Da haben wir also am Frauenstreiktag auch das »Hetztrablatt« der SVP im Briefkasten gehabt. Titelthema: Vernunft statt Ideologie.
Dass in den Artikeln nur die pure Vernunft auftaucht und keine Ideologie scheint aber nicht so gelungen zu sein. Dafür müssen wir allerdings zuerst einmal schauen, was unter Ideologie zu verstehen ist.
Wikipedia sagt: Ideologie
Ideologie (französisch idéologie; zu griechisch ἰδέα idéa „Idee“ und λόγος lógos „Lehre“, „Wissenschaft“ – eigentlich „Ideenlehre“) steht im weiteren Sinne bildungssprachlich für Weltanschauung. Im engeren Sinne wird damit zum einen auf Karl Marx zurückgehend das „falsche Bewusstsein“ einer Gesellschaft bezeichnet, zum anderen wird in der amerikanischen Wissenssoziologie jedes System von Normen als Ideologie bezeichnet, das Gruppen zur Rechtfertigung und Bewertung eigener und fremder Handlungen verwenden. Seit Marx und Engels bezieht sich der Ideologiebegriff auf „Ideen und Weltbilder, die sich nicht an Evidenz und guten Argumenten orientieren, sondern die darauf abzielen, Machtverhältnisse zu stabilisieren oder zu ändern“.
Aha. Oder?
Wikipedia sagt: Politische Ideologie
Eine politische Ideologie (auch Ideologismus, siehe ‑ismus) oder Strömung ist die Gesamtheit der Ideen, Vorstellungen und Theorien zur Begründung und Rechtfertigung politischen Handelns. Wie bei jeder wertneutral verstandenen Ideologie sind es in erster Linie die Grundeinstellungen und Wertvorstellungen, die von ihren Anhängern geteilt und für wahr gehalten werden. Politische Programme basieren immer auf bestimmten Wertesystemen. Typisch für politische Ideologien ist zudem die Kombination von bestimmten Interessen und die starke Absicht zu ihrer konkreten politischen und sozialen Umsetzung. Eine Ideologie möchte die Welt nicht nur erklären, sondern auch beeinflussen, so dass politische Ideologien Ausdruck verfestigter politischer Normen und Einstellungen mit einem normativen Gestaltungsanspruch sind. Sie motivieren das politische Verhalten der Menschen und sind damit ein wesentlicher Teil politischer Orientierung.
Die grundlegenden, modernen politischen Ideologien sind Liberalismus (Betonung der Freiheit), Sozialismus (Betonung der Gleichheit) und Konservatismus (Betonung von gesellschaftlichen Traditionen).
Aha. Oder:
Duden sagt: Ideologie, die
Bedeutungen: (3)
1. an eine soziale Gruppe, eine Kultur o. Ä. gebundenes System von Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Wertungen. Beispiele:
eine bürgerliche, demokratische Ideologie
die Ideologie der herrschenden Schicht
die Ideologien einer Zeit
eine Ideologie vertreten
jemandem seine Ideologie aufzuzwingen versuchen
2. politische Theorie, in der Ideen (2) der Erreichung politischer und wirtschaftlicher Ziele dienen (besonders in totalitären Systemen). Beispiele:
eine faschistische, kommunistische Ideologie
politische Ideologien
3. weltfremde Theorie
Synonyme zu Ideologie
Anschauung, Ansicht, Auffassung, Denkart, Denkweise, Einstellung, Geisteshaltung, Gesinnung, Grundeinstellung, [Grund]haltung, Lebensanschauung, Sinnesart, Überzeugung, Vorstellung, Weltanschauung, Weltbild; (bildungssprachlich) Mentalität; (veraltend) Denkungsart, Denkungsweise
Ich halte mich am liebsten an den Duden und seine Synonyme,
Denn diese fassen alles Notwendige zusammen.
Wenn die SVP also Ideologien verteufelt (siehe Bild) und Ideologen verteufelt, frage ich mich, ob denn die SVP keine Ideologie hat?
Hat die SVP keine Anschauung der Lage?
