In seinem let­zten Edi­to­r­i­al in der Welt­woche erhebt ihr Chefredak­tor und Her­aus­ge­ber ein Loblied auf die Schweiz: “Die Schweiz ist in mancher­lei Hin­sicht die Ver­wirk­lichung dessen, was die meis­ten Men­schen ersehnen, aber nicht haben: Frieden, Frei­heit, Demokratie, Wohlfahrt, auch in sozialer Hin­sicht, eine intak­te Umwelt und Volk­srechte, die den Bürg­erin­nen und Bürg­ern mehr Macht in die Hand geben als in jedem anderen Land der Welt.”

Damit hat er ganz sich­er nicht unrecht, doch dann holt er bald ein­mal zum Run­dum­schlag gegen all jene Schweiz­erin­nen und Schweiz­er aus, die das SVP-Parteipro­gramm nicht herun­ter­beten, und erhebt mah­nend den Fin­ger: “Die Schweiz ist ein grossar­tiges Land. Und gefährlich wer­den kön­nen der Schweiz nur die Schweiz­er”, — näm­lich jene — siehe oben.

Das Edi­to­r­i­al wird mit einem Bild von Jean-Jacques Rousseau mit dem Unter­ti­tel: “Das glück­lich­ste Volk der Welt: Philosoph Rousseau” einge­führt. Und Rousseau wird dann auch gle­ich zitiert: “Die Schweiz­er seien, schrieb Jean-Jacques Rousseau in seinem Klas­sik­er «Gesellschaftsver­trag» bere­its 1762, auf­grund ihrer Volk­srechte «le peu­ple le plus heureux du monde», das glück­lich­ste Volk der Welt.”

Nun, ganz abge­se­hen davon, dass Roger Köp­pel und Jean Jacques in Sachen Weltan­schau­ung das Heu kaum auf der gle­ichen Bühne haben, lohnt es sich, diese Aus­sage etwas unter die Lupe zu nehmen:
— 1765 lebte Rousseau auf der Petersin­sel im Biel­ersee, wo er, wie er sel­ber meinte, die glück­lich­sten Momente seines Lebens ver­brachte. Das Idyll dauerte nicht lange, weil ihn der Bern­er Geheime Rat als uner­wün­scht­en Ruh­estör­er auswies.
— Ein paar Jährchen vorher hat­te ein Bern­er Bürg­er namens Samuel Hen­zi die ganz schlechte Idee, in Bern etwas mehr demokratis­che Volk­srechte zu fordern, z.B. dass Mag­is­tratsper­so­n­en vom Volk für eine Amts­dauer gewählt wer­den soll­ten und der Staat seine Rech­nung jährlich zu veröf­fentlichen habe. Am 17. Juli 1749 wur­den er zusam­men mit zwei “Mitver­schwör­ern” auf Geheiss der Bern­er Regierung nach schw­er­er Folterung dem Schar­frichter übergeben und enthauptet.

Der “Fall Hen­zi” erregte übri­gens sog­ar inter­na­tion­al Auf­se­hen, und kein Gerin­ger­er als Got­thold Ephraim Less­ing, Autor u.a. von “Nathan der Weise” und “Emil­ia Galot­ti” wollte dazu ein weit­eres The­ater­stück ver­fassen. Das Pro­jekt kam dann aber — lei­der — nicht über den 2. Akt hinaus.

Moral der Geschicht’: Es lohnt sich dur­chaus, sowohl Aus­sagen von Roger Köp­pel wie von Jean-Jacques Rousseau ein­fach ab und zu mit der geschichtlichen Real­ität zu konfrontieren 😉

I.P.V.T.
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