Eigentlich würde dieser Brief bess­er in meine Serie zum The­ma Arbeit passen und trotz­dem ist er so etwas wie eine Antwort auf deinen ersten »Regal­hal­tungs­buchar­tikel Fahren­heit 451«. Ich habe mich dann dage­gen entsch­ieden, damit ich auch ein­mal ein Titel­bild sein darf. Also:

Lieber Ueli
Du schreib­st in deinem Artikel  gegen das Auslei­hen von Büch­ern an. Hmmm, berechtigt? Oder nur elitär? Ich weiss nicht.

Als Mit­be­grün­der der Lit­er­aturzeitschrift »dreh­punkt«, Mit­be­grün­der der Gruppe Olten und Mit­be­grün­der der Lenos-Presse ist die Beziehung zur Lit­er­atur beziehungsweise zum Buch bei dir klar hergestellt.
Aber nicht nur das. Als Schrift­steller hast du auch eigene Werke in Buch­form geschaf­fen, z.B. »Ben­no« (Zyt­glogge 1972), »Der Faschis­mus ist eine alte Sache« (Lenos 1973), »Gespin­ster­n­is ein The­ater­stück« (Lenos 1989) das später auch noch zur Oper wurde und unzäh­lige Texte, die in Antholo­gien vertreten sind, um nur wenig anzudeuten. Vom Lyrikpreis des Kan­tons Basel-Land­schaft (1972) reden wir schon gar nicht mehr.

Dass für dich als Büch­ernarr, Schrift­steller und ehe­ma­liger Ver­leger die Motze zu meinem Beitrag »Teilen statt Haben« kom­men musste, ist, wenn auch nicht bedin­gungs­los berechtigt, dann doch ver­ständlich.

Als ehe­ma­liger Schrift­set­zer und fast Schweiz­erde­gen kann ich dir ja ein Liedlein sin­gen zur Dig­i­tal­isierung meines Berufs. Wenn ich denke, dass ich heute mit zwei Pro­gram­men (Inde­sign und Pho­to­shop  oder bil­liger z.B. mit Viva Design­er und Affin­i­ty Pho­to) alles machen

kann, was früher die Berufe des Hand­set­zers, Maschi­nenset­zers, Schrift­giessers, Repro­fo­tografen, Fotolith­o­grafen, Klis­cheurs, Stereo­type­urs, etc. umfasste, hast du ja teil­weise recht.

Aber nur teil­weise, denn neu ent­stand der Beruf des Poly­grafen, des Web­de­sign­ers, usw. Vom Poly­grafen gehen die Dat­en heute (z.T.) direkt in die dig­i­tal­en Druck­maschi­nen.

Das war jet­zt sehr vere­in­facht. Nicht abzus­tre­it­en ist, das hat viele, sehr viele Arbeit­splätze gekostet und nur wenig neue Arbeit­splätze geschaf­fen hat. Die Druckin­dus­trie wurde in den let­zten Jahren hal­biert. Und dass die Dig­i­tal­isierung Arbeit­splätze kostet, ist abso­lut klar, auch wenn viele Zweck­op­ti­mis­ten das Gegen­teil behaupten — entwed­er ist das Naiv­ität oder gezielte Lüge.

Und trotz­dem, dass mein erster Beruf aus­gestor­ben ist, gehe ich in Bib­lio­theken, die GGG Stadt­bib­lio­thek, die Uni­ver­sitäts­bib­lio­thek, die Bib­lio­thek des His­torischen Muse­ums und die Bib­lio­thek für Gestal­tung. Das hat ver­schiedene Gründe:
Sehr alte Büch­er, die nicht mehr nachge­druckt werden/wurden,
sehr spezielle, sehr kost­spielige Büch­er,
Fach­lit­er­atur zur Aneig­nung spezieller Fak­ten und Ken­nt­nisse,
usw.
Gerne würde ich viele dieser Büch­er kaufen, aber ich kann mir das als Pen­sion­iert­er schlicht und ein­fach nicht leis­ten. Ich habe z.B. 2017 im Birs­fälder­püng­gtli eine Serie zu »Kli­mawan­del und Birs­felden« geschrieben. Um mich in ver­schieden­er Hin­sicht kundig zu machen habe ich ganz sich­er ein Dutzend Büch­er, wenn nicht mehr, gele­sen, zig Büch­er nur in der Bib­lio­thek kon­sul­tiert.
Darum finde ich Bib­lio­theken für Leute mit kleinem Porte­mon­naie abso­lut gut und hil­fre­ich.

Oft kaufe ich mir auch Büch­er, die ich in der Bib­lio­thek aus­geliehen hat­te — oder dort »ange­le­sen« habe. Und auch ich habe einige Büch­er in der »Käfighal­tung«, die ich nie hergeben würde, hier nur wenige: »Eine Art zu leben« von Peter Bieri; »Nachtzug nach Liss­abon« vom gle­ichen Autor, der nun Pas­cal Merci­er heisst; »Gegen den Hass« von Car­olin Emcke; »Die Ret­tung der Arbeit« von Lisa Her­zog oder »Die Pest« von Albert Camus.

Eine andere Geschichte sind die Ver­lage. Mehr und mehr Ver­lage liefern dir die Texte nicht nur in gedruck­ter Form son­dern auch als Dig­i­tal­isat (Kin­dle und Kon­sorten lassen grüssen). Dass die Ver­lage mit dem dig­i­tal­isierten Buch dem gedruck­ten Buch das Grab schaufeln, kön­nte eher sein als die Bib­lio­theken — denn die dig­i­tal­en Büch­er für diverse Lesegeräte sind in der Regel auch bil­liger! So kostet heute ein exzel­lentes Buch zur Kli­makrise von Nao­mi Klein »Die Entschei­dung« als Paper­back Fr. 24.–, als eBook nur 19.–. Und trotz­dem: Auch ich finde es schön­er ein Buch in den Hän­den zu hal­ten, als einen Kin­dle.

Teilen statt Haben hat aber auch einen ökol­o­gis­chen Anteil, einen kli­maschützen­den:
Büch­er brauchen Papi­er, Papi­er braucht Zel­lu­lose, Zel­lu­lose braucht Holz, Holz braucht Wald … Vielle­icht kennst du ja auch die kleine Geschichte »Dr Joggeli will go Bir­li schüt­tle, d Bir­li wänn nit falle, …«.
Aber natür­lich ist der Papierver­schleiss auch nur eine Seite, es würde aber dem Kli­ma schon helfen, wenn z.B. die Welt­woche nicht mehr gedruckt würde. Und min­destens ein gross­er Wald geht uns Schweiz­ern sowieso am Arsch vor­bei …

Darum lieber Ueli, mach mir die Bib­lio­theken nicht ganz madig. Und: Ich freue mich auf die Buchgeschicht­en aus dein­er Bib­lio­thek!

Und eine Weisheit zur Sache:

Einige besitzen ihre Bib­lio­thek so,
wie ein Eunuch den Harem.
Vic­tor Hugo

 

 

 

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