Der Anspruch der Gemeinde ist edel: Restlos alle Reglemente werden nach Veraltetem durchforstet, auf Widersprüche geprüft und nötigenfalls in einer revidierten Version dem Souverän in Form einer Gemeindeversammlungsvorlage serviert. Nach dem Verwaltungs- und Organisationsreglement ist die Reihe nun an der Mutter aller Kommunalgesetze: die Gemeindeordnung wird teilrevidiert. Sie bildet die Spitze der Pyramide und regelt die ganz wichtigen Dinge rund um die politischen Gremien in der Gemeinde. So steht da unter anderem auch drin, ob die Gemeinde nun ordentlich (Gemeindeversammlung) oder gar ausserordentlich (Einwohnerrat) organisiert ist. Das hatte bekanntlich vor knapp zwei Jahren zu heftigen Diskussionen geführt. Doch nun heisst es im Erläuterungstext:
§ 1 Organisationstyp: unverändert
Dieses heisse Eisen scheint man also nicht nochmals anfassen zu wollen und deshalb hat der Gemeinderat entschieden, die ordentliche Ordnung so beizubehalten und nur ein klassisches Face-Lifting in Form einer Teilrevision durchzuführen. Ob danach aber trotzdem mehr Ordnung herrschen wird?
Vorerst sicher nicht! Erstens muss nach der Gemeindeversammlung das ganze stimmberechtigte Dorf an die Urne, weil das obligatorische Referendum ruft. Zweitens gilt die Ordnung auch im Falle eines doppelten “JAs” erst ab dem 1.7.2016, dem Beginn der neuen Legislaturperiode. Und drittens gibt es noch genügend Revisionsbedarf in anderen Reglementen, da längst noch nicht alle Widersprüche ausgemerzt sind. Gemeindeversammlungs-Stammgäste wissen, dass die momentan etwas akut scheinende Revisionitis eigentlich ein Dauerzustand ist. Und viel mehr als Reglemente, Kredite, Budgets und Rechnungen gutheissen kann sie schliesslich auch gar nicht, die Gemeindeversammlung.
Beschränken wir uns also darauf, was die Gemeindeversammlung darf: Im konkreten Fall der Gemeindeordnung sie darf zum Beispiel (Änderungs-) Anträge stellen. Davon hat die SVP-Sektion heftig Gebrauch gemacht und bringt gleich mehrere Vorschläge, über die abgestimmt werden kann bzw. muss. Der Wichtigste darunter: Nicht mehr der Gemeindepräsident, sondern ein Versammlungspräsident aus den Reihen des gemeinen Volkes, soll die Montags-Debatten leiten. Der Vorschlag hat doch was, zumindest wenn man die Schusslinien bedenkt, in welcher sich manche Ex-Präsidenten bewegten bzw. zu bewegen geglaubt hatten…
Doch in der Vorlage geht es auch noch um Zahlen. Neu sollen beispielsweise planmässige Baukredite erst ab einem Betrag von Fr. 1’000’000.- als Sondervorlage erscheinen und der Gemeinderat darf gemäss Vorschlag künftig eigenständig über Einzelausgaben bis Fr. 50’000.- entscheiden. Auf die Argumente für diese Änderungen darf man gespannt sein. Denn in letzter Zeit (gefühlte fünf Jahre, bitte nicht behaften…) wurde die 30’000er Limite einmal erreicht (Signalanlage Friedhofstrasse) und bei manchen Bau-Krediten wünschte man sich manchmal schon jetzt, es täte wenigstens jemand aus dem Gemeinderat einmal nachfragen, für was das Geld eigentlich genau ausgegeben werden soll. Die Zahl der Sondervorlagen war bisher jedenfalls erträglich und man hatte wenigstens ein bisschen das Gefühl, man könne auch etwas mitentscheiden. Beim Museumslift beispielsweise werden einige dereinst behaupten können, den Kelleranschluss ermöglicht zu haben — vorausgesetzt sie erleben die Eröffnung noch. Interessanterweise gab es zu den obengenannten Beträgen in der Vernehmlassung einige kritische Stimmen, doch
Der Gemeinderat hält an seinem Vorschlag fest.
Gut, das ist legitim. Auch bei einer Vernehmlassung. Schön ist aber dann die Antwort zum Vernehmlassungsvorschlag der Person A (Name der birsfälder.li-Redaktion bekannt), die anregt, eine Amtszeitbeschränkung einzuführen:
Zusätzlicher Punkt, welcher nicht Teil der Vernehmlassung war und deshalb nicht berücksichtigt werden kann.
Ist es nicht der Zweck einer Vernehmlassung auch neue Vorschläge zu prüfen? Künftig wäre eine Antwort im Sinne von “Danke für den Vorschlag, aber der Gemeinderat ist dagegen” vielleicht ehrlicher. Aber keine Angst: Es soll trotz Teilrevision und entsprechender Warnung im Erläuterungstext möglich sein, am Versammlungsabend selbst noch Anträge zu stellen. Vielleicht finden sich im Volk noch ein paar Anhänger/innen der obengenannten Idee, die nicht direkt selbst davon betroffen wären oder nach 16 Jahren Gemeinderat die Nase voll haben…
Der nahende Gemeindeversammlungsabend könnte also trotz Monotraktandum ein spannender werden. Und ansonsten hilft gegen Entzugserscheinungen der angekündigte Doppelabend im Dezember mit zwei Versammlungen, inkl. HRM2-IAFP und Pensionskassenlösungen (so versprechen es jedenfalls die Gerüchte).
wutbürger
Sep 10, 2013
Zum Gemeindeversammlungspräsidenten:
Wo denn ausser bei den Gemeindeversammlungen ist es üblich, dass die Exekutive die Legislative präsidiert. Oder kann sich jemand vorstellen, dass Bundespräsident Ueli Maurer den Nationalrat präsidiert?
Darum ein JA zum einem Gemeindeversammlungspräsidenten oder einer Gemeindeversammlungspräsidentin.