Mit diesem Slo­gan wirbt die Welt­woche und Roger Köp­pel auf “Welt­woche Dai­ly” seit einiger Zeit für das inofizielle SVP-Sprachrohr. Und tat­säch­lich: Gut gelaunt beg­ibt sich das Blatt seit kurzem in Sachen “Putin und Ukraine” auf einen Schlingerkurs ohne­gle­ichen:

Nach­dem der Chefredak­tor mit seinem bewun­dern­den Kom­men­tar auf den Macht­men­schen und Realpoli­tik­er Putin, der es dem dekaden­ten West­en endlich mal zeigt, angesichts des bru­tal­en völk­er­rechtswidri­gen Angriffs auf die Ukraine mit ziem­lich abgesägten Hosen das­tand, war ein rasch­er Posi­tion­swech­sel unumgänglich.

Aber ein gross­er Bewun­der­er Don­ald Trumps und ver­ständ­nisvoller Kom­men­ta­tor rechts­gerichteter Entwick­lun­gen in Europa muss sich selb­stver­ständlich ein Türchen zu Putin offen­lassen. Man weiss ja nie …
So kommt es, dass in der neuesten Aus­gabe zwar ein dur­chaus lesenswert­er Artikel des englis­chen His­torik­ers Richard J. Evans erscheint (“Es han­delt sich zweifel­los um einen Genozid: Diese Men­schen wer­den getötet, weil sie Ukrain­er sind”) , ein paar Seit­en weit­er hin­ten dann allerd­ings ein in Moskau leben­der Schweiz­er Anwalt und Unternehmer ger­ade das Gegen­teil verkün­det: “Die Infra­struk­tur, das Inter­net und mobile Tele­fone in der Ukraine funk­tion­ieren noch immer. Das Ziel dieser Oper­a­tion war nach rus­sis­chen Aus­sagen die Ent­naz­i­fierung und Ent­mil­i­tarisierung der Ukraine, nicht deren Zer­störung. Die Russen nah­men durch diese Tak­tik in Kauf, mehr Ver­luste zu haben. … Wo die Russen in der Ukraine hinka­men, bemüht­en sie sich darum, ein gutes Ver­hält­nis mit der Zivil­bevölkerung zu haben. Mil­itär­ra­tio­nen wur­den verteilt, und ein Tauschhan­del entwick­elte sich. … Die Russen behaupten denn auch, dass das Mas­sak­er von Brutscha nicht von den Russen began­gen wor­den sei, son­dern von ukrainis­chen Sicher­heit­skräften, die an den Kol­lab­o­ra­teuren Rache genom­men hät­ten.” — eine Analyse ganz im Sinne Köp­pels, der zuerst mal das Urteil des Inter­na­tionalen Gericht­shofs in ein paar Jahren abwarten will, bevor er sich fes­tlegt.

● Der Schlingerkurs nimmt aber mit dem Artikel von Noam Chom­skyDie Abkop­pelung der Ukraine war töricht und gefährlich” noch ras­an­ter Fahrt auf. Aus­gerech­net die Welt­woche, die seit Jahren alles “Linke und Nette” genüsslich in die Pfanne haut, lässt einen amerikanis­chen poli­tis­chen Kom­men­ta­tor zu Wort kom­men, der noch viel “linker” ist als alle “Linken und Net­ten” zusam­mengenom­men: Noam Chom­sky ist ein welt­berühmter Lin­guist — und lupen­rein­er Anar­chist (was die Welt­woche in ihrem biographis­chen Hin­weis wohlweis­lich ver­schweigt).
Als Anar­chist prangert der über neun­zigjährige Chom­sky seit jeher und scharf die impe­ri­ale Macht­poli­tik der USA an. Die Wahl Don­ald Trumps zum amerikanis­chen Präsi­den­ten, die Roger Köp­pel 2016 mit einem Freuden­tanz in seinem Büro bejubelte, betra­chtete Chom­sky zu Recht als eine poli­tis­che Katas­tro­phe erster Ord­nung. Aber was soll’s: Der Mann ist als Kri­tik­er west­lich­er Fehler — und die gab es unbe­strit­ten — für ein­mal auch in der Welt­woche her­zlich willkom­men, wenn man damit etwas vom bru­tal­en Vorge­hen Putins ablenken kann.

Die neueste Akqui­si­tion im Gemis­cht­waren­laden ist übri­gens die Bibel. Seit einiger Zeit wird der Chefredak­tor nicht müde, deren Lek­türe zu propagieren. Es gibt die Rubrik “Die Bibel” des reformierten Pfar­rers Peter Ruch, und seit neuestem das “Neue Wort zum Son­ntag” des The­olo­gen und Ex-Kirchen­präsi­den­ten Got­tfried Locher.

