Bevor wir uns den wei­te­ren Roma­nen Mey­rinks zuwen­den, — aller­dings nur auf “Wal­pur­gis­nacht” etwas tie­fer ein­ge­hen wer­den -, hier noch ein Hin­weis auf die rät­sel­haf­tes­te Epi­so­de im Leben des Schrift­stel­lers: Sein Enga­ge­ment für die deut­sche Kriegspropaganda.

Offen­sicht­lich wur­de Mey­rink im Juli 1917 ins Aus­wär­ti­ge Amt in Ber­lin ein­ge­la­den, wo man ihm den Vor­schlag mach­te, einen Roman zu schrei­ben, in dem die Frei­mau­rer, ins­be­son­de­re die fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen, für den Aus­bruch des Krie­ges ver­ant­wort­lich gemacht wer­den soll­ten. Start­auf­la­ge: eine hal­be Mil­li­on Exem­pla­re, mit einer Über­set­zung ins Eng­li­sche und Schwe­di­sche. “Auf Mey­rinks erstaun­te Fra­ge, war­um man nicht einen natio­nal den­ken­den Autor mit die­ser Auf­ga­be betrau­en wol­le, habe er zur Ant­wort erhal­ten, man benö­ti­ge dazu einen Schrift­stel­ler, von dem das Publi­kum wis­se, dass er dem Bereich des Mili­tä­ri­schen kri­tisch, ja mehr als kri­tisch gegen­über ste­he. Mey­rink habe zuge­sagt, wohl in der Über­zeu­gung, sei­nen Auf­trag in einer Wei­se durch­füh­ren zu kön­nen, in der er sei­ne Auf­fas­sun­gen nicht wür­de ver­leug­nen müs­sen, und ein­schlä­gi­ge Lite­ra­tur zum The­ma aus­ge­hän­digt bekom­men.” (Hart­mut Binder)

Wie dem auch sei, aus dem Pro­jekt wur­de nichts, genau­so wenig aus einem Film­pro­jekt, zu dem er das Dreh­buch hät­te schrei­ben sol­len:  Es han­del­te sich “um einen für das Aus­land bestimm­ten Pro­pa­gan­da­film, der vor allen Din­gen das deut­sche Leben zei­gen soll­te, und zwar “um die sug­ges­ti­ve Wir­kung mög­lichst ein­heit­lich und stark zu machen”, “aus­schliess­lich von sei­ner moder­nen Sei­te” … geeig­net, den Ein­druck zu erwe­cken, dass die­ses moder­ne deut­sche Leben “vor allen Din­gen frei­heit­lich, freu­dig und für das Auge schön ist”.
Es soll­te u.a. das Schloss Sans­sou­ci in Pots­dam als Schau­platz sport­li­cher Betä­ti­gung gezeigt wer­den, “um den Ein­druck zu zer­streu­en, dass es in Pots­dam bloss Sol­da­ten und preus­si­schen Drill gibt”; die poli­ti­sche Betä­ti­gung des deut­schen Vol­kes, um zu “sug­ge­rie­ren”, dass die­ses unter “Betei­li­gung der Intel­li­genz”, “selbst an der Gestal­tung sei­nes Schick­sals teil­nimmt.” (dito)

Das Ende des Kriegs und die deut­sche Nie­der­la­ge liess bei­de Pro­jek­te hin­fäl­lig werden.

Hart­mut Bin­der, der Autor der über 700 Sei­ten lan­gen Bio­gra­phie Mey­rinks, kann sein Erstau­nen nicht ver­heh­len: “Wenn man es nicht schwarz auf weiss vor Augen hät­te, man wür­de es nicht glau­ben: Das Aus­wär­ti­ge Amt, das doch die Eig­nung des Kan­di­da­ten gewiss geprüft hat­te, beschliesst, das Libret­to für einen Pro­pa­gan­da­film, der das krieg­füh­ren­de Deutsch­land ver­herr­li­chen soll­te, einem Mann anzu­ver­trau­en, der durch Sati­ren berühmt gewor­den war, in denen er bekämpft und läc­ber­lich gemacht hat­te, wofür er jetzt ein­tre­ten sollte.Und die­ser selbst, gera­de in die­sen Mona­ten von der deutsch­na­tio­na­len Pres­se wegen sei­ner pazi­fis­ti­schen, mili­tär­feind­li­chen Hal­tung aufs hef­tigs­te ange­grif­fen und genö­tigt, aus Zen­sur­grün­den sei­ne eige­nen Wer­ke zu ver­stüm­meln, stimmt die­sem Unter­neh­men zu, er, der lie­ber Spreng­stoff als Kle­be­mit­tel sein woll­te und spä­ter als Maxi­me for­mu­lie­ren soll­te: “Der Staat ist kei­nes Men­schen Freund”.

Es blei­ben Spe­ku­la­tio­nen und Ver­mu­tun­gen, z.B. mei­ne eigene:
Die Frei­mau­re­rei stand schon seit ihrer Ent­ste­hung im Ver­dacht, dunk­le Machen­schaf­ten zu pfle­gen, obwohl sie doch als Ziel die Ver­ede­lung des Man­nes mit­tels Mythos und Sym­bo­lik anstreb­te. Ins­be­son­de­re wur­de sie mit allen Revo­lu­tio­nen in Ver­bin­dung gebracht, und die katho­li­sche Kir­che brand­mark­te sie als unchrist­lich, ja als antichristlich.

So war es auch nicht ver­wun­der­lich, dass man ihr die Schuld am ers­ten Welt­krieg in die Schu­he schob. Iro­ni­scher­wei­se und tra­gi­schwei­se lies­sen sich die natio­na­len Frei­mau­rer-Gross­lo­gen eben­falls in die gegen­sei­ti­ge Kriegs­pro­pa­gan­da ein­span­nen, obwohl sie doch vor dem Krieg noch eine trans­na­tio­na­le Brü­der­lich­keit pro­pa­giert hat­ten. Damit erlit­ten sie übri­gens das glei­che Schick­sal wie die sozia­lis­ti­sche Internationale.

Woll­te Mey­rink, wel­cher auf­grund sei­ner Inter­es­sen der Frei­mau­re­rei mit Sicher­heit wohl­wol­lend gegen­über stand, sozu­sa­gen als “Agent pro­vo­ca­teur” oder “Wolf im Schafs­pelz” den Fein­den der Frei­mau­re­rei auf die Schli­che kommen?

Mag sein, mag auch nicht sein. Die Epi­so­de bleibt rätselhaft .…

Die nächs­te Fol­ge “wie alle­wyl” am kom­men­den Sams­tag, den 13. Februar.

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