Da äussert sich der Asylspezialist der SVP, Heinz Brand, also unzufrieden mit seinen zwei Bunderatskollegen (Parmelin zuständig für die Armee, Maurer zuständig fürs Grenzwachtkorps): »Ueli Maurer und Guy Parmelin sollten zur Kenntnis nehmen, dass sie in Sachen Grenzkontrollen jetzt in Schlüsselpositionen sitzen und Abwehrmassnahmen vorschlagen können.« Brand will ein wirksames Abwehrdispositiv an der Grenze: »Dafür braucht es umfassende Abstimmungen zwischen Polizei, Grenzwacht und Armee.« »WKs sollten zum Beispiel nicht mehr im Aargau oder in Altdorf stattfinden, sondern im St. Galler Rheintal und im Tessin.« (Zitate aus der Schweiz am Sonntag)
Das mahnt mich an andere Zitate in der Presse der letzten Zeit. Zum Beispiel in Der Spiegel:
»Wir brauchen umfassende Kontrollen, damit nicht weiter so viele unregistrierte Flüchtlinge über Österreich einreisen können”, sagte die AfD-Chefin Frauke Petry der Zeitung “Mannheimer Morgen”. Deutschland dürfe auch “Zurückweisungen nicht scheuen”, forderte sie. “Dies muss notfalls auch mit Grenzsicherungsanlagen durchgesetzt werden.”
Auf die Frage, wie ein Grenzpolizist dann reagieren solle, wenn ein Flüchtling dennoch deutschen Boden betrete, sagte Petry: “Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.”«
Und in der FAZ ging es weiter:
»Die Berliner AfD-Chefin und stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch hat die Forderung nach einem Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge auf die Spitze getrieben. Von Storch will die deutsche Polizei an der Grenze auch auf Frauen und Kinder schießen lassen. „Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer“, schrieb sie am Samstag auf Facebook. „Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen.“
Ein Facebook-Nutzer fragte nach: „Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?“ Von Storch antwortete: „Ja.“«
Stellt sich die Frage:
Welche Funktionen will man wohl unseren WK-Soldaten zumuten? Werden diese vereidigt wie damals die Bewacher der Flughäfen Genf und Zürich im Herbst 1970? Wie wird der Schiessbefehl formuliert? Wer gibt ihn?
Und noch ein bisschen weiter vorausblickend:
Hatten wir nicht schon einmal ähnliche Situationen (ähnliche, nicht gleiche!) Wie wurden diese moralisch gerechtfertigt? Können und wollen wir uns das wirklich leisten?
Ich habe in meiner Jugendzeit gelernt:
Meine Heimat, die Schweiz (obwohl ich nicht SVP-Wähler bin), hilft den Verfolgten und den Schwachen. Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Die Schweiz hält sich an ihre Verfassung. Die Schweiz hält ihre humanitäre Tradition hoch.
Stimmt das denn alles nicht mehr?
Und die Weisheit zur Sache:
Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird. Wenn es eine gibt, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden. Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht: die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, daß man sie nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft: zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.
(Italo Calvino)