Das Lesen der Bibel kann dur­chaus ein guter Ratschlag sein, — aber bitte, bitte, liebe Welt­woche, nicht auf diesem unsäglichen Son­ntagss­chul­ni­vau!!
Roger Köp­pel inter­pretiert die Gen­e­sis-Erzäh­lung und staunt, wie aus dem “Nichts” — plopp! — plöt­zlich etwas, näm­lich unser Uni­ver­sum, wird. Die grossen jüdis­chen Kab­bal­is­ten haben schon vor Jahrhun­derten erkan­nt, dass unserem materiellen Uni­ver­sum als let­ztem Schöp­fungss­chritt Schöp­fun­gen fein­stof­flich­er Wel­ten voraus­ge­gan­gen sind.
Dahin­ter find­et sich nicht “nichts”, son­dern das unfass­bare Mys­teri­um, das die jüdis­chen Mys­tik­er mit dem Begriff “En Sof” beze­ich­neten.

Peter Ruch ver­sucht mit einem Zitat aus dem Alten Tes­ta­ment zur Trauer König Davids nach dem Tod seines Sohnes Absa­lom (2. Samuel 19,7) nachzuweisen, dass Gefüh­le in der Poli­tik nichts zu suchen haben. Die Trä­nen von Bun­de­spräsi­dent Cas­sis anlässlich sein­er Kon­fronta­tion mit ukrainis­chen Flüchtlingss­chick­salen in Polen seien fehl am Platze gewe­sen, denn Bish­er war es vor allem die Eige­nart von Autokrat­en, ihre Gefüh­le zur Staat­srä­son hochzustem­men und aller Welt aufzu­drän­gen! Wer die Fas­sung ver­liert, kön­nte auch die Ver­fas­sung und den Rechtsstaat aus den Augen ver­lieren!
Ein ein­drück­lich­es Beispiel dafür, wie man mit Bibelz­i­tat­en alles und nichts — und selb­stver­ständlich die SVP-Welt­sicht — beweisen kann.

● Got­tfried Locher schliesslich beglückt uns mit ein­er schö­nen Nacherzäh­lung des Exo­dus mit Moses und kommt dabei zu ein­er ersten wichti­gen Erken­nt­nis: “Frei­heit ist Chef­sache!”. Dass der Slo­gan verdächtig nach dem blocher’schen Prinzip “Führung ist Chef­sache!” riecht, lassen wir mal aussen vor. Was denn unter “Frei­heit” genau zu ver­ste­hen sei, bleibt dann lei­der ungek­lärt: Kon­sum­frei­heit? Freie Bahn auf der Auto­bahn? Frei­heitstrych­ler? Frei­heit für die Konz­erne, wie es Locher während der Kam­pagne zur Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive forderte?

Aber es gibt auch gute Nachricht­en: Die Welt­woche hält weit­er­hin pfeil­ger­aden Kurs in Sachen Kli­makrise, — nix da mit Schlingern: Die Kli­makrise ist und bleibt ein Märchen der “Linken und Net­ten”!! Beweis: Die Erde blüht!, wie das Blatt uns in ein­er grü­nen Son­der­aus­gabe fro­hge­mut verkün­det.
Patrick J. Michaels, emer­i­tiert­er Pro­fes­sor für Umweltwissenschaften an der Uni­ver­sität Vir­ginia, Präsi­dent der Amer­i­can Asso­ci­a­tion of State Cli­ma­tol­o­gists, Senior Fel­low beim Com­pet­i­tive Enter­prise Insti­tute in Wash­ing­ton und der CO2-Coali­tion in Arling­ton darf uns darin auf drei Seit­en aufk­lären  “Welt­fremde Rech­nereien. Die Wis­senschaft der Wet­ter­vorher­sage wird immer genauer. Anders die Unter­suchung der langfristi­gen Tem­per­a­turen­twick­lung: Es gibt begrün­dete Zweifel an den Forschung­sprak­tiken.”

Dass der gute Pro­fes­sor von der Kohlen- und Erdöl­branche gespon­sert wird, als Lob­by­ist der Tabakin­dus­trie die Gefahren des Pas­sivrauchens herun­ter­spielte und jahre­lang die men­schengemachte Ursache für das Ozon­loch bestritt, ist selb­stver­ständlich rein­er Zufall und nicht der Rede wert.

Da soll­ten sich Schwarz­maler wie SPIEGEL-Kolum­nist Chris­t­ian Stöck­er (Öl, Das Elix­i­er der Unter­gangs) mal ein Beispiel nehmen, — und die Welt­woche — unab­hängig, kri­tisch, gut gelaunt! — lesen 🙂 .

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Mattiello zum Sonntag
Frankreich hat gewählt!

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