Was passiert, wenn man als “attraktive Traktanden” einer Gemeindeversammlung ein paar Anträge zur Nichtweiterbearbeitung empfiehlt und eine schwarze Rechnung präsentieren kann? Genau. Die Versammlung verkommt zur Pflichtübung. Und auch ein bisschen zu einer Infoveranstaltung, zumindest was das Traktandum “Mitteilung des Gemeinderats” betrifft. Doch beginnen wir ganz vorne.
Das vielleicht spannendste Geschäft des Entschleunigungsabends war der Antrag zur Aufhebung der Gemeindekommission (GK). Als Sparbeitrag und Entschlackung wollte es der Antragsteller Rüegg verkaufen. Als Qualitätskontrolle und Politsprungbrett verstehen die Kommission der Gemeinderat und die Parteien. Da der Gemeinderat die GK-Sitzung wirklich jeweils als Hauptprobe und Argumente-Antizipationsinstrument nutzt, sind die Gemeindeversammlungen in letzter Zeit tatsächlich effizienter geworden. Aber leider auch langweiliger. Das öffentliche Blamieren mit schlecht vorbereiteten Geschäften hat jedenfalls schon länger nicht mehr stattgefunden. Schade eigentlich. Trotzdem waren fast alle dafür, dass die GK bleiben soll.
Meurys Entsorgungsanträge waren gut gemeint: Eine attraktive Grünabfuhr muss gratis sein und auch Kunststoffverpackungen soll man mit verteilten Spezialsäcken gebührenfrei entsorgen können. Konkrete Vorschläge zu einem immer wichtiger werdenden Thema. Schlussendlich aber vielleicht zu konkret. Die Versammlung folgte dem Gemeinderat und entsorgte die Anträge mit einer Nichterheblichkeitserklärung.
Die gute Rechnung wurde ohne Murren durchgeblättert und genehmigt. Der Kassenabschluss stimmt, die RPK ist zufrieden, der Finanzminister eigentlich auch, prognostiziert aber live vom Verwaltungsdach aus ein Verschuldungshoch in den kommenden Jahren.
Weil die Traktanden so effizient abgearbeitet werden konnten, blieb viel Zeit für den Infoblock des Arealentwicklers Gemeinderates:
- Beim Zentrum beginnt bald die öffentliche Investorensuche, die Quartierplanung läuft und in der ersten Hälfte 2020 soll das Mitwirkungsverfahren starten
- Die Planungsergebnisse vom Areal an der Hardstrasse werden im Herbst präsentiert
- Am 22. August laden Kanton und Gemeinde zu einer Invoveranstaltung zum Projekt Ortsdurchfahrt
- Der kürzlich präsentierte Masterplan Sternenfeld erfährt jetzt noch eine Überarbeitung
- Bei den geplanten Hochhäusern an der Birseckstrasse ist der Quartierplan am Entstehen. Auch hier folgt dann das Mitwirkungsverfahren.
- Das Hochhaus am Birsstegweg ist ins Stocken geraten. Offenbar sind sich die Grundeigentümer nicht einig.
- Die Kestenholz-Tankstelle hat noch keine Baubewilligung, da die Baulinien angepasst wurden. Lärmig abgerissen wird trotzdem schon.
Themen ohne Arealentwicklungsbezug gab es erstaunlicherweise auch noch:
- Am 5. Dezember verleiht der Kanton in Birsfelden einen Freiwilligenarbeitspreis. Die Gemeinde hat deshalb auch einen erfunden, der am gleichen Anlass vergeben wird. Bewerben können Sie sich demnächst.
- Am kommenden Samstag gibt es eine Freizeitbörse auf dem Kirchmatt-Areal. Sagen Sie es Ihrem Nachbarn.
- Birsfair, eine Nachhaltigkeits- und Fairtrade-Veranstaltung der Ornithologischen Gesellschaft Birsfelden und der Gemeinde, findet am 7. September statt.
Und schliesslich ist noch eine anfrage eingegangen: Was kann die Gemeinde unternehmen, um die Beteiligung an Gemeindeversammlungen zu steigern bzw. die Versammlungen attraktiver zu machen? Nach diesem Abend eine gute Frage. Wir sind gespannt auf Vorschläge in der Kommentarspalte.
Max Feurer
Jun 19, 2019
Warum nicht — falls die GV nicht überladen ist — einen guten Referenten, resp. eine gute Referentin einladen, der/die jeweils in TED-talk-Länge (18 min) ein interessantes Thema aus der Regio Basliliensis vorstellt?
Hans vom Hübel
Jun 19, 2019
Was habe ich gelernt:
man soll nicht von Abfall sondern von Wertstoffen sprechen
Gasser Alex
Jun 19, 2019
Tja, lieber Florian, das (politische) Leben besteht eben nicht nur aus Action…
Christoph Meury
Jun 19, 2019
«Gut gemeint«: Immerhin, danke Florian für den Trostpreis!
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Ohne hitzigen Disput und vertiefende Debatten wird‘s immer langweilig bleiben. Ein Austausch von mehr oder weniger taffen Statements. Nicht mehr und nicht weniger. Vorgängig gefiltert und weichgespült mit Kommissionspositionen. Alles schön politisch austariert. Zusätzlich vom Gemeinderat mit dem Killerlabel «nichterheblich« versehen, kann ein Antragsteller gar nichts ausrichten. Das liegt im System ist damit strukturell bedingt. Nichterheblich heisst ja, dass eine Debatte nicht gewünscht wird. Damit marginalisiert der Gemeinderat alle entsprechend stigmatisierten Themen. Der Rest ist politisches Schaulaufen. Es ist daher frivol mehr Unterhaltungswert für die Gemeindeversammlung zu monieren. Soll der Gemeinderat Tanzeinlagen als mentale Lockerungsübungen für SeniorInnen einführen? Oder Gedichte zitieren?
Franz Büchler
Jun 19, 2019
Was mir als Frage erst jetzt einfällt:
Wann hat die Gemeindekommission einmal einen Antrag des Gemeinderates abgelehnt?
Christoph Meury
Jun 19, 2019
Hätte man eine Umweltstrategie und entsprechend ein paar Zielvorgaben, könnte man die getroffenen Entscheide daran messen. So ist man aber verdammt, kantonale Gesetze & Verordnungen nachzuvollziehen. Also nix mit eigenständigem Denken.
Ergo ist das Modell optimal & höchst effizient. Kein Reibungsverlust zwischen Gemeinderat und Kommissionen.
Zudem: Wer will sich denn mit seinen ParteikollegInnen anlegen. Einhelligkeit macht das Leben einfacher. Also alles paletti!
Arthur Caccivio
Jun 20, 2019
Am 8. April 2019! Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hingegen haben dem Antrag des Gemeinderates zugestimmt.
Franz Büchler
Jun 21, 2019
Bravo! Das war die Geschichte mit der Schulratswahl.