Seit dem letzten Gespräch mit unserer Landesmutter Helvetia sind fast drei Wochen vergangen, sodass sich der Schreiberling mit einigen Erfahrungen und vielen Fragen eines Nachts erneut an der Mittleren Brücke einfand. Helvetia fand sich bereit, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
Schreiberling: Hochedle Helvetia, ich danke dir, dass du erneut bereit bist mir zuzuhören und zu raten. Ich habe es — fast — geschafft, jeden Morgen so zu meditieren, wie es du mir vorgeschlagen hast, und dabei interessante Erfahrungen gemacht.
Helvetia: Lass hören!
Sch: Also -, zu Beginn nervte ich mich oft, dass ich, ohne es wirklich zu realisieren, plötzlich wieder mitten im Gedankenradio steckte. Manchmal sogar ziemlich lange. Doch dann erinnerte ich mich an deinen Hinweis: Nicht aufregen, einfach zur Kenntnis nehmen, und wieder zu meinem “Wort” zurückzukehren.
H: Und?
Sch: Nach ein paar Tagen stellte ich befriedigt fest, dass es mir gelang, über längere Zeit — also ein paar Minuten — bei meinem “Wort” zu bleiben. Ich hatte übrigens Glück: Gleich von Anfang an spürte ich, dass die Auswahl für mich stimmig war und ich damit fortfahren würde. Dabei machte ich eine Erfahrung, die mich jetzt motiviert, mit der Meditation weiterzumachen …
H: Erzähle!
Sch: In diesen Minuten breitete sich jeweils in mir etwas aus, dass ich so intensiv noch nie erlebt hatte: Stille.
H: Aha, interessant .. Aber wieso motiviert dich diese Erfahrung, deine Meditation weiterzuführen?
Sch: Ich weiss nicht, ob ich dafür die richtigen Worte finde, aber ich will es versuchen. Ich begann, mich meines Körpers viel bewusster zu werden als im üblichen Tagestrott. Zu spüren, wie sich diese Stille in meinem ganzen Körper ausbreitete und ihn entspannte, war sehr schön. Aber das war noch nicht alles. Ich hatte in diesen Momenten der Stille das Gefühl, dass sich “etwas” in mir öffnete und ich Zugang zu einer neuen “Bewusstseinsschicht” in mir fand.
H: Hast du einen Unterschied zu deinem gewöhnlichen Tagesbewusstsein gespürt?
Sch: Ja, das war ja gerade das Faszinierende: Ich hatte ganz stark das Gefühl, wenigstens kurz mit dem in Kontakt zu kommen, was ich wirklich bin, — sozusagen mit meinem wahren Wesen. Und da tauchte dann die Frage auf: Was meine ich eigentlich, wenn ich “ich” sage?
H: Das ist tatsächlich eine spannende Frage. Vielleicht solltest du dich mal etwas bei C.G. Jung umschauen …
Sch: Was! Du beschäftigst dich auch mit C.G. Jung!?
H: Glaubst du, ich lasse mich einfach mit meiner “Allegorie”-Rolle abspeisen, die ich je länger je mehr als Belastung erlebe ?
Sch: Das hast du schon einmal gesagt. Vielleicht kapiere ich es irgendwann. Und vielleicht hilft mir C.G. Jung auch bei meiner Frage, was mit dem “Königreich des Inneren” gemeint ist, etwas weiter?
H: Mag sein, wir werden sehen.
Sch: Gut, ich werde deinem Vorschlag folgen. Themawechsel: Du hast ja kürzlich — allerdings tagsüber — Besuch bekommen von SVP-Christoph Mörgeli im Zusammenhang mit seiner Sendung “Meilensteine der Schweizer Geschichte”. Hat dich das nicht geehrt?
H: (bleibt stumm und verdreht die Augen)
Sch: Mich würde interessieren, was dich daran offensichtlich so gestört hat. Können wir auch darüber einmal sprechen?
H: Ich werde es mir überlegen.
Sch: Ich danke dir für unser Gespräch, und melde mich gerne wieder, sobald ich mich mit C.G. Jung auseinandergesetzt habe, wenn es dir recht ist.
H: Das sei dir gewährt.
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