Wie man kürz­lich den Medi­en ent­neh­men durf­te, hat­te die Cré­dit Suis­se — wie­der ein­mal — ein klei­nes Pro­blem zu lösen: Ihr Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent wur­de schon nach acht Mona­ten bei der Bank vor die Türe gesetzt. Ob wegen Miss­ach­tung der Coro­na-Regeln oder wegen inter­ner Macht­kämp­fe, mögen Insi­der ent­schei­den. Einer Mit­tei­lung darf das ein­fa­che Publi­kum aber Ver­trau­en schen­ken: Er erhält für das kur­ze Gast­spiel ein klei­nes Trink­geld von drei Mil­lio­nen Fran­ken. Und nie­mand schreit auf. Das ist heu­te normal.

Die kom­men­de Serie ist einem links­ra­di­ka­len Arbei­ter­arzt und Poli­ti­ker gewid­met, der, wenn er noch leb­te (er starb 1945), ein wirt­schaft­li­ches Sys­tem, das sol­che Exzes­se ermög­licht, als per­vers bezeich­net und sogleich zur Revo­lu­ti­on auf­ge­ru­fen hät­te: Fritz Brupbacher.

Es ist heu­te in der rech­ten poli­ti­schen Ecke der Schweiz üblich, all jene, die sich für eine sozi­al gerech­te Gesell­schaft stark machen, mit dem Eti­kett “Lin­ke und Net­te” abzu­qua­li­fi­zie­ren. Wer links und nett ist, hat von Tuten und Bla­sen in der Wirt­schaft kei­ne Ahnung. Wer links und nett ist, nimmt Gen­der­fra­gen ernst und ver­harm­lost den Kom­mu­nis­mus. Wer links und nett ist, macht sich Sor­gen um den Kli­ma­wan­del und den welt­weit anstei­gen­den Auto­ri­ta­tis­mus. Wer links und nett ist, gehört zu den Toten­grä­bern der Schweiz.

Fritz Brup­ba­cher war links, aber ganz und gar nicht nett. Ja, man ist ver­sucht zu sagen: lin­ker als Brup­ba­cher geht gar nicht.

War­um also eine Arti­kel­se­rie zu einer sol­chen Per­sön­lich­keit schrei­ben, wo heu­te doch alles, was nur ent­fernt nach Kom­mu­nis­mus riecht — von Anar­chis­mus ganz zu schwei­gen — einem regel­rech­ten gesell­schaft­li­chen Tabu unter­wor­fen ist? Das ist ange­sichts des fata­len Irr­wegs des “real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus”, der Mil­lio­nen Tote auf dem Gewis­sen hat, ver­ständ­lich. Nie­mand, der auch nur rudi­men­tä­re Geschichts­kennt­nis­se besitzt, wür­de sich auf eine Wie­der­auf­er­ste­hung von Figu­ren wie Sta­lin, Mao Tse Tung oder Pol Pot freu­en. Nie­mand wünsch­te sich wohl den “Ost­block” zurück. Und nie­mand betrach­tet hier Chi­na und Nord­ko­rea als anzu­stre­ben­de Vor­bil­der. Aber es wäre auch fatal, den “real exis­tie­ren­den Kapi­ta­lis­mus” als “das Ende der Geschich­te” zu dekla­rie­ren, wie dies Fran­cis Fuku­ya­ma nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on tat.

Fritz Brup­ba­cher war Sozi­al­de­mo­krat, Anar­cho-Syn­di­ka­list und Kom­mu­nist. Aber — und das macht ihn fas­zi­nie­rend — er war auch eini­ges mehr. Und die­ses “eini­ges mehr” führ­te dazu, dass er der 1935 erschie­nen Selbst­bio­gra­phie völ­lig zu Recht den Titel “60 Jah­re Ket­zer” geben konn­te. Allein schon das Mot­to, das er sei­ner Lebens­be­schrei­bung vor­an­stell­te, macht den Mann sym­pa­thisch: “Ich log so wenig wie mög­lich”.

Einen Blick auf das Leben des 1874 in Zürich in eine gut­bür­ger­li­che Fami­lie gebo­re­nen Brup­ba­cher zu wer­fen, erlaubt auch, sich in Erin­ne­rung zu rufen, wie die sozia­len Ver­hält­nis­se in der Schweiz um die Jahr­hun­dert­wen­de und in den ers­ten Jahr­zehn­ten des 20. Jahr­hun­derts waren, als der Begriff “links” zwar durch­aus Ängs­te her­vor­rief, aber noch kein poli­ti­sches Schimpf­wort war. Des­halb: Will­kom­men zu einem Spa­zier­gang durch Leben und Werk eines Men­schen, der Tag und Nacht für sozia­le Gerech­tig­keit kämpf­te, dabei aus heu­ti­ger Sicht immer wie­der Fehl­ein­schät­zun­gen anheim fiel, sich oft zutiefst des­il­lu­sio­niert zurück­zog, aber trotz­dem auf­recht, mutig und ehr­lich für sei­ne Idea­le kämpf­te bis zu sei­nem Tod.

Wir begin­nen am kom­men­den Sams­tag, den 29. Janu­ar mit einem ers­ten Blick auf sei­ne Jugend und sei­ne Aus­bil­dung als Arzt.

.Die fol­gen­den Aus­füh­run­gen zu Brup­ba­chers Leben und Werk basie­ren u.a. auf: 
Fritz Brup­ba­cher, 60 Jah­re Ket­zer, Marx und Baku­nin, See­len­hy­gie­ne für gesun­de Hei­den, Der Sinn des Lebens, Um die Moral her­um, Die Grund­la­gen des idea­lis­ti­schen Sozialismus
Karl Lang, Kri­ti­ker, Ket­zer, Kämp­fer. Das Leben des Arbei­ter­arz­tes Fritz Brup­ba­cher. Lim­mat-Ver­lag 1975

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