der Dekadenz, der Eliten, der Einwanderer, der Kriminalität.
Punkt 10:
Der Faschismus glaubt, dass Arbeit frei macht.
Minderheiten und Linke sind von Natur aus faul.
Treffen alle Punkte zu, werde es eng, sagt Stanley. Der Faschismus erkläre den Menschen, dass ihnen ein existenzieller Kampf bevorstehe: Deine Familie ist in Gefahr. Deine Kultur. Deine Traditionen. Und die Faschisten versprechen, sie zu retten.
Die Zusammenfassung der zehn Punkte aus »Der Spiegel« vom 17. August 2024.