Helvetia — quo vadis? 2

Der birsfaelder.li-Schreiberling hat aus höchst geheimen Quellen erfahren, dass man mit der sin­nen­den Hel­ve­tia auf dem Brück­enpfeil­er der Mit­tleren Brücke jew­eils zur Geis­ter­stunde dank einem magis­chen Code kom­mu­nizieren kann. Schon der erste Ver­such war von Erfolg gekrönt! Hier fol­gt die exk­lu­sive Wieder­gabe des Gesprächs im birsfaelder.li!!

Sch(reiberling): Ehren­werteste Hel­ve­tia, Schutz­pa­tron­in der Eidgenossen­schaft, darf ich dich fra­gen, warum du so sin­nend dasitzt?
Hel­ve­tia: Ich betra­chte den Rhein. Er ist ein Sinnbild für das ewig strö­mende Leben, das uns alle immer weit­erträgt ..
Sch: Das ist ein erheben­der Gedanke. Aber warum glaube ich in deinem edlen Gesicht so etwas wie Müdigkeit zu erken­nen?
Hel­ve­tia: (tief seufzend) Ach, wie mir diese Rolle zum Hals hin­aushängt …
Sch: Wovon sprichst du da?
Hel­ve­tia: (resig­niert und wütend zugle­ich) Natür­lich von meinem Münzjob! Seit 1875 muss ich stolz auf dem 50-Rap­pen-Stück und dem Ein- und Zweifrän­kler posieren …
Sch: Aber das ist doch eine Ehre!?
Hel­ve­tia: Wenn du wüsstest, wofür ich alles her­hal­ten musste in in diesen bald 200 Jahren!! Da hat­te es mein guter Fre­und auf dem Fün­fliber doch etwas ein­fach­er ..
Sch: Span­nend, du sprichst vom Tell! Weisst du, dass zur Zeit ger­ade wieder darüber disku­tiert wird, ob es den Tell wirk­lich gegeben hat oder nicht? Vor allem die SVP set­zt im diesjähri­gen Wahlkampf voll auf unseren berühmtesten Mit­bürg­er. Aber Moment mal: Ist dir die Schweiz­erische Volkspartei über­haupt ein Begriff!?
Hel­ve­tia: Ich weiss über die Schweiz­er Poli­tik bestens Bescheid. Ich bin schliesslich die Hel­ve­tia!
Sch: Das leuchtet mir ein. Bist du mit dem aktuellen SVP-Wahlkampf zufrieden?
Hel­ve­tia: (mich mit blitzen­den Augen durch­bohrend) Was für ein elen­des Dop­pel­spiel dieser Partei …
Sch: Was meinst du damit? Immer­hin hat Roger Köp­pel, das inof­fizielle Sprachrohr der SVP, am 1. August ger­ade die eid­genös­sis­che Frei­heit besun­gen, die wir dem Tell und seinen Schwurgenossen auf dem Rütli ver­danken!
Hel­ve­tia: (verächtlich schnaubend) Hohles Geschwätz!! Seit Jahr und Tag verkün­det das Blättchen dieses Pro­pa­gan­dis­ten das Hohe­lied auf all jene, die der Frei­heit und der Demokratie an den Kra­gen wollen …
Sch: Kannst du ein biss­chen deut­lich­er wer­den?
Hel­ve­tia: Gerne. Da wäre z.B. ein Don­ald Trump, den die Welt­woche seit seinem Amt­santritt 2016 bejubelt, ein Jair Bol­sonaro, sein Brud­er im Geiste, ein Vik­tor Orban oder ein Ben­jamin Netanyahu, die als Toten­gräber der Demokratie wirken und von der Welt­woche hoch gelobt wer­den, ein Putin …
Sch: Ich ver­ste­he, die Aufzäh­lung reicht. Du sche­inst ja in der Welt­poli­tik auch recht gut Bescheid zu wis­sen …
Hel­ve­tia: Selb­stver­ständlich. Ich tausche mich ja auch regelmäs­sig mit Mar­i­anne, Bri­tan­nia, Ger­ma­nia und Aus­tria aus. Auch sie begin­nen sich mehr und mehr Sor­gen zu machen, wohin Europa steuert … Mar­i­anne kämpft ger­ade gegen ihre Vere­in­nah­mung durch die Recht­sradikalen in Frankre­ich. 
Sch: Du meinst also, dass wir den Tell am besten vergessen sollen?
Hel­ve­tia: Über­haupt nicht! Mein Fre­und soll seinen Ehren­platz in der Schweiz­er Geschichte dur­chaus behal­ten dür­fen. Aber es ist gefährlich und schäbig von ein­er Partei, die ein ziem­lich ges­paltenes Ver­hält­nis zum The­ma “Macht und Demokratie” zu haben scheint, Tell als Galions­fig­ur vor sich her zu tra­gen. 
Sch: Inter­es­sant … Worin soll denn dieser Ehren­platz von Wil­helm Tell beste­hen?
Hel­ve­tia: Das braucht etwas mehr Zeit, als wir noch zur Ver­fü­gung haben. 
Sch: Dann werde ich, ehren­werteste Hel­ve­tia, dich zu einem späteren Zeit­punkt gerne wieder auf­suchen.
Hel­ve­tia: (huld­voll) Das sei dir gewährt!

Mal schauen, ob es mit der Fort­set­zung des Gesprächs bis zur näch­sten Folge am Don­ner­stag, den 24. August reicht …

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