Im Vor­wort zu sei­nem Buch “See­len­hy­gie­ne für gesun­de Hei­den”, das zwei Jah­re vor sei­nem Tod erschien, schil­dert uns Fritz Brup­ba­cher, wie aus sei­ner Sicht gelebt wer­den soll, damit die­ses Leben reich und sinn­voll — kurz: lebens­wert — sei. Inter­es­sant, dass er sich nicht scheu­te, sich trotz mate­ria­lis­ti­scher Welt­an­schau­ung Gedan­ken zur mensch­li­chen See­le zu machen:

Die See­le strebt danach, in stän­di­ger Bewe­gung zu sein, freut sich am “élan de vie”, am Teu­fel im eige­nen Leib, an der Sehn­sucht nach Sehn­sucht. Sie gewinnt so Freu­de an sich sel­ber, aber auch an ihrem Edel­mut, an der Fähig­keit, sich zu ver­schen­ken, sich hin­zu­ge­ben. Sie spor­tet leib­lich und geis­tig, sucht Selbst­ver­trau­en durch Sport, Han­deln, Erle­ben, fühlt sich glück­lich in der Frucht­bar­keit des Den­kens und Handelns. 
Die See­le sehnt sich nach Schwung, Enthu­si­as­mus, höchs­ter Fül­le, Inten­si­tät, Wei­te, Frucht­bar­keit, Abwechs­lung, sogar nach Schmerz, wenn der Schmerz frucht­bar und leben­dig macht. Die See­le hat Freu­de an ihren eige­nen Wider­sprü­chen, wenn die­se Wider­sprü­che sie belebendigen. 
Sie setzt sich der Gefahr aus, um sich die Lan­ge­wei­le zu ver­trei­ben. Sie geht neu­en Ideen nach, um neue Impul­se zu bekom­men. Hat sie kei­ne Pro­ble­me, so sucht sie wel­che. Sie liebt Auf­re­gung, Auf­ge­wühlt­heit, Aben­teu­er, sucht Wun­der und Exotismen. 
Die See­le flieht die Ein­tö­nig­keit, die Lee­re, die Lan­ge­wei­le. Sie hat die Sehn­sucht, über sich selbst her­aus­zu­kom­men, um unüber­wind­lich und unbe­sieg­bar zu wer­den, ihre eige­ne Leis­tung ins Phan­tas­ti­sche zu stei­gern. Lei­den­schaft­lich­keit, glü­hen­de See­le ist des Men­schen Sehn­sucht. Der Mensch will in Brand gesteckt wer­den. Er will sich hin­auf­sün­di­gen, wenn er nicht anders hin­auf­wach­sen kann. 

Karl Lang, sein Bio­graph, meint, dass Brup­ba­cher damit “in gefähr­li­che Nähe des faschis­ti­schen “vive­re per­i­co­losa­men­te” gera­te.Doch der ent­schei­den­de Unter­schied zum faschis­ti­schen Vita­lis­mus liegt bei den zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Bei Brup­ba­cher wird die Auto­no­mie des Indi­vi­du­ums wirk­lich begrenzt durch die­sel­be Auto­no­mie des Mit­men­schen, es gibt hier kei­ne Recht­fer­ti­gung der Herr­schaft von Men­schen über Men­schen, kei­ne Befrei­ung irgend­ei­ner Eli­te auf Kos­ten der Allgemeinheit. 

Der birsfaelder.li-Schreiberling sei­ner­seits denkt: Da spricht ein Mensch, der sich dem Wag­nis des Lebens offen, furcht­los und mutig gestellt hat. Und die­se Hal­tung hat Brup­ba­cher erlaubt, sich allen fal­schen Kom­pro­mis­sen und allen ideo­lo­gi­schen Ver­krus­tun­gen immer wie­der zu ent­zie­hen und trotz aller Ent­täu­schun­gen das Ide­al einer neu­en Gesell­schaft hoch­zu­hal­ten, in der auto­no­me und selbst­ver­ant­wor­ten­de Indi­vi­du­en in Frei­heit har­mo­nisch zusam­men­le­ben. Man könn­te ihn als Bei­spiel neh­men für einen Men­schen, der sich auf Joseph Campbell’s “Hel­den­rei­se” bege­ben hat.
Und: auch wenn er sich sel­ber als hart­ge­sot­te­nen Mate­ria­lis­ten sah, ist eine gewis­se Ver­wandt­schaft mit einem ande­ren Revo­lu­tio­när spür­bar, der vor lan­ger Zeit ein­mal sag­te: Ich bin gekom­men, Feu­er auf die Erde zu wer­fen, und wie sehr wünsch­te ich, es wäre schon entfacht!

Zu Beginn des ers­ten Welt­kriegs kam Brup­ba­cher mit einem wei­te­ren revo­lu­tio­när gesinn­ten Zeit­ge­nos­sen aus der Schweiz in Kon­takt, und es kam sogar zu einer aller­dings nur kur­zen Zusam­men­ar­beit im Kampf um eine sozi­al gerech­te­re Eid­ge­nos­sen­schaft. Doch die grund­le­gen­de Ver­schie­den­heit ihrer Cha­rak­te­re und dar­aus resul­tie­ren­de Miss­ver­ständ­nis­se ver­hin­der­ten ein lang­fris­ti­ge­res Zusam­men­ge­hen. Brup­ba­cher urteil­te 1915 ein­mal abschät­zig, besag­ter Zeit­ge­nos­se sage immer, er könn­te ster­ben für eine Sache; leben schei­ne er dafür nicht zu kön­nen. Sein Gegen­part sei­ner­seits mein­te, Brup­ba­cher sei trotz allem geist­rei­chen Wesen ein Ober­flä­chen­mensch und Zyni­ker geblieben.

Wer der Mann wohl war? Bei­de star­ben im glei­chen Jahr 1945, Brup­ba­cher im Janu­ar, der ande­re im Dezem­ber. Ihm wer­den die nächs­ten Fol­gen gewid­met sein, — und dies wie immer

am kom­men­den Sams­tag, den 29. Oktober!

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