Als sich 1848 der eidgenössische Staatenbund zum Bundesstaat mauserte, galt es auch, den kantonalen Münzwirrwar durch eine einheitliche Währung abzulösen, — im Ancien Régime hatten mit Ausnahme von Appenzell Ausserrhoden alle Orte über ihre eigenen Münzsstätten verfügt.
Wie Franken und Rappen zu ihrem Namen kamen, kann hier nachgelesen werden. Doch wie kam unsere Helvetia auf die neuen Zweifranken‑, Einfranken- und 50Rappen-Münzen?
Am 13. Mai 1850 schrieb der Bundesrat einen Wettbewerb für die Gestaltung der ersten Einheitsmünze aus:
“Die Zeichnung auf dem Avers (Vorderseite) soll anschaulich machen, dass die Münze eine schweizerische ist. … Im Übrigen ist der Erfindungsgabe und dem Geschmack der Künstler der freieste Spielraum gestattet.”
Diese liessen sich nicht zweimal bitten: Das Schweizerkreuz, die drei Rütli-Eidgenossen, Wilhelm Tell, ein strammer Krieger, Schlachtkapellen, diverse weibliche Figuren mit Schild, Lanze oder Fackel sowie diverse Allegorien und Symbole wie Winkelmass oder Waffenbündel lieferten sich einen Konkurrenzkampf um die Gunst der Entscheidungskommission.
Deren Mehrheit sprach sich für eine nicht-figürliche Variante aus, die Minderheit für eine figürliche, vorzugsweise in weiblicher Gestalt: “… und figure de femme représentant la Suisse (Helvétia) qui s’appuie sur la Constitution et sur son épée.”
Zur Minderheit gehörte auch der Kommissionspräsident und Basler Bankier Johann Jakob Speiser, der sich nicht geschlagen geben wollte und das Finanzdepartement mit diesen Argumenten zu überzeugen suchte:
“… ein Wappen mag seine interessanten Eigenthümlichkeiten haben, es lässt sich mit geschmackvollen, sinnbildlichen Zierarthen umgeben und wird dann auch andere, ausser den blossen Heraldikern ansprechen — ein Kunstwerk in höherem Sinn kann das Wappen aber nie seyn. Das höchste Produkt der Kunst bleibt aber immer die idealistische Darstellung der menschlichen Gestalt. (…) Deswegen, wenn unsere Münzen wahre Kunstwerke seyn sollen, wenn man wünscht, dass sie zum Volk auch reden und nicht nur als stumme Werthzeichen von Hand zu Hand gehen, so muss eine sinnbildliche Figur darauf erscheinen.”
Speiser schaffte es tatsächlich, das Finanzdepartement mit einem Vorschlag des in Paris lebenden Genfer Künstlers Antoine Bovy zu überzeugen, weshalb der Bundesrat im September schliesslich entschied, dessen “sitzender Helvetia” grünes Licht zu geben, kritisierte aber
“… an der Figur sei der linke Fuss im Verhältnis zu den übrigen Körpertheilen zu breit, der Ausdruck der in der Haltung des Armes liege, der gegen die Berge weise, zu gebieterisch, ferner würde es dem erforderlichen Anstande besser entsprechen, wenn die Brust und die untern Körpertheile nicht so sehr ausgeprägt wären.”
Als die ersten Frankenstücke mit der sitzenden Helvetia erschienen, stiess das “Frauenzimmer” auf wenig Begeisterung und man machte sich über den zu langen Arm lustig.
Doch die neue Einheitswährung setzte sich im Volk schliesslich rasch durch.
1874/75 stand die erneut von Bovy entworfene Helvetia auf, — und sie steht, wie man sich überzeugen kann, bis heute 🙂
(sämtliche Bilder und Zitate aus Georg Kreis, Helvetia)
Nächste Folge am Donnerstag, den 30. November.
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