Hat die SVP keine Ansichten zu den Problemen der Zeit!
Hat die SVP keine Geisteshaltung und Gesinnung?
Hat die SVP keine _________________?
Weitere Synonyme können Sie hier einfügen …
Oder anders gefragt: Kann man denn eine DIN-A3-grosse 18seitige Zeitung ohne Überzeugung, Weltanschauung und Weltbild seriös gestalten?
Oder heisst das ganz einfach, wenn Ideologen Ideologen Ideologen schimpfen, sind ganz sicher Ideologen am Werk? Oder heisst das dann auch inflationäre Redundanz?
Mit dem Inhalt haben sich auch einige (Online)Zeitungen auseinandergesetzt:
Zum Beispiel Nau:
»Die SVP macht in ihrem Extrablatt Wahlkampf mit Roger Köppels «Klimateufel».
Auch das Argumentarium wird aus Köppels Ständeratswahlkampf übernommen.
Die SVP folge nicht einfach den Fussstapfen des Weltwoche-Chefs, sagt Präsident Rösti. (Na ja …)
Doch scheinbare Widersprüche wischt Albert Rösti galant beiseite. Einerseits sagt die SVP (wie Roger Köppel dereinst fehlerbehaftet vorgerechnet hat), der CO2-Anteil der Schweiz sei verschwindend klein.
Andererseits darf Magdalena Martullo stolz vorrechnen, wie viel dieses wenigen CO2 ihre EMS-Chemie schon eingespart hat. «Wir können mit solchen Beispielen weltweit zeigen, was machbar ist», erläutert Albert Rösti. So könnten auch die USA oder China von uns lernen.
Oder von Roger Köppel, der im Extrablatt von sich selbst interviewt wird. Oder von seinem grössten Fan, denn in der Einleitung wird er unbescheiden als «hervorragender Analyst» vorgestellt. Seine Analyse: «Der Klimawandel ist eine Tatsache. Seit Millionen von Jahren.»
Zum Beispiel Watson
Macht wie andere Zeitungen einen Faktencheck:
https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft/606008950-svp-extrablatt-zur-zuwanderung-6-aussagen-im-faktencheck
Fazit = Viele Halbwahrheiten werden aufgebauscht.
Zum Beispiel Tagesanzeiger, Basler Zeitung und Bund:
Sie zeigen wie nicht anders zu erwarten nicht je eine eigene Arbeit, sie gehören jetzt ja alle zum gleichen Stall. Kostet!
https://www.bazonline.ch/schweiz/das-klima-extrablatt-der-svp-im-experten-check/story/12375561
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, die SVP möchte nicht nur als Parteigrundfarbe grün, sondern auch real als etwas grüner wahrgenommen werden, aber in der Hauptsache beim alten Thema bleiben, abgeschaut bei der Nationalen Aktion, den Schweizer Demokraten, usw.
Für mich sind Fake News und Halbwahrheiten, auch wenn sie auf 18 Seiten gehäuft vorkommen, einfach wenig erhellend — oder eben doch?
Übrigens:
Die Gegner als Teufel hinzustellen ist auch absolut keine SVP-Eigenschöpfung. Schon gar nicht von Köppels. Das schafften auch die ganz Freisinnigen mit ihrer Liste 1 zu den Nationalratswahlen vor vielen Jahren (gerade nach dem Landesstreik 1919, der ersten Proporzwahl für den Nationalrat!)
Und die Weisheit zur Sache:
Du siehst, es ist ganz einfach. Die Menschen glauben zu viel und zweifeln zu wenig. Oder aber sie tun das eine und das andere zur falschen Zeit.
Sebastian Castellio an Bernardino Ochino, 1563
Max Feurer
Jun 19, 2019
Lieber Franz,
Du begreifst es einfach nicht … Die SVP will doch einfach — so wie Andreas Glarner mit seinem Anti-Muslim-SMS — DIE SCHWEIZ RETTEN ‚-)
Franz Büchler
Jun 20, 2019
Wahrscheinlich bin ich der seltene Fall, der gerne selbst bestimmt, wer mich retten darf.